Deutschlandpremieren am 05. Mai 2016
Toll gemacht
Das 1979 von Amedeo Amodio gegründete „Aterballetto“ der Fondazione Nationale della Danza in Reggio Emilia war die erste Tanzgruppe in Italien, die nicht fest an ein Opernhaus gebunden war. Hoch qualifizierte Solisten sammelten sich dort, die heute über die klassische Ausbildung hinaus die verschiedensten Tanzstile bis zu Techno- und Streetdance beherrschen. Die künstlerische Leitung liegt seit 2008 in den Händen Cristina Bozzolinis, die zuvor schon Trainingskurse an der Fondazione abhielt. Jetzt gastierte das Ballettensemble erstmalig bei den „Movimentos“. Verschiedene Choreographen haben intensiv mit den Tänzerinnen und Tänzern gearbeitet, die mit „Lego“ von Giuseppe Spota und „Antitesi“ von Andonis Foniadakis zwei hochmoderne Stücke über die Entwicklung des Lebens und die Schnellebigkeit unserer Zeit als Deutschlandpremieren im Gepäck hatten.
Bei „Lego“ denkt man leicht an das berühmte dänische Steckspiel für Groß und Klein, aber das Wort bedeutet hier „ich binde, verbinde“ von dem italienischen Verb „legare“. Zur Erforschung von Höhen und Tiefen des Lebens setzt der Choreograph auf Brücken und Straßen, die ein Netzwerk bilden, in dem man leicht orientierungslos wird. Die sieben Tänzerinnen und neun Tänzer wurden erst einzeln, dann zu mehreren in die zuvor optisch holografisch und musikalisch entwickelte Großstadt eingeführt. Spota spielte hier mit den Figuren, ließ aus Begegnungen Einzelner immer neue Paare und kleinere oder größere Gruppen entstehen, die sich mit schlangengleichen Bewegungen zu bizarren Formen verflochten und verknoteten, aber ebenso schnell wieder vereinzelt ihre eigenen Linien weiter verfolgten, um sich neu zu formieren, ein steter, lebendiger Wechsel aller untereinander. Toll gemacht. Besonders eindrucksvoll waren die jeweiligen modernen Pas-de-deux, die die Suche nach Liebe und Freundschaft verdeutlichten. So wurde das diesjährige Festivalmotto „Liebe“ zum Zentrum dieses Tanztheater-Projektes.
Der aus einer kleinen Stadt auf der Insel Kreta stammende Andonis Foniadakis sagte einmal sinngemäß: "Ich habe in vielen großen Städten gelebt und war immer fasziniert von ihrer Vitalität, ebenso von Puls, Energie und Rhythmus der Menschen in ihrem hektischen sozialen System." Diese Eindrücke verarbeitete der Choreograph in „Antitesi“. Vor glutrotem Hintergrund begann ein Tänzer Schattenriss-artig mit zwei Leuchtstäben ein spannendes Solo, das durch einen Musikwechsel abrupt gestoppt wurde. Viele kurze Musikfetzen von italienischen Komponisten vom Barock bis zur Jetztzeit wurden aneinandergereiht, und jedes Mal veränderten die Tänzer dazu passend oder konträr ihren Stil. So wurde tatsächlich auch zwischendurch klassisch auf Spitze getanzt neben eckigem Techno. Die Episoden endeten wieder mit einem Solo – diesmal einer Tänzerin mit einem leuchtenden Ball und wieder vor dem roten Hintergrund – bevor der Tänzer mit den Stäben dazu kam und sich der Kreis in Liebe schloss. Der Ideenreichtum des Choreographen wurde von den Akteuren äußerst präzise temporeich und hochmotiviert dargeboten, auch wenn die im Programmheft angekündigten Gegensätze nicht immer klar herauskamen.
Das Publikum bedankte sich an diesem Abend mit lebhaftem Applaus.
Marion Eckels, 06.05.2016
Fotos: Nadir Bonazzi (1, 3), Matthias Leitzke (2)
Weitere Vorstellungen: 06. und 07.05.2016