Aufführung am 24. August 2019
Die Operettenbühne Wien unter Prof. Heinz Hellberg gastiert letztmalig auf der Luisenburg und das wie die letzten 20 Jahre mit Feuer und Leidenschaft vor ausverkauftem Haus
Seit 1980 fährt der Rezensent mit teilweise bis zu 120 Mitfahrern nach Wunsiedel. Die letzten 20 Jahre war er bei jeder Operettenaufführung der Wiener Operettenbühne um Heinz Hellberg dabei. Die Vorstellungen waren fast immer ausverkauft, die Publikumsresonanz überwältigend. Das Erfolgsrezept von Heinz Hellberg ist: „Besser gut entstaubt, als schlecht modernisiert:“ Und so leidenschaftlich, so authentisch, so voller Charme, ja, auch voller Wiener Schmäh, war er ein Erfolgsgarant für die Operette auf der Luisenburg. Nun hat ihn der Bürgermeister, der Stadtrat und die neue Intendantin nach 20 Erfolgsjahren vor die Tür gesetzt, ja natürlich, es heißt offiziell so schön, dass der jährliche Vertrag nicht mehr erneuert wurde – aber das ist für mich das gleiche. Und man kann es einfach nicht nachvollziehen. Dies ist so, als wenn man ein galoppierendes Pferd, das als erster gleich ins Ziel kommt, einfach stoppt und zu Boden wirft. Eine wunderbare Erfolgsgeschichte, die vor allem auch stets volle Zuschauerplätze garantiert hat, sollte man nicht einfach so opfern. Mir wurde gesagt, ja, man wolle die Operette frischer aufbereiten, auch die Jugend mehr herankommen lassen. Nun gut, wenn es so ist, dass man bereit ist, für vielleicht 100 bis 200 neue jugendliche Besucher ein paar Tausend ältere dazu zu bringen eben nicht mehr zur Operette nach Wunsiedel zu fahren, dann ist es ein richtiger Entschluss. In einem Gespräch wurde ich gefragt, ob ich zur Operette nach Wunsiedel wegen der Operette oder der Bühne Hellberg fahre. Dies ist ganz einfach zu beantworten, ich fahre nach Wunsiedel, weil es eine der schönsten Naturbühnen ist, die ich kenne und die ich deshalb auch so liebe und natürlich auch, weil ich die Garantie habe, mit der Bühne Hellberg Operette so gezeigt zu bekommen, wie sie die Zuschauer und Zuhörer über Jahrzehnte erfreut hat. Und verlorene enttäuschte Zuschauer zurückzuholen, ist sehr schwer.
Heinz Hellberg
Und dass die Luisenburg nicht immer ausverkauft ist, auch wenn die Bühne noch so toll ist, konnte man in diesem Jahr bei einigen Stücken feststellen. Es geht also nicht nur um den Ort, also das „wo“, sondern vor allem auch um das „wie“. Nächstes Jahr soll die „Fledermaus“ gezeigt werden, momentan steht noch nicht fest, von welcher Bühne oder Gruppierung, man sei mit einer holländischen Bühne in Kontakt! Wenn dies der Neuanfang der Operettenseligkeit auf der Luisenburg ist, dann habe ich einige Bauchschmerzen. Ich beende doch keine Erfolgsstory, ohne bereits einen einigermaßen adäquaten Ersatz zu besitzen, wie dies in der Presse fälschlicherweise bereits vor einigen Wochen angekündigt war. Ich werde im nächsten Jahr sicher erneut zur Luisenburg fahren, ob es dann nach 40 Jahren leidenschaftlicher Treue, meine letzte Vorstellung gewesen sein wird, wird sich zeigen. Man gibt ohne Grund eine feste Bank auf der Luisenburg auf und ich kann nur hoffen, dass im Auswahlgremium Leute mit Operettenverstand sitzen, aber da bin ich mir leider nicht ganz so sicher. Denn nur die Aussage man benötige eine „künstlerische Veränderung“ und dass bei den zurückliegenden Erfolgen, zeugt für mich nicht gerade von einem ausgeprägtem Musik- und Operettenverstand. Doch ich lasse mich im nächsten Jahr gerne eines Besseren belehren. Doch jetzt zur Hauptsache, zur letzten Operettenaufführung der Wiener Operettenbühne auf der Luisenburg. Und was war dies wieder für ein Spektakel, Standing Ovation am Schluss der spritzigen, launigen und mit einigen „Zusatzzuckerln“ versehenen Aufführung. Doch nun dazu mehr.
