Dresden: Staatskapelle Dresden besteht seit 472 Jahren

22. September 2020

Konzertsaal des Kulturpalastes Dresden

Von der kurfürstlichen Hofkapelle zur Sächsischen Staatskapelle Dresden

Am 22. September feierten die Musiker und Freunde der Sächsischen Staatskapelle Dresden im Kulturpalast der Stadt den 472. Geburtstag des Klangkörpers.

Eigentlich könnte die Kapelle auf ein längeres Bestehen blicken, wenn nicht die konfessionellen Auseinandersetzungen eine Unterbrechung der frühen Musikkultur im sächsischen Raum zur Folge gehabt hätten. Der später erste Kapellmeister der heutigen Staatskapelle Johann Walter (1496-1570), ein Freund Martin Luthers, war bereits 1524 als Bassist und kurze Zeit später als Componist einer kurfürstlichen Hofkapelle des Johann Friedrich I. von Sachsen nachweislich tätig gewesen. Der Kurfürst und Herzog aus dem Hause der ernestinischen Wettiner, auch Friedrich der Großmütige genannt, residierte in Torgau auf dem Schloss Hartenfels, dem damaligen politischen Zentrum der Reformation. Johann Walter, der nach der Herkunft seiner Mutter auch als der Blankenmüller bekannt war, wurde der Herausgeber des ersten evangelischen Chorgesangsbuches.

Eine wegen des Rüstungs-Finanzbebarfs 1526 angestrebte Auflösung der Capelle konnte durch eine Intervention Philipp Melanchtons (1497-1560) zunächst verhindert werden. Als die Hofkapelle dann trotz Gehaltsabsenkung der Musiker 1530 doch aufgelöst werden musste, wollte die Torgauer Bürgerschaft nicht auf die ihnen liebgewordene Kirchenmusik verzichten. Sie vereinte Johann Walter und einige der Musiker zur „Cantoreigesellschaft“ und stellte neben der Besoldung auch Sänger zur Verfügung. Martin Luther war über die Auflösung der Hofkapelle sehr aufgebracht und erreichte noch mit einem groben Brief, dass der Kurfürst der bürgerlichen Gesellschaft zumindest einen jährlichen Zuschuss von 100 Gulden zusagte.

In der Folge der Niederlage des Schmalkaldener Bundes 1547 verloren die Ernestiner die Herrschaft und Kurfürst wurde Moritz von Sachsen (1521-1553) aus dem Hause der anhaltinischen Wettiner.

Als Moritz die Hochzeit seines Bruders August mit einer dänischen Prinzessin auszurüsten hatte, entschloss er sich zur Gründung einer eigenen Kapelle, die zunächst bei den Hochzeitsfeierlichkeiten wirken sollte. Die Stiftungsurkunde unterzeichnete Moritz am 22. September 1548, dem Tag, der als Geburtstag der ohne Unterbrechungen existierenden sächsischen Kapelle gilt.

Die neugegründete „Capelle“ musizierte erstmals am 8. Oktober 1548 unter „Johann Walters Direction“ in Torgau, siedelte dann mit dem kurfürstlichen Hofe als dessen Hofkapelle nach Dresden.

Über lange Zeit wurden die Erinnerungskonzerte an die Gründung genutzt, um an frühere komponierende kurfürstliche und staatliche Kapellmeister und Musiker mit der Wiedererweckung ihrer Werke zu erinnern. Das waren zum Teil recht interessante und des Hörens werten Begegnungen.

In den letzten Jahren wird der Termin des Geburtstagskonzertes aber verwendet, um auch den heimischen Freunden der Staatskapelle das Programm der in jedem Jahr anstehenden Europa-Tournee vorzustellen. Dabei macht es Sinn, das Konzert nicht im Semperbau mit seinen spezifischen Bedingungen zu spielen sondern stattdessen den Konzertsaal des Kulturpalastes mit seinen breiteren Möglichkeiten zu nutzen.

Geplant war eine Tournee des Orchesters mit dem Ersten Gastdirigenten Myung-Whun Chung und dem Capell-Virtuosen Sir András Schiff mit Konzerten in Antwerpen, Luxemburg, Brüssel, Wien und Bratislava. Corona-bedingt wurde aber ein Konzert nach dem anderen abgesagt, so dass letztlich nur ein zusätzlich in die Planung einbezogenes Gastkonzert in Köln stattfinden wird.

Sein Konzert für Klavier und Orchester Nr.1, d-Moll, komponierte der junge Johannes Brahms (1833-1897) zunächst für zwei Klaviere. Jahre später, 1854 begann er die Sonate für Orchester zu instrumentieren. Zunächst als Symphonie angestrebt, entstand nach zähem Ringen und unzähligen Änderungen in den Jahren bis 1859 der Koloss des ersten Klavierkonzertes.

Auf dem Podium waren um den Dirigenten Myung-Whun Chung, den Pianisten und einem Konzertflügel der Dresdner Philharmonie herum, natürlich mit dem vorgeschriebenen Zwischenraum, auf dem restlichen Teil der 220m²-Bühne etwa 6o Musiker der Staatskapelle in den gebührenden Abständen platziert. Jeder der Musiker hatte sein eigenes Notenpult.

András Schiff meisterte die hohen technischen Anforderungen ohne dabei als Virtuose glänzen zu können, aber mit der gewohnten Souveränität.

Während man das Klavier hörte, wie man es bei Brahms von vielen früheren Aufführungen gewohnt war, unterschied sich der Orchesterklang doch deutlich vom Vertrauten. Der Orchesterpart hörte sich weicher, zum Teil leicht zerfasert und vor allem etwas stumpf an. Es war zu spüren, dass den Musikern der unmittelbare Kontakt zu den Partnern fehlte, jeder bis zu einem gewissen Grade vor sich hin spielte und sich damit die Klänge nicht wie gewohnt mischten.

Über weite Strecken tauschten Solist und Orchester die Führungsrolle, indem Schiff das Orchester begleitete.

Weniger problematisch erschien mir die anschließende Darbietung der 7. Symphonie d-Moll von Antonin Dvořák (1841-1904). Auch hier kam der Klang weicher als vertraut, doch etwas geschlossener, wenn auch nicht kompakt. Musiziert wurde gewohnt präzise, aber es fehlte eben das Mischen der Töne. Ich hatte den Eindruck, dass die Aufgabe des Dirigenten an Bedeutung gewonnen hat. Und da das Orchester mit seinem Ersten Gastdirigenten Myung-Whun Chung bestens vertraut ist, haben die Partner offenbar das Mögliche geboten.

Der traditionenell dem jährlichen Geburtstagskonzert folgende Empfang der „Gesellschaft der Freunde der Staatskapelle Dresden“ für die Musiker ihres Orchesters wurde in diesem Jahr zum Corona-Opfer.

Thomas Thielemann, 25.9.2020

Autor der Bilder: Matthias Creutziger