Bad Ischl: „My Fair Lady“

Die ungarische Hochzeit

Besuchte Vorstellung der „Ungarische Hochzeit“ war die Premiere am 18.07.2015

und „My Fair Lady“ Besuchte Vorstellung am 19.07.2015 – Premiere am 11.07.2015

Landesgartenschau, Kaiserwetter und schmissige Melodien

Wie jedes Jahr zog mich auch diesmal wieder Bad Ischl in seinen Bann. Besonders auch deswegen, weil mit die „Ungarische Hochzeit“ ein mit wunderschönen Melodien versehenes Stück von Nico Dostal auf dem Spielplan stand, welches leider nur sehr selten aufgeführt wird. Die tolle ZDF Aufführung von 1968 im Rahmen des Musikkanals mit Peter Minich, Maria Tiboldi, Ferry Gruber, Monika Dahlberg und Maria Schell ist leider nirgends mehr aufzutreiben und es bleibt nur die Erinnerung. Der umtriebige Intendant Prof. Dr. Michael Lakner, besitzt ein untrügliches Händchen bei der Auswahl seiner Stücke, ein Gespür für den Geschmack des Publikums, welches seines gleichen sucht. Er, der die Seele der Franz Lehár Festspiele ist, hat wieder einmal eine tolle Leistung abgeliefert (auch wenn er vor der Premiere sichtlich nervös war – und dies vollkommen unnötig). Die Landesgartenschau, die zur gleichen Zeit in Bad Ischl stattfindet, bindet die beiden Stücke mit ein und wenn man liest, dass im nächsten Jahr neben der „Fledermaus“ von Johann Strauss Sohn auch die wunderbare, fast nie aufgeführte Operette „Die Rose von Stambul“ von Leo Fall auf dem Programm steht, ist es mir um den Fortgang der Festspiele nicht bange, auch wenn der Intendant zu recht drastischen Mitteln griff, um die Finanzmisere der Festspiele offenkundig zu machen. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, was er alles für „seine“ Festspiele getan hat, aber es hat geholfen und das Spendenaufkommen für dieses Jahr war beachtlich.

„Die Ungarische Hochzeit“ von Nico Dostal war 1961 und letztmalig 1971 in Bad Ischl zu erleben. 44 Jahre hat es also gedauert, bis diese wunderschöne Operette wieder auf die Bretter in Bad Ischl zurückkam. Und, das kann man gleich vorwegnehmen, sie kam fulminant zurück. Unmittelbar vor der Premiere mussten noch einige Streichungen vorgenommen werden, aber auch so dauerte die Aufführung gut 3 ½ Stunden, die jedoch rasch vergingen – und das trotz der tropischen Hitze, die durch die Klimaanlage im Haus Gott sei Dank sehr gedämpft wurde.

Die etwas verworrene Geschichte ist rasch erzählt. Der lebenslustige Graf Stefan Bárdossy wird von einem Kurier der Kaiserin Maria Theresia darauf aufmerksam gemacht, dass 300 Kolonisten im Dorf Popláka junge Bräute versprochen, aber, so die Beschwerde der Kolonisten, nur alte Hexen angeboten wurden. Graf Stefan soll das klären. Dieser schickt seinen Diener Árpád als Graf mit seinem Onkel nach Popláka, während er inkognito dort hinfährt. Der Stuhlrichter von Popláka, der vom Besuch erfahren hat, will den vermeintlichen Grafen täuschen und führt ihm junge hübsche Mädchen aus der Umgebung und seine Tochter Janka vor. Das Bauernmädchen Etelka verliebt sich in den vermeintlichen Grafen und dieser auch in sie, während Graf Stefan als Sprecher der Kolonisten sich unsterblich in Janka verliebt. Als Janka erfährt, dass der vermeintliche Kolonist in Wahrheit der Schürzenjäger Graf Stefan ist, schiebt sie ihm zur großen Hochzeitszeremonie die Magd Anna unter. Nach der Trauung große Enttäuschung bei Etelka, die dachte zu etwas Höherem geboren zu sein und bei Graf Stefan, der seine geliebte Janka nicht bekommen hatte. Kaiserin Maria Theresia persönlich lässt alle auf ihr Schloss kommen, löst die unter falschen Voraussetzungen zustande gekommenen Ehen, außer der von Árpád und Etelka, die merken, dass sie zusammengehören, auf. Auch die Ehe von Graf Stefan wird aufgelöst – wenn sich eine Frau findet, die ihn zum Mann nimmt. Janka und Stefan fallen sich in die Arme und die Kaiserin gibt ihren Segen.

