Luzern: „Märchen im Grand-Hotel“, Paul Abraham

Premiere: 26. Oktober 2019

Eigentlich ist diese Inszenierung eine gelungene Parodie. Eine Parodie auf was? Diese Frage stellt sich zum Schluss dieses vergnüglichen Theaterabends. Ist es eine Satire auf die überbordenden Berichte über "Royals" in der Regenbogenpresse und im Fernsehen? Ist es eine Kritik am fast jede Grenzen sprengenden Übertourismus, an der Überschwemmung aller möglichen und unmöglichen Touristenattraktionen? Oder ist es eine eigentliche Parodie der Musiktheater- Gattung "OPERETTE", der kleinen Oper? Die Antwort auf diese Frage müssen sich Besucherinnen und Besucher des Werkes im Theater Luzern (LT) selbst geben.

Interessant an den Kompositionen des Ungarn Paul Abraham ist der musikalische Spannungsbogen, welcher vom in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts angesagten Foxtrotts über den Wiener Walzer bis hin zum damals aktuellen Jazz reicht, ohne südamerikanische Tanzrhythmen auszulassen

Der holländische Regisseur Bram Jansen, setzt in Luzern zum ersten Mal eine Operette in Szene. In einem Interview mit der Luzerner Dramaturgin Julia Jordà Stoppelhaar führt er dazu aus: In den Niederlanden gibt es seit den 1990er Jahren keine Operettentradition, aber mich fasziniert die Leichtigkeit der Musik. Sie trägt durch den Abend, während dahinter immer etwas Dunkles hervorblitzt .

Hervorzuheben in seiner Regie ist dabei, dass Jansen, SängerInnen und SchauspielerInnen die Rollen spielen und singen lässt, sein Hauptinteresse in der Regie liegt, ähnlich wie bei Frank Hilbrich in Operetten auf den schauspielerischen Fähigkeiten der ProtagonistInnen.

Die dramaturgische Aufarbeitung der Ideen Bram Jansens durch Frau Stoppelhaar, die Umsetzung des Librettos aus dem Jahr 1933 ins Jahr 2019, muss als gelungen bezeichnet werden. Um das Hotel vor dem Verkauf zu retten, muss ein Marketing Gag produziert werden. Ein Film wird gedreht, die Bilder sind im Kasten, es fehlt nur die Tonspur, welche unter der Leitung der Sounddesignerin Marylou im Keller des Grand-Hotels vom Personal selber eingespielt wird.

Juli Jordà Stoppelhaar sammelte erste Erfahrungen im Musiktheater am Theater Freiburg bei Kálmáns Operette "Die Csárdásfürstin" (2013, Regie Frank Hilbrich).

Das Luzerner Sinfonieorchester unter der Leitung von William Kelley interpretierte die Musik Abrahams schmissig und mit professionellem Einsatz.

Die Bühne, entworfen von Robin Vogel, die Kostüme (Ulrike Scheiderer) und die Lichtführung von Marc Hostettler waren stimmig und unterstrichen die Umsetzung ins Jahr 2019 nach dem Konzept Jansens. Das Sounddesign von Jorg Schellekens war streckenweise zu leise, zu diskret, konnte nicht unbedingt wahrgenommen werden. Schade! Samuel Streiff interpretierte den Kellner Albert. Sein schauspielerisches Talent ist unübersehbar. Seine musikalische Interpretation des verliebten Hotelangestellten war innerhalb der Grenzen dieser Komödie sehr angemessen, obgleich zu hören ist, dass seine Stärke nicht unbedingt der Gesang ist. Als Infantin Isabella und als Putzfrau Isabella überzeugte sowohl schauspielerisch als auch sängerisch Heidi Maria Glössner. Ihre Auftritte waren in jeder Hinsicht souverän und waren geprägt von klarer Diktion und sauberer Intonation. Man stellt fest: Eine grosse Persönlichkeit, zuhause im Schauspiel, Musical/Operette und auch im Film!

Aus Bergen (zweitgrössten Stadt Norwegens) stammt Tora Augestad. Sie spielt und singt die Sounddesignerin Marylou. Ausgebildet als Sängerin und Schauspielerin ist ihre Prämisse auf der Bühne: Wenn ich dafür sorge trage, dass meine Mitspielerinnen und Mitspieler gut sind, bin ich auch gut!

Und dies ist in jeder Szene, in jeder Sekunde zu sehen und zu hören: Ihre Interaktion mit ihren PartnerInnen in Mimik, Gestik, Körpersprache und verbal wird geprägt von einer Intensität, von einer unterstützenden Klarheit, welche nur sehr grosse Bühnenkünstlerinnen und Bühnenkünstler erreichen.

Der Bariton Jason Cox, spielte und sang den Hoteldirektor und Marketing Genie Chamoix. Und hier war zu spüren, dass Cox ein Sänger ist. Seine schauspielerische Leistung war ansprechend, sein Gesang in Intonation und Diktion makellos.

Das LT Ensemblemitglied, der Tenor Robert Maszl, bekocht als Chefkoch Andreas die Gäste des Hotels und verliebt sich in Marylou. Seine Rolleninterpretation lässt wenig bis keine Wünsche übrig.

Der südafrikanische Bass Vuyani Mlinde verkörpert auf der Bühne neben seiner Hauptaufgabe als Rezeptionist im Grand-Hotel auch noch die Rolle der Gräfin Ines und die des Grossfürsten Paul. Seine Interpretation der drei Rollen ist für zahlreiche Lacher im Publikum verantwortlich. Dies neben seinem ausgezeichneten Singen.

Als Trainees (Kammerzöfchen) sind auf der Bühne zu sehen und zu hören: Giulia Bättig, Norma Haller, Chiara Schönfeld und Anna Vogt.

Etwas langfädig, mit wenig Spannung ist der Schluss der Inszenierung geraten. Als Happyend, in einer Operette ebenso unabdingbar wie in amerikanischen Filmen der Sieg des Guten, wird der fertiggestellte Marketing Film (Video David Röthlisberger) gezeigt. Das Happyend war vorauszusehen, die Spannung, die Erwartungshaltung aber ist untergegangen. Schade!

Das Luzerner Publikum belohnte die Leistung des ganzen Teams mit langanhaltendem Applaus.

Peter Heuberger, Basel

© Ingo Hoehn