Luzern: „Salome“

Premiere: 15. 12. 2019, besuchte Vorstellung: 19. 12. 2019

Was macht ein Intendant, wenn seine Hauptdarstellerin an einem viralen Infekt erkrankt und nicht singen kann, nicht singen darf? Er sucht einen Ersatz oder sagt ab! Benedikt von Peter geht einen anderen Weg: Er sucht einen Ersatz, welcher die Rolle studiert und gesungen hat. Er lässt seine Hauptdarstellerin auf der Bühne spielen und die Sängerin auf der Seitenbühne, sichtbar für das Publikum, singen.

Die Rolle der Salome aufgeteilt in Gesang und Schauspiel. Ein sehr gewagtes Experiment. Dieses Experiment ist dem Theater Luzern hervorragend gelungen.

Die Sängerin wurde gefunden. Es ist Sera Gösch, die Salome der Inszenierung in Wiesbaden. Luzerns Hauptdarstellerin, die junge amerikanische Sopranistin Heather Engebretson ist auch eine ausgezeichnete Schauspielerin und entspricht der zu spielenden Kindfrau Salome in jeder Hinsicht. Dieses Zweierteam interpretierte die Salome von Richard Strauss mit einer selten gesehenen/gehörten Intensität.

Heather Engebretson spielt die Salome mit einer Intensität, einer sprechenden Mimik, einer Körpersprache und expressiven Gestik, welche sowohl im Schauspiel als auch in der Oper sehr selten zu sehen ist. Dazu singt Frau Gösch den Part der Salome mit sehr viel Gefühl, ausgezeichneter Diktion und hervorragender Höhe und Dynamik. Benedikt von Peters Experiment hat sich gelohnt, denn diese Salome, in Luzern das erste Mal aufgeführt, wird dem Luzerner Publikum in bester Erinnerung bleiben.

Der amerikanische Bariton Jason Cox, Ensemblemitglied im Theater Luzern, als Jochanaan überzeugte auf der ganzen Linie. Seine Diktion und seine Intonation, gepaart mit kräftiger Stimme geben der Rolle des verdammenden Propheten eine nicht überhörbare Stimme. Seine schauspielerischen Fähigkeiten sind nicht ganz so ausgeprägt wie bei Frau Engebretson, genügen jedoch der Rolle vollauf. Vor allem prophezeit Jochanaan Unheil für den Tetrarchen Herodes Antipas und seine Gemahlin Herodias.

Herodes Antipas wird interpretiert vom Bariton Hubert Wild. Die Rolle ist sehr vielfältig angelegt und verlangt eine immense Flexibilität, dies vor allem darstellerisch. Wild zeigt in Luzern diese Anpassung an die unterschiedlichen Anforderungen, welche oft ins Komödiantische wechseln, so zum Beispiel bei "Salomes Tanz". Auch sein Gesang überzeugt von Anfang bis zum Schluss.

Solenn‘ Lavanant-Linke gibt sowohl gesanglich als auch schauspielerisch eine ausgezeichnete Herodias. Ihre Interpretation ist geprägt von sehr wechselnden Emotionen, welche sie mit Mimik und Körpersprache optimal auszudrücken weiss. Ihre Intonation und Diktion sind makellos.

Die Personenführung des Spielleiters Herbert Frisch kann nicht genügend gelobt werden. Er zeigt ein Einfühlungsvermögen in ein Schlüsselwerk von Richard Strauss, welches man oft zugunsten der Eigeninszenierung von RegisseurInnen vermisst.

Frisch ist auch verantwortlich für das Bühnendesign, welches ganz ohne Umbauten auskommt. Massegebend unterstützt wurde er dabei durch David Hedinger-Wohnlich, welche die Lichtführung entworfen hat. Dieses Lichtdesign unterstützt und verstärkt die unterschiedlichen Emotionen der Protagonisten und Protagonistinnen auf der Bühne, gibt subtil sehr unterschiedliche Stimmung wieder. Wohnlich und Frisch verzichten ganz auf die in vielen Theaterproduktionen allgegenwärtigen Videoeinspielungen.

Die interessanten Kostüme wurden entworfen von Viktoria Behr. Aufgefallen sind mir vor allem die überdimensionalen Schtreimel der Juden. Aber auch die anderen Entwürfe sind stimmig und passen ausgezeichnet in die Luzerner Produktion.

Das Luzerner Sinfonieorchester unter der Leitung von Clemens Heil spielte das Werk von Richard Strauss mit viel Einfühlungsvermögen in die sehr komplexe Komposition. Die Musik Salomes ist durchkomponiert. Heil strukturiert in seiner Interpretation die verschiedenen Leitmotive prägnant und klar.

Ebenso gibt es bei Strauss, wie auch bei Richard Wagner, kein Libretto in Versform. Richard Strauss hat das Libretto selbst geschrieben. Als Vorlage diente ihm die gleichnamige Tragödie von Oskar Wilde aus dem Jahr 1891.

Das Luzerner Publikum bedankte für die ausgezeichnete Aufführung mit dem verdienten Applaus.

Peter Heuberger

Bilder © Ingo Höhn