Graz: „Der Kontrabass“

Premiere am 18. 12. 2018

Bravourleistung eines Orchestermusikers

Das Einpersonenstück in einem Akt von Patrick Süskind wurde 1981 mit dem berühmten Schauspieler Nikolaus Paryla im Münchner Cuvilliés-Theater uraufgeführt. Der Diogenes-Verlag schreibt dazu: „In den letzten Jahren eines der meistgespielten Stücke auf deutschsprachigen Bühnen und mittlerweile in 28 Sprachen übersetzt.“

Aber wann kommt es schon vor, dass die Hauptrolle nicht ein Schauspieler, sondern ein professioneller Kontrabassist verkörpert? In Graz ist dies der Fall – und so ist es wohl sehr berechtigt, dass das Stück diesmal auf dem Spielplan der Oper Graz aufscheint. Klaus Melem ist nämlich genau das, was das Stück vorsieht: ein fixangestellter „Kontabass-Tuttist“ in einem „Staatsorchester“ – und wohl der einzige Kontrabassist, der dieses Sprechstück aufführt. Klaus Melem ist seit 25 Jahren bei den Grazer Philharmonikern als Kontrabassist – nicht als Stimmführer! -engagiert. Für jene, die das Stück nicht kennen – eigentlich ein Pflichtstück für jeden Opernfreund! -, hier kurz der Inhalt: Das Stück besteht aus dem Monolog eines Kontrabassisten („ein Mann, Mitte dreissig, nämlich ich“), Mitglied in einem Staatsorchester, „der mit seinem Instrument, der Liebe und der Welt hadert. In seiner One-Man-Show präsentiert der Kontrabassist dabei nicht nur sein Instrument (Musikbeispiele von Mozart, Wagner, Dittersdorf und Schubert inklusive), sondern erzählt von den Enttäuschungen seines Lebens und seiner unerwiderten Liebe zur Sopranistin Sarah. Soziale Analyse, Slapstick und Milieukomik verbinden sich in Süskinds erstem Theaterstück zu einer skurrilen Komödie, die zum Nachdenken anregt“ (Ankündigung der Oper Graz). Der renommierte Marcel Reich-Ranitzki nannte einst das Werk ein „kabarettistisches Stück mit Pfiff und Charme und mit leiser, gleichsam lächelnder Melancholie“.

Es ist eindrucksvoll, wie der Berufsmusiker Klaus Melem, der keinerlei Schauspiel- und Sprechausbildung, wohl aber reiche Bühnenerfahrung als Musikkabarettist und Jazzmusiker und damit solistische Podiumserfahrung hat, den kunstvoll aufgebauten Sprechtext mit natürlicher, nie aufgesetzt wirkender bairisch-oberösterreichisch gefärbter Artikulation bewältigt und wie es ihm gelingt, über die gesamte, immerhin fast zwei Stunden währende Stückdauer, die Spannung zu halten. Auch sein Gesten- und Bewegungsrepertoire wirkt nie angelernt, sondern entwickelt sich erfreulich harmonisch aus dem Sprachduktus. Natürlich kommt ihm zugute, dass er das Stück schon seit 10 Jahren in kleinerem Rahmen immer wieder aufgeführt hatte – und natürlich ist es überzeugend und beeindruckend, wenn die wenigen zu spielenden Musikpassagen von einem Profi selbst wiedergegeben werden. Melem hat im Originaltext einige Anpassungen vorgenommen, die nur ihm als Musiker möglich sind – etwa wenn er bei der Textstelle „Wenn ich auf einer Saite von unten nach oben spiele, darf ich 11 Mal die Lage wechseln“ dies tatsächlich auf dem Kontrabass vorführt oder wenn er bei „Ich spiele jedes Stück von Bottesini“ die virtuosen Läufe auf dem Instrument andeutet. Auch der Elefant aus dem „Karneval der Tiere“ von Saint-Saens kommt meins Wissens nicht im Original vor. Den im Original vorgesehenen und inzwischen verstorbenen Stardirigenten Carlo Maria Giulini hat er durch Riccardo Muti ersetzt (bei Aufführungen in Oberösterreich übrigens durch Franz Welser-Möst…..) Das alles und auch die Einfügungen der steirischen Orte Oberwölz und Niederwölz sowie die Nennung des Namens des Grazer Stimmführers bei den Kontrabässen sind nett-schrullige Kleinigkeiten, die durchaus harmonisch in den Gesamtablauf hineinpassen, ohne krampfhaft zu wirken.

Während der Protagonist am Ende seine Alltagskleidung ablegt und für die unmittelbar bevorstehende Rheingold-Premiere unter dem gastierenden Stardirigenten Riccardo Muti den Frack mit Grandezza anzieht, fragt er sich, was wohl geschähe, wenn er dieses Mal unmittelbar vor dem Einsatz des Orchesters den Namen der von ihm verehrten Sopranistin „Sarah!“ laut in den Saal hineinriefe. Ob er dies tun wird, bleibt offen. Er verabschiedet sich und geht zum Dienst.

Das Publikum spendet reichen und herzlichen Beifall – und so gibt es sogar ein Zugabe. Klaus Melem sagt: „Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen“, greift zum Kontrabass und spielt höchst gekonnt eine einprägsame Jazz-Sequenz (im Stück hatte er sich zuvor ja als Jazz-Gegner deklariert). Dann küsst er zart sein Instrument, verneigt sich elegant und verlässt den Raum. Damit hat Klaus Melem am Ende eindrucksvoll demonstriert: er liebt sein Instrument und er ist in Wahrheit nicht der frustrierte Beamtenmusiker, den er heute zu spielen hatte – er ist ein Vollblutkünstler – Gratulation!

Hermann Becke, 19. 12. 2018

Aufführungsfotos: Oper Graz, © Werner Kmetitsch

Hinweis: Vier weitere Aufführungen im Jänner 2019 – für Opernfreunde sehr zu empfehlen!