Chemnitz: „Footloose“

Premiere: 16.09.2021

Besuchte Vorstellung: 19.09.2021

Wir dürfen wieder tanzen!!!


Wie sagte schon Molière sinngemäß: „Nichts ist dem Menschen so unentbehrlich wie der Tanz.“ Getreu diesem Motto zeigt das Theater Chemnitz seit der vergangenen Woche das Musical „Footloose“ als erste große Neuproduktion der neuen Spielzeit im wunderschönen Opernhaus der Stadt. Basierend auf dem Kultfilm aus dem Jahr 1984 feierte das Musical von Dean Pitchford, Walter Bobbie und Tom Snow 1998 seine Uraufführung am New Yorker Broadway. Als Grundlage diente eine wahre Begebenheit in Elmore City im Bundesstaat Oklahoma, wo seit dem Jahr 1889 ein Verbot öffentlicher Tanzveranstaltungen galt, gegen das sich 1980 die Abschlussklasse der örtlichen Highschool erfolgreich erhob. Im Musical zieht Ren McCormack mit seiner Mutter von Chicago in die Kleinstadt Bomont, nachdem sein Vater die beiden verlassen hat. Seit fünf Jahren ist hier das Tanzen verboten, nachdem mehrere Jugendliche nach einem tragischen Unfall ihr Leben verloren. An diesem Tag verlor auch Reverend Shaw Moore seinen Sohn, ein Verlust, der den Reverend zu einem anderen Menschen machen sollte. Seit diesem schrecklichen Ereignis ist er fest entschlossen, die Heranwachsenden der Stadt durch übermäßige Kontrolle vor jeglichem Unheil zu schützen. Rockmusik, Alkohol und Tanzen sind hierbei verboten. Der tanzbegeisterte Ren, eckt entsprechend schnell mit dem Reverend und den Dorfbewohnern an, schließt allerdings nach und nach Freundschaft mit Gleichgesinnten, die sich in Bomont gefangen und erdrückt fühlen. Statt beim Tanzen mal etwas „Dampf ablassen“ zu können, stauen sich die Emotionen in den Jugendlichen zu einem teilweise explosiven Cocktail zusammen.

Jerôme Knols gelingt in Chemnitz eine hervorragende Regiearbeit, welche die Geschichte in ihrer eigentlichen Form erzählt und nur hin und wieder treffende Aktualisierungen vornimmt. So sorgt es für allgemeine Heiterkeit im Saal, als sich Rens Freund Willard beim Betreten des Burger Restaurants erstmal an der bereitstehenden Säule die Hände desinfiziert. Sehr gut gelungen sind auch die Umsetzungen der notwendigen Corona-Regelungen hinsichtlich der Gestaltung der Inszenierung. Hier ist es das beste Lob, wenn man wie in diesem Fall behaupten kann, dass man an dies während der gesamten 2 Stunden und 40 Minuten gar nicht wahrgenommen hat. Erst der Kuss zwischen Ren und Ariel, Tochter des Reverend, der auf der Bühne nur angedeutet wird und dann beim Abgang der Darsteller als effektvolle Projektion auf die Bühne projiziert wird, macht einem wieder kurz deutlich, was bei einer solch großen Inszenierung wie hier alles im Hintergrund bedacht werden muss. Stichwort „große Inszenierung“, sehr beachtlich ist an diesem Abend auch, was Ulv Jakobsen für ein wunderbares Bühnenbild erschaffen hat. Hierbei nutzt er alle technischen Möglichkeiten, die ihm das Haus zur Verfügung stellt. Die große Drehbühne sorgt ebenso für rasche Szenenwechsel wie die aus dem Boden hochfahrenden Räume. Beeindruckend ist es, wie die Dorfkirche immer wieder elegant und ohne sichtbare Hilfe auf die Bühne fährt. Auch für die passenden Kostüme der Inszenierung zeichnet sich Ulv Jakobsen verantwortlich. Abgerundet wird das positive Gesamtbild der Inszenierung von passenden, teilweise wunderbar detailverliebten Projektionen, die meist dezent im Hintergrund eingesetzt werden. Unterstützung bekam Jakobsen in diesem Bereich von Marc Jungreithmeier.

Auch die Darsteller sind treffend besetzt, so überzeugt Richard McCowen mit eindrucksvoller Mimik als Reverend Shaw Moore und bringt auch seine Solo-Songs sehr emotional auf die Bühne. Jannik Harneit gibt einen temperamentvollen Ren McCormack, bei dem sowohl Tanz wie auch Gesang passen. Auch Sophie Mefan als Ariel Moore und Simon Stockinger als Willard Hewitt bleiben sicher noch länger in Erinnerung, stellvertretend für die gut zusammengestellt Cast, bei der jeder in seiner Rolle gefallen kann. Dargeboten wird in Chemnitz im Übrigen die deutsche Fassung von Hauke Jensen, bei der bis auf bekannte Songs wie „Footloose“, „Holding Out For A Hero“ oder „Almost Paradise“ die handlungstragenden Lieder gut ins Deutsche übersetzt erklingen. Die musikalische Leitung der achtköpfigen Band liegt bei Tom Bitterlich, hier ist die vergleichsweise kleine Besetzung zwar durchaus ausreichend, insbesondere „Footloose“ klingt stark aus dem Orchestergraben, an der ein oder anderen Stelle hätte man sich aber vielleicht noch etwas mehr Klangkraft gewünscht.

Dennoch kann man das Theater Chemnitz für diese Musicalproduktion nur beglückwünschen, denn mit einer solch stimmigen Inszenierung in Verbindung mit vielen talentierten jungen Darstellern ist es nicht verwunderlich, dass die besuchte Vorstellung komplett ausverkauft war, auch wenn die Zuschauer derzeit noch im „Schachbrett“ mit entsprechenden Abständen platziert werden. Auch nachdem die Saalbeleuchtung längst wieder eingeschaltet war, wollten die Zuschauer den Saal noch nicht verlassen, sondern forderten mit lautstarkem Applaus einen weiteren Auftritt der Darsteller, den die meisten dann auch nach einigen Minuten spontan folgten. Das dies so nicht geplant war, konnte man gut daran erkennen, dass einige Darsteller zu diesem Zeitpunkt schon in die Umkleide verschwunden waren und hier entsprechend fehlten. Zu sehen ist „Footloose“ noch bis zum 03. Oktober 2021 in Chemnitz, ein Besuch kann hier durchaus empfohlen werden.

Markus Lamers, 21.09.2021
Fotos: © Nasser Hashemi