Stefan Reichmann – Alexander M. Helmer
Ein paar Worte erlaube ich mir zur Geschichte, denn der Walzertraum ist sicher nicht so allgemein bekannt wie andere Operetten. Der Komponist Oscar Strauss, geboren 1870 in Wien und verstorben und begraben 1954 in Bad Ischl hat mit der Strauss Dynastie um Johann & Co und auch mit Richard Strauß nichts zu tun. Aus diesem Grund änderte er auch seinen Nachnamen und nannte sich Straus, mit nur einem S. Er schrieb etliche recht schöne Operetten wie „Die lustigen Nibelungen“, „Der letzte Walzer“ und „Die Perlen der Cleopatra“, so richtig bekannt und berühmt wurde aber nur sein 1907 erschienenes Meisterwerk „Ein Walzertraum“. Der Wiener Hallodri Leutnant Niki wird ein bisschen gegen seinen Willen mit der steifen Prinzessin Helene von Flausenthurn verheiratet. Er, der Wiener Walzerseligkeit zugehörende fesche Wiener kommt mit den Lasten eines Prinzgemahls schlecht zurecht. Die Etikette am Hof schnürt ihm den Hals zu. Er klagt seinem Freund Leutnant Montschi sein Leid und büxt mit ihm in der Hochzeitsnacht aus, als er erfährt, dass eine Wiener Damenkapelle zu Ehren der Hochzeit im Lande ist. Er besucht das Gartenrestaurant und verdreht der Chefin der Wiener Damenkapelle Franzi Steingruber so richtig den Kopf, während sich sein Freund zu der Schlagzeugerin Fifi hingezogen fühlt. Er wird vom Hofstaat zurückgeholt, die Kapellenchefin Franzi, die ihrer Liebe zu ihm entsagen muss, gibt Prinzessin Helene Tipps, wie man fescher wird um einen Mann an sich zu binden und am Ende finden sich alle in der Walzermusik zusammen. Das Ganze hat Heinz Hellberg in eine träumerische Geschichte eingebunden. Niki schläft in Alltagskleidung zu Beginn der Operette ein, alles was dann kommt ist sein Traum, den das Publikum miterlebt und am Ende der Operette erwacht er und merkt, dass alles nur in seinem Kopf vorgegangen ist. Dies fügt sich ohne Probleme in das Stück ein und unterstreicht etwas den Traumcharakter.
Das Orchester der Operettenbühne Wien wird von dem in Miskolc in Ungarn geborenen László Gyükér, geleitet. Viel über ihn zu sagen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Ihm, der auch Dirigent der Volksoper Wien ist, liegt die Operette im Blut und man merkt in jedem Moment seine Liebe zu diesem Metier. Er begleitet die Sänger einfühlsam und sensibel und lässt das Orchester, wenn solche Rücksichten nicht genommen werden müssen, voller Temperament und Leidenschaft agieren und die Wogen der Musik über den Zuhörern zusammenschlagen. Lázló Gyükér lebt und atmet mit der Musik und dies wirkt sich auf das sehr gute Orchester der Operettenbühne Wien und auf die Sänger aus und erreicht dadurch auch das applausfreudige Publikum. Mit dieser Leidenschaft wünsche ich mir mehr Dirigenten, denn damit verhelfen sie der Operette zu ihrem Platz in der Musikwelt, die sie verdient.
