Leipzig: „Feuerwerk“

Premiere war am 13. April 2019

Beifallsstürme durch eine Einspringerin

Schwungvolle Inszenierung mit Ruth Ingeborg Ohlmann in der Musikalischen Komödie Leipzig: Eines meiner letzten Berichte aus der „Musikalische Komödie (MuKo) Leipzig“ war vor fast genau 6 Jahren der sensationelle Abschied in „Frau Luna“ von Ruth Ingeborg Ohlmann, einer der bis dahin eindeutigen Stütze und einer der großen Publikumslieblinge in Leipzig. Bis heute ist mir nicht klar, warum man diese überaus beliebte, attraktive und stimmgewaltige Künstlerin nicht mehr weiterverpflichtet hat, denn sie ist nach wie vor eine musikalische Ausnahmeerscheinung. Durch die Erkrankung der Hauptdarstellerin, der Iduna, springt sie einen Tag vor der Aufführung ein. Seit 2013 hatte sie das „Feuerwerk“ nicht mehr gesungen und in einem unwahrscheinlichen Kraftakt in einem Tag das unmögliche möglich gemacht. Als wenn sie nie weggewesen wäre, singt sie eine mehr als umjubelte Iduna. In Windeseile hat sie die Herzen „ihrer“ Besucher wieder voll für sich gewonnen. Aber dazu gleich mehr. Ich bin immer sehr gerne in die MuKo gegangen, auch weil man sich hier vor und nach der Vorstellung so herrlich in der Künstlerkneipe, die im Haus war, entspannen konnte. Hier waren liebevoll Künstlerporträts aus der Geschichte der MuKo zusammengetragen worden, Bilder von herausragenden Aufnahmen, von tollen Sängern und Gästen, es war eine richtig schöne gemütliche Künstlerkneipe mit Flair und jeder Menge Atmosphäre. Was die Verantwortlichen geritten hat, dieses Kleinod zu entfernen und mit einer furchtbar sterilen Wirtschaft, ohne einen Funken Charme und Ausstrahlung zu ersetzen, wird mir unergründlich bleiben. Ich habe in der Pause mit einer Vielzahl von Besuchern gesprochen, überall nur Kopfschütteln und Unverständnis über diesen Schritt der Verantwortlichen. Für mich ist dadurch auch ein kleines bisschen das Herz und die Seele der MuKo verloren gegangen. Aber leider ist es heute ja vielfach so, dass nicht mehr Musikliebhaber entscheiden, sondern reine Technokraten, die von der Wärme und dem Gefühl, welches Musik vermittelt, keine Ahnung mehr zu haben scheinen und denen das Gespür für die Schönheit der Musik leider nicht gegeben ist. Nun gut, ich bin spontan in die Vorstellung gegangen, einfach, weil ich Frau Ohlmann noch einmal auf den Brettern, die die Welt bedeuten erleben wollte. Und dieser Besuch hat sich mehr als gelohnt.

Die Inszenierung stammt von Axel Köhler und er lässt das Stück in Leipzig im Herbst 1989 spielen. Es ist sein Regiedebüt an der MuKo und die Idee, die Handlung in die Zeit vor der Wende zu verlegen ist überlegenswert. Er stellt die etwas betuliche spießbürgerliche Welt dem reichen Westonkel gegenüber, der wie ein Orkan in die kleine Welt unter den Augen von Erich Honecker (als Wandbild) stürmt und fast alles durcheinanderbringt. Nun gut, so etwas kann man machen, die Pointen und Anspielungen werden sicher aber nur von ehemaligen Bewohnern der DDR richtig verstanden, Jüngere und auch Theaterbesucher aus anderen Bundesländern tun sich da schon etwas schwerer, die Pointen zu begreifen. Die Einrichtung des Wohnzimmers ist wunderbar im Stil der damaligen Zeit gehalten, alles mit dem dazugehörigen Inventar. Und mit sehr viel Liebe auch zu den kleinsten Details haben hier Okarina Peter und Timo Dentler, die für die Bühne und die Kostüme zuständig sind, gearbeitet.

