Zürich: „Tosca“, Giacomo Puccini

Premiere dieser Inszenierung war 2009, Zürich reihte sich damit in die Stationen Antwerpen, Barcelona und Hamburg ein, welche alle diese Produktion von Puccinis „Tosca“ durch den Regisseur Robert Carsen auf ihren Spielplan gesetzt hatten. Es ist dies eine der unnötigen „Theater auf dem Theater“ – Inszenierungen, die weder die Wirkung dieses Opernthrillers zu intensivieren vermögen, noch zur psychischen Durchdringung der Protagonisten Entscheidendes beitragen. Das im Geiste des Verismo konzipierte Stück braucht keine szenischen Umwege über „Theater auf dem Theater“ um zu fesseln, im Gegenteil! Aber da die Personenführung nicht allzu komplex gehalten ist, bietet die Produktion die Möglichkeit, sie lange und in wechselnden Besetzungen im Repertoire zu halten.

(c) Toni Suter

Die Wiederaufnahme in dieser Saison allerdings wartet mit einer wahrhaftigen Luxusbesetzung der drei Hauptpartien auf, mit Rollenvertretern, die gegenwärtig zu den bedeutendsten weltweit gehören dürften. Sondra Radvanovsky in der Titelpartie überwältigt mit ihrem raumfüllenden Sopran, einem hoch interessanten, leicht gaumig-dunklem Timbre und einer herausragenden Darstellungskraft für die emotionale Achterbahn der Gefühle, welche die Diva innerhalb eines Tages durchleben muss. Sondra Radvanovsky wird all diesen emotionalen Seelenzuständen voll gerecht: Sie ist die kokett Eifersüchtige, die verzweifelt Liebende, die Erpressbare, die naiv auf die Verprechungen Scarpias Hereinfallende, wird zur Mörderin, schöpft wieder Hoffnung auf die Zukunft und springt am Ende entschlossen in den Tod. Mit grosser Emphase geht sie das zentrale Gebet „Vissi d’arte“ an und beglückt dabei mit wunderschön auf den Atem gelegten Phrasen. Als Cavaradossi durfte man in der von mir besuchten Vorstellung Yusif Eyvazov erleben. Eyvazov hatte einen ganz starken Abend. Nur zu Beginn schimmerte kurz sein manchmal etwas quäkendes Timbre in der Mittellage auf, doch überstrahlte seine bombensichere und durchschlagskräftige Höhe jegliche Einwände. Er verstand es auf einnehmende Art und Weise, subtile farbliche Schattierungen einzubauen, zeichnete so differenziert sowohl den aufmüpfigen Anhänger des freiheitlichen Gedankenguts von Voltaire als auch den etwas machohaften Latin Lover. Sein Seufzer nach Toscas Abgang in der Eifersuchtsszene in der Kirche war umwerfend.

(c) Toni Suter

Star des Abends war für mich jedoch Sir Bryn Terfel als Polizeichef Scarpia. Sein rabenschwarzer Bassbariton war an diesem Abend in grandioser Verfassung! Seine an Jago angelehnte Selbstanalyse erregte Gänsehaut, sowohl vor dem überwältigenden Te Deum im ersten als auch zu Beginn des zweiten Aktes. Die ruchlose Brutalität, mit der er seine Folterknechte instruierte, als auch die hinterlistige Art, wie er Tosca zum Verrat des Verstecks Angelottis leitete, waren der absolute Hammer! Eine Interpretation, die man sich spannungsgeladener kaum vorstellen kann.

Gianandrea Noseda am Pult der Philharmonia Zürich kostete die Feinheiten der Partitur aufs Allerschönste aus, denn gerade in Tosca arbeitete Puccini mit vielen vorausblickenden, nachhallenden und untermalenden Erinnerungs- und Ankündigungsmotiven, kleingliedrigen Verästelungen, welche Noseda und das Orchester mit famoser Intensität und Transparenz zum Erklingen und zum Leuchten brachten.

Mehr als nur adäquat besetzt waren die wenigen, aber wichtigen Nebenfiguren: Der Hirte von Claire Schurter, der Engelsburg-Flüchtling Angelotti von Brent Michael Smith, der Sciarrone von Aksel Daveyan, der Kerkermeister von Benjamin Molonfalean. Ausgezeichnet gestalteten Valeriy Murgu den Mesner und Martin Zysset den unterwürfig speichelleckenden Schergen Spoletta.

Letzte Vorstellung morgen Mittwoch, lohnt sich trotz der nicht gerade inspirierten Inszenierung.

Kaspar Sannemann, 3. Januar 2023


„Tosca“ Giacomo Puccini

Opernhaus Zürich

Premiere am 29. März 2009 / besuchte Vorstellung am 1. Januar 2023

Inszenierung: Robert Carsen 

Musikalische Leitung: Gianandrea Noseda

Philharmonia Zürich