Frankfurt: „Don Pasquale“, Gaetano Donizetti

„Ui, das ist aber eine große Besetzung!“, staunt der Sitznachbar beim Blick in den Orchestergraben. Wobei man von einem „Graben“ nicht wirklich sprechen kann. Im Bockenheimer Depot, der Nebenspielstätte der Städtischen Bühnen, sitzen die Musiker in der Stärke eines größeren Kammerorchesters mit immerhin sechs Ersten und fünf Zweiten Geigen ebenerdig, während hinter ihnen erhöht eine klassische Bühne aufgebaut ist. Das hätte man genau so auch im Großen Haus spielen können. Die ersten Akkorde der Ouvertüre tönen dann auch satt und vollmundig. Simone Di Felice am Pult präsentiert mit den gut aufgelegten Musikern den Orchestersatz von Donizettis Spätwerk farbig und mit federndem Rhythmus, dabei keineswegs buffohaft übermütig oder gar leichtgewichtig. Auf der Bühne (Sergio Mariotti) ist ein Palazzo-artiger, leicht abgewohnter Raum aufgebaut, dessen hinterer Teil von einer weiteren Bühne eingenommen wird. Hier soll also Theater im Theater gespielt werden. Regisseurin Caterina Panti Liberovici erkennt in der Titelfigur Züge des Komponisten selbst, der zum Zeitpunkt der Komposition durch eine fortgeschrittene Erkrankung an Syphilis Phasen der geistigen Umnachtung aufwies. In einer Pantomime sehen wir ihn beim Komponieren seines Spätwerks, wie ihm gleichsam von unsichtbarer Hand die Feder geführt wird und ihn Visionen heimsuchen. Die übrigen Figuren des Stücks erscheinen daher gar nicht real zu sein, sondern sind Gestalten aus dem Fundus der Comedia dell’arte. Die Ausstattung von Raphaela Rose läßt sie daher in typisierten historischen Kostümen erscheinen und spielt mit dem Einsatz von Masken.

© Matthias Baus

Bühnenbild und Kostüme sehen fabelhaft aus und wecken die Erwartung, eine quirlige Opera buffa serviert zu bekommen. Diese Erwartung unterläuft die Regisseurin aber. Der durchaus vorhandene Humor wird dosiert und der flüssigen Personenregie eher subtil beigemischt. Die Figur des strippenziehenden Doktor Malatesta sieht die Regie als zwielichtig düsteren Harlekin. Sein Zweispitz zieht sich schnabelartig über die obere Gesichtshälfte. Zusammen mit seiner schwarzen Kleidung wirkt er wie ein dunkler Vogel. Das Programmheft gibt dazu den Hinweis, daß der Rabe, mit dem die Figur assoziiert werden soll, ein Symbol nicht nur der Weisheit und Fürsorge, sondern auch des Todes, des Bösen und des Dämonischen sei. Und so erhält die gesamte Handlung dieser an sich leichten, simplen Komödie eine dunkle Grundierung. Einiges an der Inszenierung bleibt rätselhaft, etwa die Verdopplung von Figuren durch Tänzer oder der offenbar symbolhaft (wofür?) gemeinte, immer wiederkehrende Einsatz von Federn.

© Matthias Baus

Musikalisch glänzt neben dem Orchester insbesondere Biancha Tognocchi als quirlige Norina, die mit ihrem leichtgängigen Sopran scheinbar mühelos Donizettis Koloraturkunststücke präsentiert. Für die Titelpartie verfügt Božidar Smiljanić über eine warme, angenehm klingende Stimme, die sich aber nicht immer gegenüber dem vollmundig aufspielenden Orchester durchsetzen kann. Mikołaj Trąbka als Doktor Malatesta hat in dieser Hinsicht mit seinem kernigen Bariton keine Probleme, klingt jedoch immer wieder recht ungeschlacht und derb. Als einziger Gast präsentiert Pablo Martinez in der Rolle des Liebhabers Ernesto einen hellen, biegsamen Tenor, der ihn für derartige Belcantopartien prädestiniert, zeigt jedoch am Premierenabend Anflüge einer Belegtheit der Stimme, die er aber professionell zu überspielen weiß.

© Matthias Baus

Gezeigt wird insgesamt eine optisch attraktive Produktion auf gewohnt hohem musikalischem Niveau, deren verrätselte Melancholie nicht völlig zu überzeugen vermag.

Michael Demel, 27. September 2023


Don Pasquale
Opera buffa von Gaetano Donizetti

Oper Frankfurt
im Bockenheimer Depot

Premiere am 23. September 2023

Inszenierung: Caterina Panti Liberovici
Musikalische Leitung: Simone Di Felice
Frankfurter Opern- und Museumsorchester