Juan Diego als Publikumsliebling!
Ja, das ist der peruanische Ausnahme-Tenor des Belcanto ganz sicher, und das Große Festspielhaus stand praktisch Kopf, als er mit dem langen Reigen seiner Zugaben begann, die dem eigentlichen Konzert noch einmal eine halbe Stunde anschlossen. Es ging gleich los mit der Gitarre, auf der Flórez zunächst einen Tango von Carlos Gardel und dann auch Mariachis und anderes erklingen ließ, bis er über die halsbrecherische Arie des Tonio mit ihren neun hohen Cs aus „La fille du régiment“, die er makellos ansetzte und zum Klingen brachte, sogar noch mit dem „Nessun dorma“ (obwohl der Calaf gar nicht sein Fach ist) einen absoluten Hit mit äußerst lang gehaltenem H als wirklich endgültigen und glanzvollen Schlusspunkt seines Abends setzte – das Publikum war aus dem Häuschen!
Im Konzert selbst bewegte sich Flórez auf „ungewöhnlichen Pfaden durch das 19. Jahrhundert“, wie Gavin Plumley im Programmzettel schreibt, aber auf durchaus attraktiven und musikalisch wie sängerisch auch anspruchsvollen. Es geht los mit den Beethoven-Liedern „Adelaide“, „Der Kuss“ und „Sad and luckless was the season“ aus 20 „Irische Lieder“, die er akzentuiert und mit guter Diktion vorträgt. Dann folgen „Zueignung“, sehr engagiert, „Heimliche Aufforderung“ und „Cäcilie“ von Richard Strauss, die er mit einiger Emphase und seinem schlanken wohlklingenden Tenor ausdrucksstark interpretiert. Vincenzo Bellini, d e r Belcanto-Papst, folgt mit der Arietta „Ma rendi pur contento“ aus „Sei ariette da camera“ sowie der Cavatina und Cabaletta des Pollione „Me protegge, me difende“ aus „Norma“, wo Flórez schon langsam zur bekannten Opernform aufläuft. Von Giuseppe Verdi folgt eine beherzte Interpretation der Cavatina und Cabaletta des Jacopo „Odio solo“ aus „I due Foscari“. Von Édouard Lalo singt er sodann die Arie des Mylio „Vainement, ma bien-aimée“ aus der selten gespielten Oper „Le Roi D’Ys“.
Vincenzo Scalera, der Flórez am Flügel begleitet, kann die große Qualität seiner Kunst ebenfalls eindrucksvoll unter Beweis stellen und bekommt den entsprechenden Applaus vom aufmerksamen Publikum. Zunächst spielt er das Venezianische Gondellied fis-Moll für Klavier solo aus „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, bei dem man sich die sanft im Canale Grande dümpelnden Gondeln musikalisch vorstellen kann. Es folgen die Arietta „Almen se non poss’io“ aus „Sei ariette da camera“ von Vincenzo Bellini in einer Bearbeitung für Klavier solo von Carl Czerny und die Romanza senza parole F-Dur für Klavier solo – „Il cielo d’Italia“ von Giuseppe Verdi, bevor er mit der innig gespielten Méditation aus der Oper „Thais“ von Jules Massenet in der Bearbeitung für Klavier solo glänzt.
Und dann ging es doch noch in das klassischere Repertoire der Opernarien. Zuerst singt Flórez die Arie des Chevalier Des Grieux „Ah, fuyez, douce image“ aus „Manon“ von Jules Massenet mit viel stimmlicher Couleur und Ausdruck und danach – als vorläufigen Abschluss des Konzerts – die Arie des Rodolfo „Che gelida manina“ aus „La bohème“ von Giacomo Puccini. Ein geschickt gewählter Schlusspunkt, denn mit seiner Art und Weise, sich emotional ganz in die Rolle des mittellosen Dichters hineinzuversetzen, erzielte er natürlich beim Publikum die Begeisterung und den Wunsch, den dann beginnenden Zugabe-Reigen mit seiner Gitarre zu starten. Da kam dann der Tango „El día que me quieras“ und „Cielito Lindo“, schließlich auch noch „Ay ay ay ay“, wobei er das Publikum zum Mitsingen animiert, ebenso für die Choreinlage bei „Nessun dorma“… Ein in der Tat noch lange nachklingender Auftritt von Juan Diego Flórez bei den Salzburger Festspielen 2020!
Klaus Billand, 3.9.2020
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