Susanne Hellberg – Elisabeth Hillinger
Für die Regie und die Bühnenfassung des „Walzertraums“ zeichnet Heinz Hellberg verantwortlich und damit ist garantiert, dass man Operette in seiner besten Form geboten bekommt. Entstaubt aber authentisch. Das Bühnenbild ist einfach aber stimmig, eindrucksvoll, mit wenigen Umstellungen veränderbar und hier bietet ja die wunderschöne großräumige herrliche Felsenbühne die besten Voraussetzungen. Eine mehr als gute Arbeit. Ebenso eine tolle Leistung von Lucya Kerschbauer, die für die Kostüme zuständig ist. Farbenprächtig, den Wiener Schmäh auch auf die Kleidung übertragen, für einfach schöne Hingucker gesorgt, farbenprächtig und prachtvoll angepasst. Es macht einfach immer Freude sich die herrlichen Roben und Kostüme anzuschauen und zu bewundern. Wie praktisch immer bei der Operettenbühne Wien können auch Chor und Ballett mehr als überzeugen. Mit Leidenschaft und Eifer wird hier Operette geradezu zelebriert. In den bewährten Händen von Enrico Juriano liegt die Choreographie. Hier zeigen sich keine Schwachstellen, die Tänzerinnen und Tänzer tragen sehr viel zum Erfolg dieses Operettennachmittags bei. Eine exzellente Leistung vollbringt auch die für die Maske zuständige Mioara Dumitrescu, bei welcher man die jahrelange Erfahrung richtiggehend sehen kann.
Leutnant Niki wird von dem jungen feschen österreichische Tenor Stefan Reichmann dargeboten. Er setzt seinen schlanken, hellen, strahlenden Tenor, der die notwendige Ausstrahlungskraft und Wärme und auch entsprechendes Feuer besitzt ein und kann damit auch in den Duetten punkten. Er hat sich in den letzten Jahren immer weiterentwickelt und wenn er darstellerisch noch ein kleines bisschen mehr aus sich herausgehen würde, gäbe es in seinem Fach nicht allzu viel Konkurrenz. Er scheint für die Bühne wie geschaffen und nimmt auch das Publikum für sich ein, welches mit großem Applaus für ihn nicht geizt. Seine Prinzessin Helene ist die Wienerin Ella Tyran. Sie besitzt einen höhensicheren, schönen, schlanken und durchschlagskräftigen Sopran, den sie gekonnt einsetzt und mit dem sie, sowohl in den Soli als auch den Duetten punkten kann. Und sie hat das erste „Zuckerl“. Unter dem Jubel des Publikums singt sie aus der Operette „Eine Nacht in Venedig“ das berühmte „Schwipslied“ und sie interpretiert es vorzüglich. Und sie macht großen Eindruck damit und es passt auch nahtlos in die Aufführung. Ein Abschiedsgeschenk von Heinz Hellberg an sein Publikum.
Das nächste „Zuckerl“ kommt auch. Heinz Hellberg tritt auf dem Fest auf und interpretiert in seiner unnachahmlichen Art und Weise das „Fiakerlied“. Dieses Lied, 1885 von Gustav Pick getextet und vertont, dürfte eines der bekanntesten Wiener Lieder sein und Heinz Hellberg bekommt für seine warmherzige Gestaltung dafür langanhaltenden herzlichen Applaus. Man spürt einfach die Chemie, die zwischen dem Publikum und ihm besteht. Ein weiteres Abschiedsgeschenk.
Als Franzi Steingruber, Chefin der Wiener Damenkapelle, weiß Elisabeth Hillinger besondere Akzente zu setzen. Die österreichische Sopranistin besitzt einen hellen, klaren, schönen und warmen Sopran, den sie beeindruckend einzusetzen weiß und überzeugt auch mit natürlichem und gefälligem Spiel. Ganz besonders freue ich mich immer, wenn ich den Wiener Bariton Viktor Schilowsky erleben darf. Von ihm habe ich in den zurückliegenden Jahren noch nie eine schlechte Rollenverkörperung erlebt und auch heute, in einem beeindruckenden Rollenporträts als regierender Fürst von Flausenthurn, Joachim XIII kann er wieder voll überzeugen. Mit seinem kräftigen und durchschlagenden Bariton, den er schönstimmig, weich und einschmeichelnd darzubieten weiß, kann er mehr als zu überzeugen. Ganz besonders schön ist jedoch, dass ihm ein weiteres Abschiedszuckerl zukommt, er gestaltet in wunderbarer Art das alte Wienerlied von Josef Fiedler „Mein Herz, das ist ein Bilderbuch vom alten Wien“. Langanhaltender Applaus für einen Künstler, den man öfter in größeren Rollen erleben möchte, der mit diesem Wienerlied zurückhaltend und einprägsam gestaltet, für weiteren starken und mehr als verdienten Applaus sorgt. Dass er darstellerisch hervorragend agiert, braucht wohl erst nicht gesagt zu werden.
er aber dennoch nicht mehr zu singen hat. Für mich ist es immer eine Freude ihn zu erleben, ihn, der auch darstellerisch keinerlei Probleme hat und alles, was er auf der Bühne zeigt, vollkommen beeindruckend herüberbringt.
