Köln: Von Händel bis Strauss

Nach langem Bangen durften alle Beteiligten aufatmen: Das traditionelle Weihnachtskonzert der „Freunde der Kölner Oper“ konnte unter strengen Hygienemaßnahmen trotz Corona stattfinden. Die zahlreichen Mitglieder und Gäste im Saal 1 des StaatenHauses brauchten ihr Kommen wahrlich nicht zu bereuen. Rainer Mühlbach, seit 2012 Leiter des Internationalen Opernstudios der Oper Köln, hatte einen wunderbaren Strauß erlesener Blüten aus Oratorium, Oper und Weihnachtsliedern gebunden, der von den jungen Sängerinnen und Sängern dem begeisterten Publikum mit jetzt schon großem künstlerischen Können dargeboten wurde. Rebecca Murphy (Sopran) eröffnete den Reigen mit der Arie „Rejoice, rejoice greatly“ aus Georg Friedrich Händels „Messiah“, bevor Juyeon Shin (Sopran) und SeungJick Kim (Tenor) als Blondchen und Belmonte Arien aus Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ erklingen ließen. Dies war mehr als ein gelungener Vorgeschmack auf die Corona bedingt verschobene Produktion der kompletten Oper in der kommenden zweiten Spielzeithälfte. Dustin Drosdziok (Tenor) und der irische Bassbariton David Howes leiteten mit dem auch köstlich gespielten Duett zwischen Nemorino und Dulcamara (1. Akt, 6. Auftritt) Ausschnitte aus Donizettis Erfolgsoper „L‘elisier d‘ amore“ ein, in denen Rebecca Murphy als Adina und auch SeungJick Kim als alternativer Nemorino mit herrlichem Belcanto glänzten. Natürlich durfte der Ohrwurm „Una furtiva lagrima“ nicht fehlen. Dustin Drosdziok bewies mit seinem lyrisch geführten Tenor, dass man nicht in Italien geboren sein muss, um authentische Italienità zu verkörpern.

Die Mezzosopranistinnen Lotte Verstaen und Luzia Tietze wetteiferten mit der „Habanera“ und der „Seguidilla“ um den ersten Preis für die beste Verkörperung der berühmten Titelfigur aus Bizets Oper „Carmen“. Die glutvolle Darbietung beider Interpretinnen ließ nur einen Schluss zu. Hier warten zwei hoch talentierte junge Sängerinnen auf ein Engagement in dieser Paraderolle. Die polnische Sopranistin Anna Malesza-Kutny sang nicht nur an diesem Abend mit glockenklarem Sopran an späterer Stelle die Arie der Margeruite „O Dieu! Que de bijoux!“ aus der Oper „Faust“ von Charles Gounod, sondern verblüffte das Publikum mit makellosem Violinspiel als Geigenvirtuosin im „Entr’acte“ zum 4. Akt von „Carmen“.

Bevor es mit Ausschnitten aus „Carmen“ weiterging, überreichten die „Freunde der Kölner Oper“ dem jungen koreanischen Tenor Young Woo Kim, der von 2016 bis 2018 selbst im Opernstudio gesungen hatte, den Offenbachpreis. Diese Auszeichnung wird im Abstand von zwei Jahren an ein junges Ensemblemitglied für besondere sängerische und schauspielerische Leistungen an der Oper Köln verliehen. Eine Nadel aus purem Gold mit dem Konterfei Jaques Offenbachs sowie ein Geldpreis in Höhe von 2000 Euro sind der materielle Ausdruck der Anerkennung. Fast wichtiger war aber, was der Vorsitzende der „Freunde der Kölner Oper“ sowie im Anschluss daran Kölns Opernintendantin Dr. Birgit Meyer in ihren Redebeiträgen über Young Woo Kim zu berichten wussten. Beide waren sich darin einig, dass mit Young Woo Kim ein leidenschaftlicher Tenor die Bretter, welche die Welt bedeuten, betreten hat, dem man eine ganz große Karriere voraussagen darf. In Köln begeisterte Young Woo Kim bereits als Don José, als Fenton , als Faust oder als Siegmund („Walküre“ in der Kinderoper) und gab als Hoffegut in Braunfels‘ selten gespielter Oper „Die Vögel“ ein geradezu sensationelles Debut. Launig berichtete der Vorsitzende der „Freunde der Kölner Oper“ von seinem Erlebnis bei der letzten Walküre-Aufführung in der Kinderoper, als eine Dame neben ihm meinte: „Warum singt Herr Kim eigentlich nicht den Siegmund in Bayreuth?“ Und Frau Dr. Meyer ergänzte: „Ich freue mich sehr, dass Young Woo Kim diesen Preis erhalten hat. Er ist nicht nur ein begnadeter, ungemein fleißiger Sänger, sondern auch ein hoch angesehener Kollege, der nicht mehr aus dem Ensemble der Kölner Oper wegzudenken ist.“

Die Blumenarie des Don José sowie Duett und Finale des 2. Akts aus „Carmen“ an der Seite der seinerzeit in der Premiere gefeierten Mezzosopranistin Adriana Bastidas-Gamboa bewiesen dann eindrucksvoll, über welch klangschöne und kraftvolle Tenorstimme Young Woo Kim verfügt. Als er dann noch die Wälse-Rufe im Monolog des Siegmunds „Ein Schwert verhieß mir der Vater“ raumfüllend erklingen ließ, kannte der Beifall des Publikums in Saal 1 des StaatenHauses keine Grenzen mehr. Da musste auch Young Woos Frau Sarang Choi, die ihren Mann am Klavier begleitete, anerkennend lächeln!

Der Csárdás der Rosalinde „Klänge der Heimat“ aus Johann Strauss‘ Operette „Die Fledermaus“, schmissig gesungen von der spanischen Sopranistin Ana Férnandez Guerra und wieder kunstvoll mit der Violine durch Anna Malesza-Kutny begleitet, leitete zum Schluss dieses denkwürdigen Konzertabends über. In vier herrlichen Chorsätzen erklangen in den verschiedensten Sprachen bekannte Weihnachtlieder. Beifall und Dank aller Besucher galten den wunderbaren jungen Sängerinnen und Sängern des Internationalen Opernstudios, dem Preisträger Young Woo Kim, der Kölner Carmen Adriana Bastidas Gamboa, vor allem aber Rainer Mühlbach, dem als Leiter des Opernstudios, als einfühlsamem Begleiter am Klavier und charmantem Moderator der Hauptanteil der Anerkennung für den Erfolg des Abends gebührte.

Norbert Pabelick