Die Handlung ist schnell erzählt, zum 60. Geburtstag des Vaters ist Familientreffen und seine drei Brüder nebst Ehefrau treffen pünktlich dazu ein. Die Tochter Anna, möchte mit ihrem Freund Robert dem ganzen Mief entfliehen, hat aber dennoch für den Vater ein Duett mit der Köchin einstudiert, welches bei den Proben ständig unterbrochen wird. Und in diese etwas plüschbeladene Idylle platzt plötzlich der „verlorene“ Bruder Alexander Obolski, seines Zeichens Zirkusdirektor mit seiner charmanten Gattin Iduna. Er, das schwarze Schaf der Familie, vor langer Zeit in den Westen gegangen und mit dem Zirkus Karriere gemacht, wirbelt alles durcheinander. Vor allem Anna ist fasziniert von der Welt „da draußen“ und möchte mit dem Onkel und Iduna, die für sie das große Vorbild ist, hinaus in die freie Welt, in die Welt des Zirkus. Am Ende bleibt sie doch Zu Hause mit ihrem Robert, ihr Onkel Gustav aber macht sich auf und zieht als Clown mit dem Bruder in die bunte Welt der Manege.

Rainer-Lentner-Rydlewsky-Fischer-Milev-Mehling-Zeromska-Masur

Als Dirigent ist Tobias Engeli ein aufmerksamer und präziser Begleiter. Er hat das Orchester der MuKo fest im Griff, lässt es feurig aufspielen, wo dies möglich ist und nimmt es auch behutsam zurück, um seine Sänger nicht zu überdecken. Vor der Pause klappt dies noch nicht ganz so gut, manches auf der Bühne ist akustisch nur schwer zu verstehen und wird teilweise überdeckt, nach der Pause aber ist es wesentlich angenehmer, niemand wird mehr zugedeckt, es wird insgesamt ausgezeichnet musiziert. Da „Das Feuerwerk“ keine reine Operette ist, ist es natürlich für Orchester und Darsteller etwas problematisch, ständig zwischen reinem Operettengesang, einer Art Sprechgesang und reinem Sprachtext hin- und her zu lavieren. Gut eingestellt von Mirko Mahr ist auch das ausgezeichnete Ballett, welches vor allem in den Zirkusszenen voll auftrumpfen kann.

