Zürich: „Cecilia Bartoli“

Vorstellung am 10.01.2019

Benefizkonzert für das Internationale Opernstudio

Cecilia Bartoli gehört zu den wenigen Opernsängerinnen, die Kult- und Divenstatus haben und doch ganz nahbar, erdverbunden und natürlich wirken. Seit 30 Jahren, seit ihrem ersten Auftritt als Cherubino in Mozarts LE NOZZE DI FIGARO unter Nikolaus Harnoncourt, verzaubert sie auch das Opernpublikum in Zürich, beglückt und überrascht es mit ihrer Gesangskunst und ihrer Entdeckungsfreude. Neben ihrem Engagement für die Vermittlung der klassischen Musik ist ihr auch die Förderung junger Talente ein grosses Anliegen. So überrascht es nicht, dass sie dieses Festkonzert zu ihrem 30jährigen Bühnenjubiläum in Zürich als Benefizkonzert für das Internationale Opernstudio bestritt.

Es war in vielerlei Beziehung ein aussergewöhnliches Konzert. Cecilia Bartoli blickte mit Szenen aus Opern von Mozart und Rossini auf ihre ganz grossen Erfolge in Zürich (und in der ganzen Welt) auf die vergangenen 30 Jahre zurück, demonstrierte mit zwei Arien aus Vivaldis LA SILVIA und TITO MANLIO und einer Arie aus Händels AMADIGI DI GAULA ihre Lust, unbekannte Werke wieder ins Bewusstsein zu rücken. Diese drei Szenen aus den Vivaldi-Opern und der Händel-Oper wurden geschickt zu einem Block zusammengefasst, Bartoli trat im barocken Männerkleid auf. Unglaublich intensiv dialogisierte sie mit ihrer einzigartig und unverwechselbar timbrierten Stimme mit der Soloflöte (LA SILIVIA), der Oboe (TITO MANLIO), der Trompete und erneut der Oboe (AMADIGI DI GAULA). Die Instrumentalsolisten standen ihr dabei zur Seite, vor dem Orchester und dem Dirigenten, es entstanden spannungsgeladene und witzige Wettstreite zwischen Stimme und Instrument, herrliche Echowirkungen bezauberten das Publikum. Die Bartoli offenbarte dabei natürlich ihre stupende Geläufigkeit, ihr Virtuosität, ihre absolute Präzision in jeder Verzierung. Eine wahre stimmliche Exhibition. Aber immer wieder drangen auch ihr Schalk, ihre pure Freude am Musizieren, am Konzertieren durch, oder ihre fantastischen Piani in den trauerumflorten Momenten. Bei der Bartoli ist wirklich jeder Ton ein Fest, ja geradezu eine Messe (messa di voce …) und Atemprobleme bei den langen Phrasen kennt sie nicht, auch dank ihrer grandiosen Technik, welche auf übertriebene, plakative Forti verzichtet. Herausragend spielten dabei die drei Instrumentalsolisten Maria Goldschmidt (Flöte), Philipp Mahrenholz (Oboe) und Thibaud Robinne (Trompete) – welch ein Zusammenspiel, welch ein aufeinander Hören, welch ungeheure dynamische Spannung! Aussergewöhnlich auch, dass die Sängerin nicht einfach eine Arie nach der anderen abspulte, sondern ganze Szenen spielte. Dabei konnte sie nicht nur ihre immense Spielfreude ausleben, sondern auch Sängerinnen und Sängern aus dem Internationalen Opernstudio prominente Auftritte ermöglichen. Im Ausschnitt aus DON GIOVANNI waren dies Huw Montague Rendall als Masetto und Dean Murphy als Don Giovanni, welche beide eine exzellente Figur machten, stimmlich und darstellerisch. Claudia Blersch hatte den Abend szenisch eingerichtet, mit wenigen Requisiten, wunderschönen Kostümen und herausragender Charakterzeichnung. Das war alles von augenzwinkernder Leichtigkeit in Szene gesetzt. Genauso wie die „Abschiedsszene“ aus COSÌ FAN TUTTE mit dem wunderbaren Terzett Soave sia il vento, in dem Sinéad O’Kelly eine grossartige Dorabella sang, Cecilia Bartoli glänzte als Fiordiligi und Dean Murphy liess als Don Alfonso aufhorchen, mit einer wunderschönen Baritonstimme, mit welcher er bereits vorher als Don Giovanni die Zerlina der Bartoli hinters Sofa gelockt hatte … . Im Duett Fra gli amplessi liess sich die Bartoli von Javier Camarena als Ferrando zur Untreue bewegen. Kein Wunder, denn Camarena (er sprang 2006 aus dem Opernstudio auf der Hauptbühne kurzfristig an der Premiere von L’ITALIANA IN ALGERI an der Seite der Kasarova für einen erkrankten Kollegen ein – und so begann seine Weltkarriere) besitzt ja auch eine verführerische Stimme, deren Zauber man sich schwerlich entziehen kann – Virilität gepaart mit lockender Süsse. Dies demonstrierte er zusammen mit seiner stupenden Höhensicherheit in der Arie des Don Ramiro aus Rossinis LA CENERENTOLA zu Beginn des zweiten Konzertteils. Das Publikum war aus dem Häuschen. Ja, Rossinis Werke bestritten den gesamten zweiten Teil des Abends, wobei man bereits zum Abschluss des ersten Teils mit dem rasenden Duett Rosina-Figaro (Ceeilia Bartoli und Huw Mantague Rendall) aus IL BARBIERE DI SIVIGLIA und der Gewittermusik aus LA CENERENTOLA auf den italienischen Meister eingestimmt worden war. Mit der Canzone del salice und der Preghiera aus dem OTELLO Rossinis demonstrierte die Bartoli ihre Liebe zu den Seria-Opern des Meisters, zeigte ihre einfühlsame, bewegende Ausdrucksstärke, ihre unnachahmliche Art der Gestaltung im Pianobereich. Dunkel, fragil, berührend. An ihrer Seite Sinéad O’Kelly als besorgte Emilia. Das Ende gehörte dann ganz LA CENERENTOLA: Wohl einer der grössten Triumphe der Bartoli am Opernhaus Zürich. Erst eine Szene aus dem ersten Akt mit Don Ramiro (Camarena), Clorinda und Tisbe (Justyna Bluj und Sinéad O’Kelly). Als krönender Abschluss dann natürlich die finale Bravourarie der Cenerentola Nacqui all’affanno: La Bartoli brillierte darin mit ihrer geradezu unheimlichen Stimmakrobatik, endlos scheinenden Trillerketten und einer Gesangsfreude, die geradezu ansteckend wirkte und das Publikum von den Sesseln riss. Standing ovation!

