Frankfurt: „Spielzeit 2024/25“, Präsentation des Spielplans

Mit seinem neuen Generalmusikdirektor Thomas Guggeis setzt der Frankfurter Langzeitintendant Bernd Loebe anläßlich der Präsentation des neuen Spielplans eine Tradition fort, die er mit dessen Vorgänger über Jahre gepflegt hatte: Man versichert sich vor Presse und Belegschaft der wechselseitigen Liebe. Loebe ist unbändig stolz darauf, dieses junge Talent („Du bist immer noch 30, oder?“) an sein Haus geholt zu haben und zählt die für die kommende Saison geplanten Gastauftritte auf, darunter Konzerte mit der Orchesterweltelite in Wien, Cleveland, London, Rom. In gespielter Sorge fragt er Guggeis, ob denn die Balance zwischen Zeiten in Frankfurt und Gastierphasen stimme, damit dieser dann öffentlich sein Frankfurter Opernorchester loben kann: Wenn er nach Gastauftritten hierher zurückkehre, komme er „nach Hause“. Er kenne kein zweites Orchester, daß sich so zu 100 Prozent in den Dienst der Musik stelle. Hier gebe es keine Eitelkeiten.

Frisch verliebt: Der Patriarch und sein GMD / © Barbara Aumüller

Die Bilanz der ersten Saison als GMD erhält von beiden Seiten das Prädikat „Erwartungen übertroffen“. Für die neue Spielzeit hat man für den Chef wieder das Muster gewählt: ein zentrales Werk des 20. Jahrhunderts (zuletzt war es Ligetis Grand Macabre), ein Werk von Verdi (zuletzt die Wiederaufnahme von Don Carlo), eines von Wagner (aktuell der Tannhäuser), eines von Strauss (aktuell die Elektra). So wird Guggeis die Neuproduktion von Alban Bergs Lulu, Verdis Macbeth und Wagners Parsifal übernehmen, daneben noch die Wiederaufnahmen von Schostakowitschs Lady Macbeth und des Rosenkavaliers (mit Maria Bengttson als Marschallin). Lauter Filetstücke. Guggeis zeigt sich zufrieden („Danke, Bernd!“).

Stolz ist Loebe auch darauf, daß Nadja Loschky nach ihrem fabelhaft gelungenen Giulio Cesare nun die Lulu inszenieren wird. Sie übernehme neben ihrer Intendanz in Bielefeld nur eine auswärtige Produktion pro Spielzeit, und er habe sich bereits ein weiteres Engagement für 2027 gesichert. Die junge Regisseurin sei beliebt im ganzen Haus. Und sollte einmal ein Nachfolger für ihn gesucht werden – „aber das wird so bald nicht passieren“ –, dann sei sie die ideale Besetzung.

Wie gewohnt bietet der Frankfurter Spielplan wieder viele Raritäten, so zur Saisoneröffnung Henzes Prinz von Homburg, dann im Bockenheimer Depot Händels Partenope, Guercœur von Albéric Magnard (angekündigt als „überaus dichtes Werk“ das „zwischen Oper, Oratorium und Mysterienspiel changiert“), Adolphe Adams Postillon de Lonjumeau (eine Übernahme aus der Zeit von Loebes Intendanz in Erl), Carl Ditters von Dittersdorfs Doktor und Apotheker, gleich zweimal Werke des kürzlich verstorbenen Aribert Reimann mit L’invisible und Melusine. Mit Händels Alcina schließt die Saison ab.

Auch unter den 14 Wiederaufnahmen kommen neben wenigen Kassenschlagern des Repertoires (Aida, Figaros Hochzeit) zahlreiche Produktionen der vergangen Jahre wieder, die man auf Spielplänen sonst selten findet, von Rimski-Korsakows Nacht vor Weihnachten (ein Frankfurter Sensationserfolg), über Tschaikowskys Zauberin (kaum minder sensationell) und Rossinis Bianca e Falliero bis zu Arthur Honeggers Jeanne D’Arc (mit der Schauspielerin Johanna Wokalek in der Sprech-Titelpartie).

