Bad Ischl: „Die lustige Witwe“

Besuchte Aufführung am 11.08.17 (Premiere am 15.07.17)

Operette in ihrer besten Form

Der „Knallertitel“ des Lehàr-Festivals ist dieses Jahr die unverwüstliche „lustige Witwe“, da denkt man als Kritiker, na, das nehmen wir halt mit, wenn wir schon da sind, um die Raritäten von Kalman und Raymond anzusehen. Doch auch diese Saison denkt man hinterher, wie gut, das ich es mir angesehen habe. Erstens ist das Stück nicht ohne Grund ein Meisterwerk des Genres, zweitens war die Aufführung einfach bezwingend. Vielleicht sind die sehr konservativen Erwartungen etwas geknickt, denn Regisseur Leonard Prinsloo lässt die die Handlungen in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts spielen, sonst wird die Operette absolut werkgetreu auf die Bretter gestellt. Vielleicht irritiert die sehr originelle Choreographie (ebenfalls Prinsloo), die ein wenig an die futuristischen Tänze der Fernsehserie „Raumpatrouille Orion“ erinnern. Aber die Dialoge, die Regie und Beleuchtung (alles Prinsloo), mit der sehr geschmackvollen Ausstattung von Monika Biegler sind sehr gelungen und verraten in ihrer Eleganz sicheren Geschmack, denn die Ischler Devise „Aus wenig, mach viel“ ist hier in ihrer besten Form zu erleben, schließlich ist der Etat nicht allzu groß und die Kurhausbühne hat doch eine recht bescheidene Bühnentechnik.

Das gelingt natürlich auch nur mit den sorgsam ausgewählten Sängern und Darstellern und dem, es ist nicht oft genug zu erwähnen, grandiosen, engagierten Chor, die zusammen mit den fünf Tänzerinnen einfach einsame Klasse auf der Bühne sind. Gesungen wird bei der „Witwe“ so gut, wie ich es lange nicht so geschlossen bei einer Operette erlebt habe. Regina Riel hat sich wirklich die Divenrolle in Ischl erobert, es ist eine Freude, welche Selbstsicherheit sie erlangt hat, dazu ein geschmeidiges Soprantimbre mit hoher Textverständlichkeit, letzteres betrifft sowieso alle Interpreten dieser Produktion. Der Auftritt kommt elegant fast im Piano daher und schwebt gut fokussiert über dem Herrenchor, beim Reiterduett darf die Stimme rustikal breiter klingen, Höhepunkt ist das wunderbar interpretierte Vilja-Lied mit dem fein verhallenden hohen Schlusspiano, ein Beispiel von Poesie in der Operette. Ihr gegenüber Reinhard Alessandri als Danilo, so wie man das mit der nötigen Nonchalance spielen muss. Der Auftritt mit dem Maxim-Chanson in maskuliner Baritonfarbe, dann öffnet sich der Tenor jedoch zur strahlenden Höhe. Das Paar passt einfach prima zusammen.

Steven Scheschareg beeindruckt als Baron Mirko Zeta mit potentem Bariton und ist mal kein alter Trottel , sondern ein rechter Siebziger-Jahre-Strizzi. Dazu Verena Barth-Jurca als sehr jugendliche, erotisch-knisternde Valencienne, eine Frau die nicht immer weiß, was sie will, aber weiß, wie man das singt. Silbriger, kühler Sopranklang stets mit feinem Fokus über den Ensembles flirrend. Clemens Kerschbaumer singt mit üppigem Tenor den Camille de Rossillon, er gurrt erotisch um die Umworbene und zerrt sie mit Piano und stupenden Höhen allein schon vokal in den ; hier imaginierten; Pavillion. Cascada und Saint Brioche von Wolfgang Gerold und Roman Martin (letzterer wohl der meistbeschäftigte Darsteller dieser Saison, findet er sich doch in allen drei Produktionen) halten dem hohen Niveau stand. Robert Herzl gibt dazu einen sehr slapstickhaften, wie gekonnten Njegus. Die Nebenrollen sind bestens aus dem Chor besetzt, der, um es einfach noch einmal zu schreiben, ganz fantastisch ist, ohne die Chorsänger wäre dieses Festival nicht das, was es ist.

Doch das alles wäre natürlich nichts ohne das Franz-Lehàr-Orchester, denn gerade bei dieser wohlbekannten und doch anspruchsvollen Partitur, merkt man von welcher Qualität hier musiziert wird. Antanina Kalechyts übernahm an diesem Abend zum ersten Mal die Leitung in dieser Produktion und ließ Lehàrs Musik so recht knistern und funkeln, den Sängern an durchaus mal an langer Hand Möglichkeiten zur Interpretation bietend. So soll Operette musiziert werden, damit ihre ganzen Vorzüge so recht aufleuchten können. Wenn dann im Entracte der Witwenwalzer erklingt, das Publikum leise (!) mitsummt, dann kriege ich einfach eine Gänsehaut. Danke, für diese in einfach jeder Hinsicht gelungene Aufführung.

Martin Freitag 20.8.2017

Fotos: Foto-Hofer, Bad Ischl