Leipzig: „Die Herzogin von Chicago“

Besuchte Aufführung am 27.10.18 (Premiere am 20.10.18)

Großer Operettenspaß

Im Leipziger Opernhaus gab es Puccinis "Mädchen aus dem Goldenen Westen" als Premiere, wobei das "Golden" im Titel lediglich im deutschen Titel steht, das italienische Original nur "La fanciulla del West" lautet. Das eigentliche goldene Mädchen hatte dann nämlich in der Musikalischen Komödie Leipzig Premiere: Miss Mary Lloyd ist nämlich nicht nur wirkliches amerikanisches Millonärstöchterchen, sondern auch die Titelheldin von Emmerich Kalmans Operette "Die Herzogin von Chicago". Mary trifft in Europa auf Sandor Boris den Erb(s)prinzen eines slawischen Fantasiestaates, er mag Walzer und Csardas, sie Charleston und "Jazz". Es kommt zum Kampf der Nationen bis die Liebe siegt und man sich auf einen gemeinsam getanzten Slowfox einigt. Mit Kalmans Operette handelt es sich um eines der seltenen Werke die wieder ins Repertoire rutschen, ebenso erfreulich wie die Paul-Abraham-Renaissance derzeit. Und das mit Recht, denn das Werk erweist sich als eines von Kalmans Besten, die gut gemachte Musik mit ihren Reibungen aus dem guten, alten Europa gegen die Neue Welt, das wirklich witzig gemachte Libretto von Julius Brammer. Je öfter ich das Stück höre, um so besser gefällt es mir. Zumal enn es so gekonnt und amüsant auf die Bretter kommt, wie in Leipzig.

Ulrich Wiggers hat bisher vor allem viel Musical inszeniert, aber diese Arbeit zeigt, er kann auch Operette sehr gut ! Was natürlich auch am gesamten Team liegt, denn Leif-Erik Heine als Ausstatter ist einfach ein Gewinn, sein Bühnenbild zeigt mit wenigen Veränderungen und flotten Umbauten den Budapester "Grill Americaine", das schäbige Adelsschloß, dann später zeitgemäß renoviert durch die Amerikaner, ohne das es dem Auge langweilig wird. Seine Kostüme sind einfach eine Augenweide: die übliche Husarenuniformen, die Zwanziger Jahre Mode und die schon etwas (herrlich) verschrobenen slawischen Hoftrachten. Und die wirklich witzigen vielen Figurinen für das Ballett. Überhaupt das Ballett kommt viel zum Einsatz, ebenso wie das eingebundene Ensemble in den unterhaltsamen Choreographien von Kati Heidebrecht. Aber eben auch die Spielleitung von Ulrich Wiggers, denn das Libretto kann, voll ausgespielt, über vier Stunden dauern (Osnabrück vor einigen Jahren); die Uraufführung soll 1928 übrigens an die fünf Stunden gedauert haben. Wiggers bleibt unter drei Stunden, ohne Striche in der Musik und ohne das man etwas in der Handlung vermißt.

Tobias Engeli am Pult sorgt auch für die flotten Anschlüsse zwischen Dialog und Musiknummer, sehr spritzige Tempi, die das Orchester kurzzeitig etwas ins Trudeln bringen, aber es klingt alles richtig und ist ein Garant für die kurzweilige Unterhaltung und einen Ablauf ohne Unterbrechungen. Der Chor der MuKo agiert und klingt prächtig, das Ballett hat stets den nötigen Raum für seine vielfältigen Aufgaben, so wünscht man sich eine gute Operettenaufführung.

Auch bei den Solisten gibt es nicht viel zu meckern: mit Adam Sanchez hat man einen tollen Tenor mit Schmelz, Herz und schöner Stimme. Sein "Wiener Musik" geht direkt ans Gefühlszentrum. Mit Lilli Wünscher hat man eine Operettendiva voller Spiellaune und Charme, die ihre vielen Roben effektvoll wie auf einer Modenschau trägt, auch musikalisch bleiben wenig Wünsche offen. Wirklich ein richtig schönes Paar; und tanzen können sie auch noch ! Mit Laura Scherwitzl und Jeffery Krueger als Prinzessin Rosemarie und James Bondy (doch der heißt auch schon 1928 so) findet sich die zweite interkontinentale Verbindung, ein Traumbuffopaar. Milko Milev füllt die Doppelrollen des humanen Millionärspapas, wie des charmant degenerierten König Pankraz aus. Sehr schön das Violinsolo von Thomas Prokein, wie Eniko Ginzery am Cymbal. Überhaupt die ganzen Nebenrollen machen gute Figur, was wieder einmal das großartige Potential sämtlicher Beteiligten der MuKo aufzeigt

Eine echte Fünf-Sterne-Produktion, die jedem Operettenfreund ans Herz gelegt sei: zum einen schon wegen des unbekannten Werks, dann durch die äußerst gelungene, opulente Produktion, drittens für das durch die Bank hervorragende Ensemble. Wenn im Schlussapplaus dann der Dirigent das erste Csardas-Finale mittanzt, und zwar gut, dann flippt das Publikum aus, und das zu Recht !

Bilder(c) Kirsten Nijhof

Martin Freitag 14.11.2ß18