Ella Tyran – Elisabeth Hillinger – Viktor Schilowsky – Elfie Gubitzer – Jan Reimitz
Alexander M. Helmer, der Wiener Kavaliersbariton kann sich als Leutnant Montschi, dem Freund von Niki ins rechte Licht setzen. Er sorgt mit durchschlagskräftigem, warmem und weichem Bariton für ein weiteres Highlight der Aufführung. Darstellerisch genau der Wiener Hallodri, den er verkörpert. Er besitzt eine große Bühnenpräsenz und kann diese auch voll ausspielen. Seine Stimme, die vor einiger Zeit etwas angegriffen klang, hat sich völlig erholt und beeindruckt in allen Passagen. Er ist sehr angetan von der Schlagzeugerin der Wiener Damenkapelle und hier zieht Susanne Hellberg als Fifi, alle Register ihres Könnens und auch ihrer Erfahrung. Sie hat eigentlich ständig Hunger, zeigt dies auch ständig und hat durch ein Kissen, welches ihre Körperfülle vortäuschen soll, den entsprechenden Umfang. Ihre Bühnendarstellung ist hervorragend und man hat den Eindruck, dass sie mit den Jahren immer besser wird, In der zarten Person (wenn man mal das Kissen abzieht) steckt so viel Spielfreudigkeit, soviel Leidenschaft, soviel Humor, dass man immer wieder nur beeindruckt sein kann. Ihr leichter stimmschöner und klangvoller Sopran weiß nach wie vor voll zu überzeugen und man freut sich deshalb besonders, dass ihr das letzte Zuckerl zugedacht ist. Von Ralph Benatzky gestaltet sie den „Mehlspass“, also das reizende Lied, ja fast ein Couplet „So a Mehlspeis, so a Kaiserschmarrn“. Man bekommt im Publikum richtig Appetit, aber leider werden die vollen Teller wieder rausgetragen. Ich habe dies schon einmal niedergeschrieben, und man kann es nicht oft genug wiederholen, Susanne Hellberg ist die gute Seele der Truppe, bei der man den Eindruck hat, dass sie alles kann und alles im Griff hat. Man kann nur bewundern, dass diese einmalige Künstlerin, die seit vielen Jahren die Stütze der Wiener Operettenbühne ist, scheinbar von Jahr zu Jahr agiler wird und nicht zu altern scheint. Der in Wetzlar geborene Jan Reimitz setzt als Graf Lothar vor allem komödiantische und darstellerische Akzente. Mit einem Humor, der direkt und ohne Umwege beim Publikum ankommt, und seiner schlaksigen Gestalt, weiß er das Publikum für sich einzunehmen und bietet eine ganz tolle Leistung und besticht auch mit tollem Stepptanz. Zuletzt die Paradeleistung als Oberhofmeisterin Friederike der österreichischen Schauspielerin und Sängerin von Elfie Gubitzer. Sie liebt den Alkohol, holt sich so manches Likörchen aus einem Geheimversteck und trinkt unter dem Jubel des Publikums einen Liter Bier in Rekordzeit aus. Dazu besitzt sie eine warme gefällige Altstimme, die sie gekonnt einsetzt. Eine Vollblutkomödiantin, die ebenfalls den verdienten Applaus des Publikums bekommt. Langanhaltender, äußerst herzlicher und begeisterter Beifall für die Wiener Operettenbühne. Als dann Prof. Heinz Hellberg nochmals vor sein Publikum tritt, sich für 20 Jahre Treue bedankt und mit dem ausverkauften Haus „Sag beim Abschied leise Servus“ singt, werden nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum einige Tränen verdrückt. Heinz Hellberg und seiner Wiener Operettenbühne auch von hier ein ganz herzliches Dankeschön für 20 Jahre Operettenseligkeit auf der wunderschönen Felsenbühne in Wunsiedel. Wir werden den Wiener Charme mit Sicherheit vermissen und wünschen der Bühne alles erdenklich Gute für die Zukunft.
Manfred Drescher, 25.08.2019
Fotos Eigenaufnahmen