Derart ambitionierte und in ihrer Vielfalt wohl einmalige Spielpläne sind das Markenzeichen der Intendanz Loebes, der sein Publikum für dessen Aufgeschlossenheit lobt. Die Auslastung der laufenden Spielzeit hat mit derzeit 82 Prozent wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, die Zahl der Abonnenten marschiert auf die 10.000 zu.

Ebenfalls zum Markenzeichen entwickelt hat sich das große Stamm-Ensemble, aus dem heraus sich auch eine große Zahl an anspruchsvollen Titelpartien besetzen läßt. Sehr stolz ist Loebe etwa auf Ensemblemitglied Nicholas Brownlee, der für die Bayreuther Festspiele als Holländer und in München als Wotan im Ring des Nibelungen gebucht ist. An seinem Stammhaus wird er als Macbeth und Amfortas zu erleben sein. Loebe vergißt nicht zu erwähnen, daß auch „Erstes-Fach-Sänger“ in Frankfurt in kleineren und mittleren Partien eingesetzt werden, was er an Bianca Andrew illustriert, der er nach ihrem grandiosen Sesto in Giulio Cesare zu Recht eine steile Karriere voraussagt, die trotzdem in der kommenden Spielzeit etwa in der neuen Lulu lediglich als Garderobiere / Gymnasiast / Groom besetzt ist, aber immerhin einen eigenen Solo-Liederabend bekommt.

Das Ensemble bleibt dabei erstaunlich stabil. Nur zwei Abgänge und eine Beurlaubung sind zu verzeichnen. Dafür nimmt die Oper Frankfurt die beiden vom OPERNFREUND als „Nachwuchssänger des Jahres“ ausgezeichneten Nombulelo Yende und Jarrett Porter (endlich) ins Ensemble auf. Yende tritt dabei gleich in die Fußstapfen von Asmik Grigorian in der Titelpartie von Tschaikowskys Zauberin, nachdem sie vor einem Jahr eine hinreißende Tatjana in Eugen Onegin gegeben hatte. Loebe kann es sich nicht verkneifen zu erwähnen: „Sie hat ihren Manager gefeuert und vertraut jetzt uns“ [Plural majestatis]. „Sie ist ein Juwel, das wir zum Glänzen bringen wollen.“

Ausdrücklich kein Abgang sei die Verpflichtung von Chordirektor Tilman Michael an die New Yorker Met. Man plane langfristig mit Michael, habe ihn lediglich nach New York ausgeliehen, und folglich habe der dortige Vertrag auch nur eine Dauer von einem Jahr.

„Ein Juwel“: Nombulelo Yende gibt eine Kostprobe (Thomas Guggeis begleitet)
© Barbara Aumüller

Den Wechsel des Baritons Danylo Matviienko an die Semper-Oper Dresden bedauert der Intendant, lästert aber, man habe ihm dort „längere Noten“ (nicht etwa längere Partien) in Aussicht gestellt. Daß sein persönlicher Referent an die Hamburgische Staatsoper wechselt, ist Loebe neben aufrichtigem Dank auch eine Bemerkung zum Hamburger Stammpublikum wert. Er sei dort kürzlich zu Besuch gewesen. Während man in Frankfurt „alle Generationen hier im Haus“ finde, sei die Alterspanne in Hamburg eher „70 bis 100“.

Bei den Neuinszenierungen finden sich viele in Frankfurt bewährte Regisseure wieder, neben Loschky etwa für den Macbeth R. B. Schlather (zuletzt Madama Butterfly), für den Parsifal Brigitte Fassbaender oder Johannes Erath für Händels Alcina (zuletzt Meistersinger).

