Chemnitz: „Siegfried“

Premiere 29. September 2018

Besuchte Vorstellung 8. Juni 2019

Was wollte die Regie wirklich zeigen?

Die gravierende Fehlbesetzung der Titelrolle des Siegfrieds im Oster-Ring der Oper Chemnitz war für mich Veranlassung , den „Siegfried“ des Pfingst-Ringes mit dem Sänger-Darsteller der Premierenrunde Daniel Kirch zu besuchen. Außerdem waren noch Unklarheiten geblieben, was die Frau Hartmannshenn dem arglosen Opernbesucher vermitteln wollte, obwohl die in meiner Rezension bereits erwähnten drei Verbrechen von Männerdarstellern an Frauen schon die Richtung der gewünschten Aussage andeutete.

Aber erst die phänomenale schauspielerische Leistung des Daniel Kirch, die seine geringfügigen sängerischen Rest-Defizite vergessen lässt, führt zum Kern der Inszenierung. Mit fünf Männern konfrontiert uns Richard Wagner, die von der Regie charakterisiert werden müssten: Der Riese Fafner ist bereits im Rheingold als Brudermörder ob seiner Habgier denunziert. Der Zwerg Mime schneidet brutal den Siegfried-Fötus aus Sieglinde und lässt sie verbluten, nur um sich ein Werkzeug zu schaffen, das seine körperlichen Defizite kompensieren soll. Sein Bruder Alberich vergewaltigt eine gesichts- und willenslose Nibelungensklavin, um dem Knaben Hagen die angestrebten Machtverhältnisse zu demonstrieren. Der junge Hagen begreift und tritt nach. Warum der Wanderer, also eigentlich ein Gott, wenn auch auf Abruf, den Waldvogel umbringt, erläutert die Inszenierung nicht so richtig. Ist dem Gott ihre Informationsfreudigkeit und ihr Warnen ein Dorn im Restauge geworden?

Bleibt Siegfried: er ist bereits von Wagner am Beginn als kindlich und naiv angelegt. Aber die Spielfreude des Daniel Kirch, wahrscheinlich von der Sabine Hartmannshenn noch angefeuert, stellt ihn uns kindisch bis zu den Schluss-Szenen vor. Er beherrscht die Bühne, ohne dabei auch nur die geringste Entwicklung zu zeigen. In meiner Rezension hatte ich der Regie mangelhafte Personenführung bescheinigt. Das war aber am Ostersamstag der Notwendigkeit geschuldet, dass der musikalische Leiter alle Mühe hatte, den armen Ersatz-Siegfried über den Spätnachmittag zu bringen und ihn deshalb häufiger an die Rampe holte. Kirch hat uns bewiesen, dass seine Spielfreude Mittel zum Zweck war. Siegfried blieb ein Kindskopf bis er in die Fänge der Brünnhilde geriet.

Das Fazit der Inszenierung ist, alle Männer sind Verbrecher oder naive Kindsköpfe, es sei denn sie werden von einer starken Frau gelenkt und geleitet.

Dabei will ich nicht verschweigen, dass ich Frau Hartmannshenn für eine begabte Regisseurin halte. Wie sie die Oper mit diesem einen Bühnenbild, das eigentlich nur im Bereich des Feuerzaubers abgewandelt ist, ausfüllt, ist schon des Bemerkens wert. Einige Szenendetails, wie die Tafelei des Wanderers mit Mime mit dem abrupten Abbruch und die Drachenszene mit der Statisterie zeugen schon von hoher Kreativität.

Gesungen wurde in der Aufführung recht ordentlich. Arnold Bezuyen fand ich besser als am Ostersamstag. Prachtvoll wieder Jukka Rasilainen, Magnus Piontek und vor allen Guibee Yang und Stéphanie Müther. In Ordnung auch der Wanderer von Ralf Lukas und die Erda von Nadine Weismann.

Die Abendleistung des Orchesters zu beurteilen fällt mir schwer, weil ich noch andere Aufführungen im Ohr habe, fand aber, dass Guillermo Garcia Calvo mit den Blechbläsern recht üppig um sich warf und über weite Strecken das Feuer eines Richard Wagner vermissen ließ.

Um es abzuschließen, die Konzeptionen der Damen Hatmannshenn und Stöppler haben mein Frauenbild zumindest beschädigt.

Bilder (c) Nasser_Hashem

Thomas Thielemann 10.6.2019