Lüttich: „La cenerentola“

Wiederaufnahme: 18. Dezember 2019

Gioachino Rossini

An Jean-Pierre Ponnelles legendärer „Cenerentola“-Inszenierung, die erstmals 1967 in San Francisco herauskam und danach weltweit gespielt wurde, kommt keine Neuproduktion des Werkes vorbei. Das gilt auch für die Inszenierung von Cécile Roussat und Julien Lubek, die im September 2014 erstmal im belgischen Liege gezeigt wurde und dort nun ihre Wiederaufnahme erlebt. Das Regieduo geht zwar teilweise andere Wege als Ponnelle, arbeitet aber mit der gleichen Akribie.

Ist bei Ponnelle das Bühnenbild ein riesiges Puppenhaus, so setzen Cécile Roussat und Julien Lubek auf die Vorzüge einer dreigeteilten Drehbühne. Im Hause Don Magnificos bekommen wir das Schlafzimmer des Hausherren, einen Platz vor dem Haus mit Brunnen und ein marodes Treppenhaus präsentiert. Im Palast Don Ramiro erleben wir als Schauplätze den Thronsaal, den Weinkeller und den Schlossgarten. Das ist eine abwechslungsreiche Ausstattung mit hohem Schauwert, die zudem gute Spielmöglichkeiten bietet.

Das Regieduo lässt den Philosophen Alidoro als Spielleiter, der manchmal in die Handlung eingreift, die Geschichte präsentieren. Sechs magische und akrobatische Begleiterinnen lenken mit ihm das Geschehen. Die Regie setzt zudem auf zauberhafte Theatereffekte und lässt Angelina im Heißluftballon zum Ball des Prinzen fliegen. Ein schöner Einfall ist es, wenn das Essen auf der Tafel des Prinzen lebendig wird und wenn Don Magnifico im Weinkeller des Prinzen unzählige Flaschen aus einer Papierröhre verzaubert. Dieses Regieteam will sein Publikum wirklich verzaubern.

Musikalische Leiterin ist Chefdirigentin Speranza Scapucci. Das Orchester klingt bei ihr ungewöhnlich schlank und leicht. Sie nähert sich Rossini über Mozart und lässt das Orchester flink aufspielen. Dieser klassische Ansatz überrascht zwar, führt aber dazu, dass die Rossini-Crescendi, in denen der Komponist die Verwirrung der Figuren zum Klingen bringt, nicht die dynamische Bandbreite haben, die man sonst gewohnt ist. Den Sängerinnen und Sängern kommt dieser Ansatz sehr entgegen

Die Angelina wird von Karine Deshayes als selbstbewusst-resolute Frau gespielt. Bei ihr fragt man sich, ob sie ihren Willen nicht auch so durchsetzen könnte, ohne zauberische Hilfsmittel Alidoros? Deshayes besitzt einen schönen lyrischen Mezzo und schnurrt die Koloraturen geläufig ab. In den Prestissimo-Abschnitten spricht sie den Text aber mehr, als dass sie ihn singt.

Als Prinz Don Ramiro gibt Levy Sekgapane sein Hausdebüt in Liege. Der junge Tenor aus Südafrika glänzt mit leichter und höhensicherer Stimme, die zudem sehr beweglich ist. Jedoch könnte die schön gefärbte Stimme über mehr Volumen verfügen, um in einem großen Haus wie der Opera Royal aufzutrumpfen.

Ein Erzkomödiant ist Bruno de Simone als Don Magnifico. Mit geschmeidigem Bass jagt er durch die Rolle. Magnifico, seine Töchter und der Kammerdiener Dandini, der von Enrico Marabelli gesungen wird, werden von der Regie und den Kostümen comichaft überzeichnet. Als Schwestern Clorinda und Tisbe bleiben Sarah Defrise und Angélique Noldus stimmlich unauffällig. Diese komödiantischen Figuren bräuchten sängerisch ein stärkeres Profil.

Die Opera Royal bietet eine sehenswerte „Cenerentola“, bei der musikalisch aber noch Luft nach oben ist. – Als nächste Produktion zeigt Liege vom 30. Januar bis zum 14. Februar Giuseppe Verdis „Don Carlos“, und zwar in der selten gespielten fünfaktigen französischen Originalfassung.

Rudolf Hermes, 24.12.2019

Bilder (c) Oper Lüttich