Blättert man durch die Saisonbroschüre, so fällt auf, daß die Oper Frankfurt nicht nur auf das eigene Stamm-Ensemble vertraut, sondern auch auf die hauseigenen Kapellmeister. Herausragende Aufgaben erhält Studienleiter Takeshi Moriuchi mit den Premieren Der Prinz von Homburg und Le Postillon de Lonjumeau sowie der Wiederaufnahme Die Nacht vor Weihnachten. Kapellmeister Alden Gatt leitet die Premiere Doktor und Apotheker und die Wiederaufnahme von Figaros Hochzeit, Simone Di Felice die Wiederaufnahme von Rodelinda. Der vormalige Kapellmeister Karsten Januschke kehrt für die Premiere von Melusine zurück. Unter den Gastdirigenten stechen starke Frauen heraus, so die in Frankfurt vielfach bewährte Julia Jones mit der Premiere von Alcina und der Wiederaufnahme der Aida und Marie Jacquot mit der Premiere von Guercœur. Titus Engel dirigiert als Spezialist für die klassische Moderne L’invisible und die Wiederaufnahme von Jeanne d’Arc.

Für die kulturfernen Banausen der rot-grün-hippen Stadtregierung hat der Intendant angesichts seiner Erfolgsbilanz mit einem beispiellos gut aufgestellten Haus nur ein paar gallige Bemerkungen übrig. Etatkürzungen seien immerhin für das laufende Jahr vom Tisch. Die Einsparziele von mehreren Millionen jährlich für die Zukunft trotz steigender Personalausgaben hatte Loebe schon im vergangenen Jahr abgekanzelt und betont als Konsequenz erneut: „Dann können wir den Laden dichtmachen.“ Der Aufsichtsrat der städtischen Bühnen wisse das, der Oberbürgermeister wisse das, und die Kulturdezernentin streite ohnehin für ihr kulturelles Aushängeschild. Er hoffe, daß die Einsicht in die Notwendigkeit einer verläßlichen Finanzierung sich insgesamt durchsetze. Es müsse ein für allemal Schluß damit sein, daß die Städtischen Bühnen alljährlich als Bittsteller auftreten. „Jedes Jahr Kampf und Krampf mit der Stadt.“ Seit 10 Jahren könne man den Mitarbeitern deswegen keinen neuen Haustarifvertrag anbieten, weil man Verschlechterungen zum Status quo fürchte.

Aber das ist nur ein pflichtgemäßes Grummeln. Loebe genießt die Rolle eines weitsichtigen Alleinherrschers, der seit zwei Jahrzehnten sein Haus unbeirrt auf einem beispiellosen Erfolgskurs steuert. Jahr für Jahr berichten wir anläßlich der Spielplanpräsentation vom Immergleichen, dessen man doch nicht überdrüssig wird: vom „spannendsten Spielplan der Republik“, vom „international besten Ensemble“. Auch die von der Opernwelt befragten Kollegen werden im Rückblick auf die auslaufende Saison angesichts von Grand Macabre, Traumgörge, Giulio Cesare, Tannhäuser, womöglich demnächst noch La Juive wieder viele Nominierungen zur „Aufführung des Jahres“, „Entdeckung des Jahres“ und sicher auch zum „Opernhaus des Jahres“ vornehmen. Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Und Loebe scheint kein bißchen amtsmüde zu sein. Wenn es nach uns geht: Ad multos annos!

Michael Demel, 7. Mai 2024


Premieren

Hans Werner Henze: Der Prinz von Homburg
Sonntag, 22. September 2024
Musikalische Leitung: Takeshi Moriuchi
Inszenierung: Jens Daniel Herzog

Alban Berg: Lulu
Sonntag, 3. November 2024
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Nadja Loschky

Georg Friedrich Händel: Partenope
Sonntag, 10. November 2024 (Bockenheimer Depot)
Musikalische Leitung: George Petrou
Inszenierung: Julia Burbach

Giuseppe Verdi: Macbeth
Sonntag, 1. Dezember 2024
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis / Simone Di Felice
Inszenierung: R.B. Schlather

Albéric Magnard: Guercœur
Sonntag, 2. Februar 2025
Musikalische Leitung: Marie Jacquot / Lukas Rommelspacher
Inszenierung: David Hermann

Adolphe Adam: Le Postillon de Lonjumeau
Sonntag, 2. März 2025
Musikalische Leitung: Beomseok Yi / Takeshi Moriuchi
Inszenierung: Hans Walter Richter