Bei allem Jubel für die gesanglichen Leistungen darf das Orchester nicht vergessen werden. Das hauseigene Barockorchester LA SCINTILLA glänzte unter der spritzigen, vorwärtsdrängenden und rasanten Leitung von Gianluca Capuano mit einer fantastischen Leistung, einer Klangkultur par excellence. Dies äusserte sich in den Begleitungen der Szenen, aber vor allem liessen die Ouvertüren und Zwischenmusiken aufhorchen: Händels Ouvertüre zu GIULIO CESARE IN EGITTO, Mozarts COSÌ FAN TUTTE Ouvertüre, die bereits erwähnte Gewittermusik aus LA CENERENTOLA, die herrlichen Crescendi in der Ouvertüre der CENERENTOLA und die wunderbar schnarrend und federnd interpretierte Ouvertüre zu Rossinis LA SCALA DI SETA.

Selbstverständlich mussten Zugaben her. Mit Cherubinis Voi che sapete aus LE NOZZE DI FIGARO erinnerte Cecilia Bartoli an ihre Zürcher Anfänge (sie singt das immer noch bezaubernd schön) und dass am Ende eines solchen Abends das champagnerselige Libiamo ne‘ lieti calici aus Verdis LA TRAVIATA stehen muss, ist wohl unvermeidlich. Und so ganz im Geheimen – ich könnte mir die Bartoli durchaus als Violetta vorstellen …

Cecilia Bartoli debütierte in der Saison 1988/89 am Opernhaus Zürich und ist seither dem Haus eng verbunden, beging hier in Zürich viele Rollendebüts und setzte sich immer wieder für Raritäten des erweiterten Repertoires ein, so z.B. Paisiellos NINA, Halévys CLARI oder Rossinis OTELLO undLE COMTE ORY. Sie sang hier auch in allen Da Ponte Opern Mozarts: Susanna und Cherubino in LE NOZZE DI FIGARO, Zerlina und Donna Elvira in DON GIOVANNI und Fiordiligi in COSÌ FAN TUTTE. Von Rossini bleiben die Rosina im BARBIERE DI SIVIGLIA und die Angelina in LA CENERENTOLA unvergessen. Verblüfft hat auch ihre Norma in Bellinis gleichnamiger Oper, mit der sie mit der Salzburger Produktion in Zürich gastierte. Grosse Triumphe feierte sie in Händel-Opern: ALCINA, IL TRIONFO DEL TEMPO E DEL DISINGANNO, GIULIO CESARE und SEMELE (diese erfolgreiche Produktion wird anlässlich ihres 30jährigen Bühnenjubiläums nun am 31. Dezember 2018 wieder aufgenommen, vier weitere Vorstellungen folgen im Januar.

Cecilia Bartoli ist seit 2012 Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele.

Kaspar Sannemann 13.Januar 2019

Bild (c) Andrin Fretz