Der Regisseur und Choreograph Leonard Prinsloo hat viel Spaß an diesem ganzen Ränkespiel und setzt alles recht stimmig in Szene. Showteile wechseln mit traditioneller Operettenseligkeit ab und bieten insgesamt gesehen gute Unterhaltung – und das ist doch heutzutage schon viel. Das Bühnenbild von Su Pitzek ist zweckgebunden, nicht zu aufwendig, gerade in der richtigen Mischung und auch die Kostüme von Barbara Häusl sprechen an. Bunt, manchmal bewusst etwas überzogen, aber schön anzusehen ist das alles allemal. Dem Publikum gefällt es und es spart nicht mit Applaus.

Marius Burkert leitet das Franz Lehár-Orchester und dies mit Feuer und Leidenschaft. Es ist bewundernswert, wie er dieses Orchester, welches gerade einmal 10 Tage für die Proben hatte, zu einem Spitzenorchester führt. Glutvoll und durchschlagskräftig, aber zum Wohle der Sänger auch wieder zurücknehmend und klangsicher begleitend. Eine ganz tolle Leistung von Dirigent und Orchester ebenso zu loben wie der tolle Chor, der von Lázló Gyükér entsprechend einstudiert worden ist.

Die Gesangskrone gebührt einwandfrei den Damen. Und hier an erster Stelle der zauberhaften Regina Riel als Janka. Die niederösterreichische Sopranistin hat mit Sicherheit eine große Karriere als Operettenprimadonna vor sich. Spitzentöne, zart gesetzt, leise ausflirrend, lassen die Zuhörer die Luft anhalten. Ein strahlend leuchtender Sopran, der alle Nuancen der Rolle bis ins Kleinste erfüllen kann, verbunden mit einem lebendigen und überzeugenden Spiel, setzt hier die Krone der heutigen Vorstellung auf. Selbst das etwas eigenartige Kleidchen, was man ihr verpasst hatte, konnte auch nur einen Hauch daran ändern. Bad Ischl hat nach der bereits exzellenten Darstellung der Angele Didier im „Graf von Luxemburg“ im letzten Jahr, wo sie bereits ihr großes Potential mehr als andeuten konnte, wieder einen strahlenden Operettenstern. Graf Stefan ist Jevgenij Taruntsov und hier bin ich etwas im Widerstreit mit mir. Der in Bad Ischl wohlbekannte und beliebte Tenor hat eine strahlende metallische Höhe, jedoch war an diesem Abend einiges etwas blass, nicht durchschlagskräftig genug, mitunter sehr zurückhaltend, mit gebremstem Schaum. Erst zum dritten Akt hin gelangte er wieder zu seiner alten Leichtigkeit und die Stimme strahlte wie gewohnt mit einem wunderschönen „Märchentraum der Liebe“. Vielleicht eine leichte Indisposition und der Versuch, die Stimme ein kleines bisschen zu schonen. Ich hoffe, dass er auf der CD-Aufnahme, die dankenswerterweise wieder ansteht, zur alten gewohnten Frische und Strahlkraft zurückfindet. Als Árpàd, dem Diener des Grafen kann Thomas Zisterer erneut voll überzeugen. Als seine Partnerin steht in diesem Jahr erstmals Anna-Sophie Kostal auf der Bad Ischler Bühne und sie ist eine große Bereicherung. Beide können beim Publikum sowohl von der gesanglichen als auch der tänzerischen Seite punkten, dazu gesellt sich ein ausgezeichnetes schauspielerisches Potential. Thomas Zisterer setzt seinen eleganten, durchschlagenden und kräftigen Tenorbariton ein (von Hause aus Bariton, ist er hier auch mit tenoralen Tönen dabei) und Anna-Sophie Kostal kann als Etelka einen klangschönen quirligen leuchtenden Sopran beisteuern. Ich bin mir sicher, dass dieser Auftritt in Bad Ischl nicht ihr letzter gewesen sein dürfte.