Carl Ditters von Dittersdorf: Doktor und Apotheker
Samstag, 8. März 2025 (Bockenheimer Depot)
Musikalische Leitung: Alden Gatt / Lukas Rommelspacher
Inszenierung: Ute M. Engelhardt

Aribert Reimann: L’invisible
Sonntag, 30. März 2025
Musikalische Leitung: Titus Engel
Inszenierung: Daniela Löffner

Richard Wagner: Parsifal
Sonntag, 18. Mai 2025
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Brigitte Fassbaender

Aribert Reimann: Melusine
Freitag, 6. Juni 2025 (Bockenheimer Depot)
Musikalische Leitung: Karsten Januschke
Inszenierung: Aileen Schneider

Georg Friedrich Händel: Alcina
Sonntag, 15. Juni 2025
Musikalische Leitung: Julia Jones
Inszenierung: Johannes Erath

Wiederaufnahmen

Georg Friedrich Händel: Hercules
Sonntag, 8. September 2024
Musikalische Leitung: Laurence Cummings
Inszenierung: Barrie Kosky

Dmitri D. Schostakowitsch: Lady Macbeth von Mzensk
Sonntag, 29. September 2024
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Anselm Weber

Giuseppe Verdi: Rigoletto
Freitag, 4. Oktober 2024
Musikalische Leitung: Giuseppe Mentuccia / Simone Di Felice
Inszenierung: Hendrik Müller

Giuseppe Verdi: Aida
Sonntag, 10. November 2024
Musikalische Leitung: Julia Jones
Inszenierung: Lydia Steier

Nikolai A. Rimski-Korsakow: Die Nacht vor Weihnachten
Freitag, 6. Dezember 2024
Musikalische Leitung: Takeshi Moriuchi
Inszenierung: Christof Loy

Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro
Freitag, 13. Dezember 2024
Musikalische Leitung: Alden Gatt
Inszenierung: Tilmann Köhler

Georg Friedrich Händel: Rodelinda
Sonntag, 5. Januar 2025
Musikalische Leitung: Simone Di Felice
Inszenierung: Claus Guth

Carl Nielsen: Maskerade
Freitag, 10. Januar 2025
Musikalische Leitung: Benjamin Reiners
Inszenierung: Tobias Kratzer

Peter I. Tschaikowski: Die Zauberin
Freitag, 7. Februar 2025
Musikalische Leitung: Valentin Uryupin / Takeshi Moriuchi
Inszenierung: Vasily Barkhatov

Leoš Janáček: Aus einem Totenhaus
Freitag, 7. März 2025
Musikalische Leitung: Robert Jindra
Inszenierung: David Hermann

Richard Strauss: Der Rosenkavalier
Freitag, 11. April 2025
Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Claus Guth

Vincenzo Bellini: Norma
Sonntag, 20. April 2025
Musikalische Leitung: Giuliano Carella
Inszenierung: Christoph Loy

Gioachino Rossini: Bianca e Falliero
Sonntag, 25. Mai 2025
Musikalische Leitung: Giuliano Carella
Inszenierung: Tilmann Köhler

Claude Debussy: La damoiselle élue
Arthur Honegger: Jeanne D’Arc au bûcher

Samstag, 21. Juni 2025
Musikalische Leitung: Titus Engel
Inszenierung: Àlex Ollé

Liederabende auf der großen Bühne

Bianca Andrew Mezzosopran
Dienstag, 10. September 2024

Konstantin Krimmel Bariton / Brigitte Fassbaender Rezitation
Dienstag, 29. Oktober 2024

Clara Kim Sopran / Nombulelo Yende Sopran / Iurii Iushkevich Countertenor
Dienstag, 17. Dezember 2024

Louise Alder Sopranistin / Mauro Peter Tenor
Dienstag, 25. Februar 2025

Matthew Polenzani Tenor
Dienstag, 18. März 2025

Francesco Meli Tenor
Dienstag, 8. April 2025

Georg Zeppenfeld Bass
Dienstag, 13. Mai 2025

Asmik Grigorian Sopran
Dienstag, 3. Juni 2025