Leipzig: „Madame Pompadour“, Leo Fall

Besuchte Aufführung am 23.06.19

In der Schlüpfrigkeitsfalle

Von den vier großen Operettenkomponisten der Silbernen Ära (Lehàr, Kalman, O.Straus) ist Leo Fall, der immer noch nicht so gewürdigte. Um so schöner, das die Musikalische Komödie Leipzig sich seiner wohl bekanntesten Operette angenommen hat: "Madame Pompadour". Das Werk ist in den Zwanziger Jahren in Berlin von der großen Fritzi Massary zum Triumph geführt worden, wer immer noch die Aufnahme der großen Operettendiva mit ihrem Mann Max Pallenberg zusammen vom Duett "Joseph, ach Joseph, was bist du so keusch…" im Ohr hat versteht warum. Die Geschichte der berühmten Rokokokokotte, die sich im Karneval in einen Unbekannten verliebt, ihn an den Hof holt , um zu entdecken , das er der geflohene Gatte ihrer verschollenen Schwester ist und so vor dem Hof und ihrem Gönner, dem König, alle Fäden in der Hand behält, ist als Operette an sich vielleicht dramaturgisch etwas einfach gestrickt. doch bietet den Darstellern herrliche Vorlagen, dazu kommen die hervorragenden Gesangstexte von Rudolph Schanzer und Ernst Welisch und natürlich die, in jeder Nummer, inspirierte Musik von Leo Fall.

Da braucht es einiges Fingerspitzengefühl auf der Bühne, die Balance und den Geschmack zu wahren. Klaus Seiffert gelingt im Grunde ein gelungene Operettenregie, die Handlung läuft flüssig in abwechslungsreichen Bildern dahin; und doch verschenkt er das Stück, weil er sich auf die Zwanziger-Jahre-Frivolitäten beschränkt, seine Pompadour bleibt ziemlich eindimensonal lüstern und lässt nicht die überlegene Raffiniertheit der historischen Figur erkennen. Dabei hätte er in Lilli Wünscher eine Protagonistin, die so etwas in ihrer Genreerfahrenheit, leicht auf die Bühne brächte. Die Titelfigur bleibt , mit leichten Höhendefiziten, mehr die ehemals Bürgerliche, als die heimliche Herrscherin Frankreichs und seiner Männer, genau das Joseph-Duett, wird in floskelhafter Albernheit schier verschenkt. Tom Grashoffs Ausstattung ist einfach und zweckdienlich, manchmal wirkt es etwas sparsam, so einfach die Leuchter im ersten Akt etwas tiefer hängen, um den Raum besser zu füllen. Die Kostüme versuchen, sehr kurz, sehr auf durchblickende Dessous, auf heutige Art sexy zu sein, das kann man mögen.

Mirko Mahrs Choreographie fängt auf sehr erfreuliche Weise die Musik auf. Insgesamt bleibt mir die Szene mit modernisierten Habitus doch sehr konventionell und bieder. Der letzte Akt rutscht dann schon in ziemlichen Slapstick und Klamauk, der jedoch funktioniert, weil mit Milko Milev (König), Justus Seeger (Maurepas) und Andreas Rainer (Calicot), drei Komiker am Werke sind, die Disziplin auf das Feinste mit einem perfekten Timing beherrschen. Andreas Rainer ist zudem ein wunderbarer Tenorbuffo, der dem Revolutionsdichter eine prima Vokalstatur verleiht.

Radoslaw Rydlewski ist ein maskuliner, charmanter Lebemann, der in seinem leicht an den "Fluch der Karibik"-Erscheinen als Rene einer Pompadour den Kopf verdrehen kann. Vokal kommt er in der Höhe an seine Grenzen, denn Fall hat seine Tenöre gerne gefordert. Nora Lentner ist eine mehr als gewiefte Zofe Belotte, ihrer Herrin mit präsentem Sopran gesanglich und im Spiel menschlich auf Augenhöhe. Aneta Ruckova gefällt gesanglich als niedliche verlassene Gattin und wiedergefundene Schwester Madeleine, doch der stark akzentbehaftete Dialog trübt die Darstellung. Alle Nebenrollen sind, wie immer an der MuKo prima aus den Solisten und Choristen besetzt, der Chor als solcher engagiert und vokal klasse, die Tänzer immer ein Gewinn. Lilli Wünscher dominiert das Spiel, wie es sein sollte, und wäre sicherlich etwas feiner geführt, noch besser. Das Schachcouplet könnte mehr weg von der großen Gesangsstimme, mehr zum Chanson sein.

Stefan Klingele kann Operette einfach und lässt das Orchester in Leo Falls mitreißenden Melodien schwelgen, manchmal würde man sich beim Gesang noch etwas mehr Textverständlichkeit wünschen, das bekäme auch dem Spiel.

Insgesamt vielleicht nicht die beste MuKoproduktion der Saison, doch allein das Stück ist einen Besuch wert, dem Publikum hat `s gefallen. Nächste Saison dann, während des großen Umbaus, im Schwimmbad, der Ausweichspielstätte, der abwechslungsreiche Spielplan wird die Zuschauer schon locken.

Martin Freitag, 5.7.2019

Fotos (c) Tom Schulze