Rainer-Rydlewsky-Milev

Viele „Schlager“, die ins Ohr gehen, hat das Stück nicht, obwohl es insgesamt eine ganze Reihe von Musiknummern gibt. Dies alles wird aber überlagert von dem Lied der Iduna „Oh mein Papa war eine wunderbare Clown …. Und die Krone soll an dieser Stelle auch der Darstellerin der Iduna gehören, der in Neustadt/Aisch geborenen Sopranistin Ruth Ingeborg Ohlmann. Um es gleich vorweg zu nehmen, sie ist eine ausgezeichnete Iduna und es wäre sehr zu wünschen, wenn sie öfter als Gast zur MuKo eingeladen werden würde. Mit leuchtendem, höhensicherem Sopran, der musikalisch jede Nuance ausfüllt und einem exzellenten Spiel macht sie diese Rolle zum Fixpunkt der Aufführung. Es ist nicht nachvollziehbar, wie diese Ausnahmekünstlerin in einem guten Tag, dies so auf die Reihe gebracht hat. Das Publikum jedenfalls spendet nicht nur reichlichen Beifall, nein, es trampelt wie wild und bringt damit seine Wertschätzung dieser außergewöhnlichen Leistung zum Ausdruck. Und die zweite Krone gehört an diesem Abend der Darstellerin der Anna, der in Coburg geborenen und seit nunmehr 5 Jahren an der MuKo befindlichen Sopranistin Nora Lentner. Sie verzaubert mit girrendem, klarem, höhensicherem Sopran, der auch zart zu vielen Facetten fähig ist. Sie ist nicht nur reizend anzuhören, sondern auch anzusehen. Dazu kommt eine überschäumende Spielfreude, die sich auch auf die anderen Darsteller überträgt. Die ehemalige Stipendiatin der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft hat bisher ihren Weg gemacht und dieser ist mit Sicherheit noch nicht zu Ende. Aus dem insgesamt homogenen Ensemble stechen an diesem Abend noch der in Poznan in Polen geborene Radoslaw Rydlewski hervor, der einen schlanken geschmeidigen Tenor besitzt und der an diesem Abend auch eine überschäumende Spielfreude auf die Bühne bringt. Er lebt diese Rolle als Onkel Gustav sichtlich aus, ebenso wie der in Leipzig geborene Bariton Milko Milev, der neben einem feinen kräftigen und gesunden Bariton eine ausgesprochen humoristische Ader besitzt und aus der Partie des Onkel Fritz alles herausholt und sich richtiggehend in die Rolle hinein wirft. Die Mutter wird von Angela Mehlig gegeben und die in Halle an der Saale geborene Künstlerin, die seit 1983 an der MuKo beschäftigt ist, füllt die Rolle sichtlich aus. Ebenso wie ihr Mann (natürlich nur im Stück), der aus Herisau stammende Bariton Michael Raschle. Als Alexander Obolski steht der in Ehst in Nordfriesland geborene Bariton Hinrich Horn auf der Bühne und auch er füllt die Rolle des Westemporkömmlings beeindruckend aus. Als Robert, Freund von Anna bringt Justus Seeger alles. Der aus Krefeld am Niederrhein stammende Bariton wirft sich in die Rolle, für mich stört die doch etwas unvorteilhafte Frisur schon sehr. Tante Paula wird von der aus Weimar stammenden und seit 1982 an der MuKo beschäftigten Anne-Kathrin Fischer rollendeckend gegeben. Tante Berta wird von der in Berlin-Friedrichshain geborenen Mezzosopranistin Carolin Masur mehr als rollendeckend dargeboten. Tante Lisa ist die in Lund/Schweden geborene Dagmar Zeromska, die seit dieser Spielzeit im Chor der MuKo tätig ist und hier ihre Sache als Solistin ordentlich abliefert. Onkel Heinrich schließlich ist der Wiener Andreas Rainer, der seit 19 Jahren an der MuKo tätig ist und seinen schönen Tenorbuffo wohltönend einsetzt. Als Köchin schließlich die in Rudolstadt geborene Sabine Töpfer, die als Erzkomödiantin seit 29 Jahren Mitglied der MuKo ist. An diesem Abend hat sie stimmlich ein kleines Problem, deshalb entfällt leider das „berühmte“ Lied der Köchin. Darstellerisch zieht sie komödiantisch vom Leder und hat den Applaus des Publikums sicher. Wenn man im zweiten Akt die drei Tanten nicht in Raubtierkostüme gesteckt und sie fauchend über die Bühne geschickt hätte, was für mich schon einen kleinen peinlichen Beigeschmack hat, wäre an der Aufführung fast nichts auszusetzen gewesen.

Töpfer-Masur-Milev-Raschle-Mehling-Seeger-Lentner-Ohlmann-Horn-Rydlewski-Fischer-Rainer-Zeromska

Eine leichte Unterhaltung für alle, die mit viel Spielfreude und Witz und einigen außergewöhnlichen Stimmen auf die Bühne gebracht worden ist. Es hat wieder Spaß gemacht an der MuKo zu sein, die wegen Umbauarbeiten in der nächsten Zeit in Ausweichspielorte gehen muss. In einem Jahr soll dann die Eröffnung sein, hoffen wir, dass der Zeitplan auch eingehalten werden kann.

Manfred Drescher, 27.06.2019

Bilder: 1-3 Kirsten Nijhof .Bild 4 Eigenaufnahme