Tomaz Kovacic überzeugt als verschlagener Stuhlrichter voll, eine schöne warme Stimme und eine komödiantische Ausstrahlung bei ihm. Als seine Frau Rusina begeistert Rita Peterl mit ausgewogenem feinem Spiel die Zuschauer, die in der Premierenfeier ganz überrascht sind, wie jung diese Darstellerin noch ist. Die ältere keifende Ehefrau hat sie jedenfalls gekonnt hingelegt. Gerhard Balluch in seiner vornehmen zurückhaltenden Art kann als Edler von Pötök, dem Onkel Graf Stefans überzeugen und einen weiteren Mosaikstein in seine Bad Ischler Auftritte setzen. Wolfgang Gerold als Freund des Grafen und Matthias Schuppli als Kurier der Kaiserin sowie Dorli Buchinger als Schenkwirtin, Giuseppe Preims als Grossknecht, Christoph Ungerböck als Magd und Daniel Alejandro Cobos Ortiz als Hirt vervollständigen ohne Fehl und Tadel das Ensemble. Ja und als Kaiserin Maria Theresia hat Dolores Schmidinger ihren großen Auftritt. Ja – und auch hier bin ich wieder etwas geteilter Meinung. Einerseits spielt der Ischler Theaterliebling in schrillem Kostüm und Maske etwas sehr überzogen, eine Parodie der Parodie und dann kommt für mich dazu, dass ich von ihrem wienerischen Nuscheln auch rein gar nichts verstehe. Rein akustisch erschließt sich mir die Rolle also überhaupt nicht. Aber da stehe ich sicher alleine da, großer tosender Applaus auch für sie. Am Ende ein zufriedenes, wenn auch etwas geschafftes und ermüdetes Publikum, denn 3 ½ Stunden ist schon eine Grenze, die man in der Operette nicht so oft überschreiten sollte. Insgesamt gesehen eine gelungene Premiere mit viel Beifall und viel Zustimmung. Und das ist es doch, was die Operette ausmacht, sein Publikum für Stunden zu verzaubern. In Bad Ischl ist dies glänzend gelungen.

,Am nächsten Tag mit „My Fair Lady“

die zweite Aufführung, die ich mir in Bad Ischl anschaue und auch hier habe ich wieder mit meinen Vorurteilen zu kämpfen. Die Leser wissen inzwischen längst, dass ich kein großer Musicalfreund bin, aber auch hier hat mich Bad Ischl wieder mehr als überzeugt. „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blüh´n“ singt Eliza Doolittle und vor dem Kongress & TheaterHaus Bad Ischl blühen die Blumen der Landesgartenschau in allen möglichen Farben. Dies ist doch schon einmal ein recht glücklicher Einstieg und auch sonst hat Intendant Michale Lakner erneut viel Glück. Glück mit dem Ensemble, mit dem Orchester, dem Dirigenten usw. Doch alles der Reihe nach.

Der Inhalt von „My Fair Lady“ im Schnellverfahren: Ein arroganter, selbstverliebter Professor, natürlich Junggeselle, wettet mit Oberst Pickering, dass es ihm als Sprachwissenschaftler gelingt, ein Mädchen aus der Gosse, mit praktisch keinem Benehmen und einer vulgären Kauderwelschsprache, so auszubilden, dass sie auf einer Einladung in höchste Kreise als „Prinzessin“ bestehen kann. Und tatsächlich, das einfache Blumenmädchen Eliza wird von ihm so gedrillt, dass sie alles schafft. Statt sie danach in höchsten Tönen zu loben, lobt er nur sich und seine tolle Leistung, zusammen mit Oberst Pickering. Eliza will von ihm fort, zutiefst gekränkt, aber er hat sich „so gewöhnt an ihr Gesicht“ – und Eliza kehrt zu ihm zurück. Ob sie ein Liebespaar werden, ob sie ihn wieder verlässt, dass lässt das Musical und auch die heutige Inszenierung offen. Um diese Hauptfiguren gibt es mit dem Vater von Eliza, einem philosophischen Müllkutscher und dem unglücklich in sie verliebten Freddy sowie der Haushälterin Mrs. Pearce und Mrs. Higgens weitere Figuren, die zum Erfolg beitragen.

Die Regie von Isabella Gregor, das Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf sowie die teilweise schönen Kostüme von Alexia Redl sind eigentlich herrlich konventionell, auch wenn die Handlung in das Salzkammergut verlegt wird. Der Bordsteinpflanze Eliza hat man leider ein recht unvorteilhaftes Gewand beschert mit Topfhut. Der Migrationshintergrund der Eliza kommt kaum zum Tragen, der Bezug zur EU ist nur ganz leicht angedeutet. Die Choreographie von Mandy Garbrecht kommt dem allen entgegen. Die Aufführung jedenfalls liegt ganz nahe beim Stück – und das ist auch gut so.

