Vorstellung am 13.05.2019
Riccardo Minasi dirigiert unbekannte und zum Teil unveröffentlichte Arien von Georg Friedrich Händel, u.a. aus «Ezio», «Lotario» und «Il duello amoroso». Zudem erklingt das «Concerto a Quattro», rekonstruiert von Riccardo Minasi.
Natürlich ist es immer schade, wenn eine Sängerin, ein Sänger eine Vorstellung kurzfristig absagen muss. So geschehen gestern Abend im Opernhaus Zürich, als Publikumsliebling Julie Fuchs wegen eines Infekts das Konzert mit dem Orchestra La Scintilla absagen musste. Ganz klar, die Gesundheit der Stimmbänder geht vor. Andererseits bietet eine solche Absage auch die Möglichkeit, auf eine neue Stimme aufmerksam zu werden. Diese Stimme gehört der jungen Polin Aleksandra Kubas-Kruk, die mit dem einspringen gestern Abend ihr für 2020 geplantes Debüt (Fiakermilli in ARABELLA) am Opernhaus Zürich vorgezogen hat. Aleksandra Kubas-Kruk hat aber bereits vielfältige Erfolge vorzuweisen, u.a. als Lakmé an der Oper Bonn, als Violetta in Neapel, in diversen Partien am Bolschoi in Moskau und bei den Händel Festspielen in Karlsruhe. Frau Kubas-Kruk überzeugte gestern mit dem hauseigenen Barockorchester LA SCINTILLA vom ersten Ton an. Eine wunderbar blühende, runde Stimme, herrlich vibratoarm und daher ganz besonders gut geeignet für die schwierigen Arien von Händel, die bisher unveröffentlicht waren und welche der Dirigent (und Geiger) Riccardo Minasi in der Britisch Library aufgespürt hatte. Von daher ist das Verdienst der Einspringerin nicht hoch genug zu würdigen, hat sie diese unbekannten Arien (und ein Duett) doch erst wenige Tage vor dem Konzert erhalten. Frau Kubas-Kruk vermochte den unterschiedlichen Stimmungen dieser Arien wunderbar gerecht zu werden, von fröhlichen Trillerketten, unglaublich rasanten Passagen, exaltierten, mutig attackierten Spitzentönen bis zu nachdenklicher Traurigkeit und einfühlsamen Lamenti. Ebenso grossen Anteil am überwältigenden Erfolg des Abends beim Publikum hatte die Barockspezialistin Romina Basso. Die Mezzosopranistin begeisterte ebenfalls mit unglaublicher Virtuosität, aber auch mit Schalk und unbändiger Gestaltungsfreude in ihren sechs Solo-Arien. Einen veritablen Hit gab es am Ende mit dem einzigen Duett des Abends Si,si, lasciami ingrata aus IL DUELLO AMOROSO. Die beiden Sängerinnen schenkten sich auch mimisch nichts, ein herrliches vokales Duell, das nach dem frenetischen Applaus wiederholt werden musste. Einige Arien waren noch gar nie oder seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr öffentlich erklungen – man kam also in den Genuss von bezaubernden Wiederentdeckungen.
Auch in den drei rein orchestralen Stücken gab es Neues zu entdecken, so die Giga in B-Dur HWV 413, oder das Concerto a quattro in G-Dur HWV 314, das Riccardo Minasi rekonstruiert hatte. Eröffnet wurde der Abend mit dem Allegro HWV 338, welches ursprünglich aus einer Triosonate stammt, doch Minasi hatte davon in Stockholm eine Fassung für Orchester entdeckt und diese nun für das gestrige Konzert mit einer selbst neu geschriebenen Violastimme neu eingerichtet. Die Lebendigkeit und Spritzigkeit, mit welcher das (den ganzen Abend stehende!) ORCHESTRA LA SCINTILLA unter der Leitung des zugleich Violine spielenden Dirigenten Riccardo Minasi musizierte, war von ansteckender Musikalität und Freude am Zusammenspiel geprägt. Ein wunderbar stimmiger und beglückender Abend!
Kaspar Sannemann 17.5.2019