Bayreuth: Festival „Ahnen“

Uni Bayreuth: Campus und FIMT, 28.6.2018

Ahnen – so heißt ein kleines Festival, das an dreierlei erinnert: an den Ahnensaal im Schloss Thurnau, also den Veranstaltungsraum des Forschungsinstituts für Musiktheater, an die Ahnen an sich, an die sich manch Student vielleicht gelegentlich erinnern könnte, und an das Verbum „ahnen“. Immerhin fanden die Abendveranstaltung am Samstag und das Abschlusskonzert am Sonntag im Saal statt, zu dem man vom Campus aus buchstäblich pilgerte – denn nach der Aufführung der Eröffnungsshow ging es auf Schusters Rappen in die Fränkische, wo abends der ganze „Lohengrin“ an einem pillenförmigen Abend gebracht wurde.

Worum aber geht’s? Der Pressetext verkündet es: „Studierende des Masterstudiengangs ‚Musik und Performance‘ präsentieren die Ergebnisse einer zwei Semester übergreifenden Recherche in Theorie und Praxis im Rahmen eines Seminars. Erforscht und künstlerisch präsentiert werden u. a. die Musicaltauglichkeit der Tagesschau, die Essenz von Wagner, die Möglichkeit des musikalischen Pilgerns in Oberfranken, interkulturelle Bezüge zwischen Europa und China sowie die Theatralität der Da-capo-Form …“ Wie es um die Musicaltauglichkeit der Tagesschau bestellt ist, erfährt man schon vor 12 Uhr mittags. „A Newstime Musical“ findet 20 Minuten kurz im Theaterraum am Campus statt, wo vor einem Glitzervorhang ein Klavier steht. „Chicago“, „Elisabeth“, „Aida“, „Les Miserables“, so heißen die Werke, auf die das Team unter dem Masterstudenten Sebastian Krauss die kompilierten Tagesschautexte singt, aber alles klingt irgendwie gleich. Kein Wunder: auch die täglichen Nachrichten bringen ja, mit Nietzsche zu sprechen, im Medium verschiedenster „News“ fast immer nur das Gleiche. „Wie passen Nachrichten und Musical zusammen? Musicals als ernste Nachrichtenmeldungen oder eine Nachrichtenshow als Musical? Was passiert, wenn man diese gegensätzlichen Genres kombiniert?“, fragt der Waschzettel des Programms. Die Antwort ist einfach: eher wenig, auch wenn die Idee, dass der Opener über die notorischen Krankmeldungen „wegen zu viel Stress, was vielleicht auch n‘ bisschen zum Studium passt“, von reizvoller Bizarrerie ist. So tanzen sich zwei Showgirls im Stil der 40er (weiße Fräcke und Zylinder, Strumpfhosen, Stöcke) durch die Nummern, was als V-Effekt größere Wirkung machen würde, wenn man in der 4. Reihe die deutschen und englischen Texte besser verstünde. Immerhin kapiert man – „Es folgt der Wetterbericht“ – den beckmesserhaften Witz der extremen Falschbetonung von bedeutenden Worten wie „Sonne“.

Ein Kerl wird von der ersten Reihe auf die Bühne gezerrt und von den beiden Damen durchgewalkt; das hat, ja, nicht wegen, sondern trotz allzu starker Erinnerung an einschlägige Zuschauershows im Zeitalter der Me-to-Debatte und angesichts der Tatsache, dass sich gerade ein extrem voluminöses, kiloschweres Modemagazin dem Thema „Amazonen“ gewidmet hat, das gewisse Etwas. Und wenn der vorgebliche Tagesschausprecher, der natürlich nur eine Kunstfigur ist, so etwas wie englische Lyrikprosa verkündet, denkt man fast an den guten alten Dadaismus von anno Damals. „Ich gehöre nur mir“, sagt der Mann im Jacket. Die Studentinnen in der ersten Reihe lachen kurz auf; das muss ein Insiderwitz sein. Man ahnt, dass da noch mehr an Sinn versteckt sein könnte, als in diesem akustisch und gestisch vorsichtigen Programm hör- und sichtbar war. Kein Wunder, dass keine einzige der Shownummern Applaus bekommt. Also: Mehr Mut zur Anarchie, liebe Studenten. Dann wird aus der übersichtlichen Form auch eine packende Performance.