Premiere/UA : 22.06.2019
Bonne anniversaire, Monsieur Offenbach!
Sicherlich hatte man sich den 200. Geburtstag Offenbachs in Köln etwas anders vorgestellt. Dem großen Sohn der Stadt hätte man mit großem Pomp und Galavorstellungen huldigen können, ja, wäre da nicht das Malheur mit der Oper passiert. Planerisches Totalversagen, eine schulterzuckende Kulturdezernentin und dazwischen Künstler und Publikum, die die Dauerbaustelle am Offenbachplatz kaum noch ertragen können. Doch der Kölner ist pragmatisch und so wurde – wenn auch im sehr Kleinen – nun dennoch erstmals wieder in der Kölner Oper musiziert. Mit einer charmanten Offenbachiade unter dem Titel „Je suis Jacques“ wurde die Kantine des Opernhauses zur Spielstätte erklärt und ganz nebenbei ein Loblied auf die vergessenen Werke des Komponisten angestimmt.
Kabel hängen aus den Wänden, die Decke ist nicht verputzt – alles sieht noch nach Baustelle aus, wenn die Zuschauer den Raum betreten. In der Mitte aber eine Bar, hinter der der Barkeeper steht und immer wieder auf die Uhr schaut. Er will eigentlich Feierabend machen, doch dann passiert etwas Unerwartetes. Es taucht eine Handvoll merkwürdiger Gestalten auf, die behaupten, sie seien in dieser Nacht zu einer Geburtstagsfeier eingeladen: Zu einem 200. Geburtstag. Die Gestalten, das wird schnell klar, sind niemand anders als die prominentesten Figuren aus Offenbachs populären Werken: So treffen Orpheus, die schöne Helena, Barbe-Bleue, Olympia und Lindorf aufeinander. Es entsteht ein charmantes, witziges und ausgesprochen kurzweiliges Geplänkel, während man auf das Geburtstagskind wartet. Doch das will und will nicht kommen und so scheint Barkeeper Jakob immer mehr zum Jacques zu werden. Ist er es vielleicht gar? Sind die Figuren real oder sehen wir nur das, was in seiner Phantasie geschieht? Immer wieder kommt es zum süffisanten Schlagabtausch zwischen den Figuren, die etwa wie Kollegen agieren, die alle schon seit Ewigkeiten in ein und der selben Firma arbeiten. Man liebt und hasst gleichermaßen die Eigenarten der anderen und dies führt immer wieder zu pointengespickten, feinen Wortscharmützeln und endet immer wieder in der wunderbaren Musik Offenbachs.
Regisseur Christian von Götz und Dramaturg Georg Kehren haben hier ein spannendes und phantasievolles Spiel entwickelt, dass sich der Leichtigkeit Offenbachs bedient und so in nur 80 Minuten die Zuschauer vergessen lässt, dass sie sich immer noch auf einer Baustelle befinden. In der Ausstattung von Dieter Richter und mit den prächtigen und phantasievollen Kostümen von Sarah Mittenbühler entwickelt der Abend einen Sog, der die Zuschauer wirklich zum Teil des phantastischen Treibens werden lässt. Selten kommt man Opernsängern so nahe und auch das ist sicherlich eine große Qualität des Abends.
Die agierende Sängerriege musiziert durch die Bank weg exzellent. John Heuzenröder der in der Rolle des Jakob/Jacques Dreh- und Angelpunkt allen Treibens ist, agiert fein und dezent und singt seine kurzen Nummern tadellos. Bei den Damen begeistert Judith Thielsen als schöne Helena, die ihrer Figur eine unglaubliche Komik angedeihen lässt, in dem sie mit norddeutscher Ruppigkeit und vor allem auch norddeutschem Akzent (ja, die Helena kommt aus Nord-Griechenland) ihre Mitstreiter in die Schranken weist und – obwohl schönste Frau der Welt – die Damenhaftigkeit auch gerne mal vergisst, wenn sie den Champagner aus der Blumenvase trinkt. Jeongki Cho ist als Blaubart zu Gast und präsentiert immer wieder –ein Schmunzeln über die sprichwörtliche Eitelkeit der Tenöre ist hier durchaus beabsichtigt – die durchschlagende Strahlkraft seiner Stimme. Matthias Hoffmann gibt einen dämonischen, aber dennoch charmant wienernden Lindorf. Als Orpheus tritt Insik Choi auf, der „aus Versehen“ auch mal Gluck anstimmt und damit für einen großen Lacher sorgt. Etwas penetrant ergänzt Tänzerin Verena Hierholzer als stumme Puppe Olympia die Szenerie. Bemerkenswert ist Opernstudio-Mitglied Alina Wunderlin, die als Dame vom Markt und Hermine mit einer wunderschönen Stimme auch knifflige Koloraturen exzellent meistert und mit hinreißendem Spiel die Herzen des Publikums im Handumdrehen erobert.
Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Gerrit Prießnitz, der auch selber am Klavier sitzt. Zusammen mit einer Handvoll Musiker des Gürzenich-Orchesters, die exzellent musizieren, leitet er den temporeichen Ritt durch die vergessenen Werke Offenbachs. Vieles wird in kurzen, knackigen Versionen geboten, was natürlich etwas schade ist, im Endeffekt aber auch genau richtig ist, denn eigentlich bekommt man hier kleine Appetithäppchen gereicht, die jeden Opernfreund neugierig machen, sich auch mal in Werke wie „Das Lied des Fortunio“, „Genoveva von Brabant“, „Schönröschen“ oder „Die drei Küsse des Teufels“ einzuhören.
So wird dem großen Komponisten-Sohn der Stadt Köln am Ende doch ein tolles Geburtstagsgeschenk gemacht und vielleicht ist das auch irgendwie richtiger, als ein „Hoffmann“ in Starbesetzung. Dieser Abend ist unterhaltsam, witzig und eine charmante Hommage an Offenbach.
Der Kauf des Programmhefts sei empfohlen, da hier auch nochmal viele Hintergrundinformationen zu den Figuren, Werken und zahlreichen Anspielungen erläutert werden!
Sebastian Jacobs, 24.06.2019
Die Fotos stammen von © Paul Leclaire