Das Franz-Lehár-Orchester wird an diesem Tag von Lázló Gyükér geleitet, der auch den ausgezeichneten Chor, der viel zum Gelingen des Abends beitrug, einstudiert hat und er macht seine Sache ausgezeichnet. Das Orchester selbst brilliert und das ist für eine so kurze Probenzeit schon sehr außergewöhnlich. Hier ist ein richtiges homogenes Ensemble zusammengewachsen, welches leicht und locker, aber auch feurig und gewaltig auftrumpfen kann. Schmissig und einfühlsam gehen die Melodien in das Ohr und auch die Füße der äußerst angetanen Zuhörer.

Als Eliza Doolittle erntet Theresa Grabner großen und verdienten Beifall. Darstellerisch hat sie keinerlei Probleme, gesanglich kann sie ihren schönen leuchtenden und hohen Sopran nicht so ganz in die Rolle einbringen und das ist etwas schade. Zu sehr ist sie etwas in der Sprachbarriere gefangen. Sie singt sich den Abend über jedoch frei und gibt eine überdurchschnittlich gute Darstellung der Eliza Doolittle. Als ihr Vater brilliert Gerhard Ernst als Müllkutscher. Wenn er auftritt vereinnahmt er die Bühne mit Haut und Haar. Schauspielerisch kraftvoll und beweglich, gesanglich den Part bis ins Letzte ausfüllend, gibt er eine Paradepartie ab und erntet dafür zu recht großen und verdienten Beifall. Martin Berger ist ein exzellenter Prof. Henry Higgins, der vor allem die leisen Töne seiner Rolle gut zum Vorschein bringen kann. Auch stimmlich weiß er vollstens zu überzeugen, tänzerisch ist er leidenschaftlich und insgesamt auf jeden Fall ein Aktivposten, ebenso wie Matthias Schuppli als Oberst Pickering. Er lockt wesentlich mehr aus seiner Rolle heraus, als dies normalerweise üblich ist, er ist ein exzellenter Gegenpart zu Prof. Higgins und nicht nur sein Abklatsch. Florian Resetarits kann in seiner Rolle als verliebter Freddy baritonal voll überzeugen, auch bringt er gekonnt diesen etwas schüchtern-zurückhaltenden Typ, der sich dadurch viel verscherzt, auf die Bühne. Als Hausdame Mrs. Pearce ist Uschi Plautz eine resolute, aber gleichzeitig auch mütterliche Figur. Einen kleinen Höhepunkt gibt es beim Auftritt von Mrs. Higgens, der Mutter des Professors. Diese Rolle, die man sonst teilweise gar nicht so richtig wahrnimmt, wird durch die Gestaltung von Kammersängerin Renate Holm geradezu geadelt. Da ist es auch gerechtfertigt, dass sie mit der Liedeinlage „Du hast getanzt heut Nacht“ eine weltweite Premiere hinlegt. Ihre, fast möchte man sagen, ewig junge Stimme, ihr Charme, der aus jeder ihrer Bewegungen ersichtlich wird, bringen ihr tosenden Beifall. Sie macht der „My Fair Lady“ und sie macht Bad Ischl alle Ehre. Bravo Renate Holm. Im weiteren umfangreichen Ensemble des Musicals gibt es keinerlei Ausfälle, alle machen ihre Sache ausgezeichnet. In einem anderen Zusammenhang habe ich einmal geschrieben: „So ist das Musical eine (fast) ebenbürtige Freundin der Mutter Operette.“ Und dem habe ich heute nichts hinzuzufügen.

Bad Ischl und sein Lehár Festival war auch in diesem Jahr wieder eine Reise wert – und mehr als das. Ich freue mich auf nächstes Jahr – und hier vor allem auf „Die Fledermaus“ von Johann Strauss (dessen Nachfahre Dr. Eduard Strauss mit seiner Gattin auch in den beiden von mir rezensierten Aufführungen saß) und dann natürlich auf die herrliche Operette „Die Rose von Stambul“. Auf Wiedersehen Bad Ischl.

Manfred Drescher 22.07.15

Bilder www.fotohofer.at