01.03.2018, Premiere in Hof 22.12.2017
Heiterer Klamauk mit gewöhnungsbedürftiger Rahmenhandlung
Nun kann man trefflich darüber fabulieren, ob die „Grossherzogin“ eine Opéra-bouffe von Jaques Offenbach ist, oder eine Operette. Viele empfinden Offenbach als Vater der Operette, mir ist das ganze völlig egal, hier ist eine Operette mit gesellschaftskritischen Ansätzen, die eines will und zwar unterhalten – und das tut sie in jedem Fall. Und was will man eigentlich mehr.
Der Regisseur Ansgar Weigner will das Ganze in einen moderneren Rahmen setzen, erfindet eine Rahmenhandlung mit der kleinen Antonia, deren Mutter verstorben ist und die mit der neuen Lebensgefährtin des Vaters nicht zurechtkommt. Kann man machen, muss man und sollte man jedoch nicht tun. Diese Geschichte bringt keinerlei Erleuchtung, modernisiert das Ganze auch nicht, verwirrt nur, also was soll´s.
Ich versuche die Handlung in wenige Worte zu fassen, was nicht ganz einfach ist. Die Grossherzogin von Gerolstein ist den Männern recht zugetan und in dieser Hinsicht auch nicht sonderlich wählerisch. Gefallen muss er ihr halt und dann ist schon mehr oder weniger alles in Ordnung. Prinz Paul, den man der Grossherzogin vom Hof vermitteln möchte, vornedran Baron Puck, der Hofmeister der Grossherzogin, wird von ihr nicht sonderlich geliebt, im Gegenteil, mit ihm kann sie eigentlich so gar nichts anfangen. Der Rekrut Fritz ist da schon eher jemand, der ihr gefallen kann. Im Schnellzugtempo wird er befördert, zum Hauptmann, zum Oberst und schließlich zum General und der wutschnaubende General Bumm muss sogar seinen gewaltigen Federbusch hergeben, der ihn als Heerführer auszeichnet. General Bumm ist auch in die Freundin von Fritz Wanda verliebt. Fritz zieht mit Federbusch in den Kampf und was soll man sagen, er kehrt siegreich zurück. Das reizt die Großherzogin noch mehr, aber Fritz hat nur Augen für seine Wanda. Die Großherzogin schäumt vor Wut und Rache, so verschmäht wurde sie noch nie und tritt dem Mordkomplott gegen Fritz bei. Nun erscheint Baron Grog, auf den die Herzogin sofort ihr Auge wirft, rät ihr zur Heirat mit Prinz Paul und will ihr dann in allen Bereichen zur Verfügung stehen. Fritz wird, nachdem er erst einmal verprügelt wurde, flugs wieder degradiert, er tritt aus dem Militär aus um mit Wanda leben zu können. Die Grossherzogin ist nun beim ungeliebten Prinzen Paul, denn der von ihr verehrte Baron Grog hat Weib und Kind. Eigentlich ist am Schluss nur General Bumm zufrieden, denn er wird mit Federbusch wieder zum Heerführer eingesetzt.
Minseok Kim-Fritz, Stefanie Rhaue-Grossherzogin
Was an diesem Nachmittag auffällt ist die Tatsache, dass sich das Publikum scheinbar nur sehr wenig von dem Geschehen auf der Bühne beeindrucken lässt. Zur Pause gibt es einen so schwachen Applaus, wie ich ihn die letzten Jahre in Schweinfurt noch nicht gehört habe und Zwischenapplaus nach den einzelnen Arien und Ensembles, wie man ihn eigentlich immer gewohnt ist, reine Fehlanzeige. Das Publikum lässt die Operette fast teilnahmslos an sich vorüberziehen, da mögen sich die Akteure auf der Bühne noch so sehr anstrengen. Ein solch desinteressiertes Publikum hat die Grossherzogin wahrlich nicht verdient. Gut, es gibt keine Operettenreißer, es gibt auch keine herausragenden Darsteller und Sänger, aber so leblos kann ich mich nicht erinnern, ein Publikum hier jemals erlebt zu haben. Auch der Schlussapplaus ist höflich und mehr als kurz. Vielleicht ist Offenbach auch hier in Schweinfurt nicht unbedingt der Renner, Operettenschmachter gibt es praktisch keine und die Textverständlichkeit lässt auch ein bisschen zu wünschen übrig. Trotzdem ist die Publikumsreaktion für mich nicht nachvollziehbar, denn das Ensemble hat sich bemüht, alles spritzig über die Rampe gebracht, farbenprächtige Kostüme, nette Inszenierung – alles hat nichts genutzt an diesem trüben Nachmittag in Schweinfurt.
Über die Inszenierung habe ich ja schon einiges gesagt, Ansgar Weigner hat die Figuren der Handlung bewusst sehr überzeichnet, er hat sie teilweise zu Karikaturen von sich selbst gemacht und die Kostüme von Kristopher Kempf passen sich dem nahtlos an. Grell, bunt, überzeichnet und dadurch einprägsam und nachvollziehbar. Mir gefällt dieser Stil recht gut und auch die Bühne ist dementsprechend aufgebaut. Der bewusst märchenhafte überzogene Charakter kommt gut zum Ausdruck. Auch der Chor trägt seinen Teil zum Gelingen bei, die Einstudierung ist durch Claudio Novati erfolgt.
Rainer Mesecke-General Bumm, Thilo Andersson-Prinz Paul, Karsten Jesgarz-Baron Puck
Die musikalische Leitung hat an diesem Nachmittag Walter E. Gugerbauer im nicht ganz ausverkauften Theater in Schweinfurt und auch das erlebt man recht selten, sonst ist bei Operettenaufführungen kein Sitz unbesetzt. Er hat sein Orchester gut im Griff und lässt es überwiegend schwungvoll agieren, nimmt es sängerdienlich zurück, um die Gesangsleistungen nicht zu übertönen und ist voller Elan dabei, wobei ihm seine Musiker willig folgen. Eine Leistung ohne jegliche Einwendungen. Das Stück wurde ein bisschen gekürzt, kommt auf gut 2 ½ Stunden, doch das ist ausreichend, vor allem bei dem praktisch nicht mitgehenden Publikum. Trotz aller musikalischen Leidenschaft zeigt der Dirigent und sein Orchester, dass sie auch zu feinem differenziertem Spiel fähig sind und können damit entsprechend beeindrucken.
Karsten Jesgarz-Baron Puck, Rainer Mesecke-General Bumm, Stefanie Rhaue-Grossherzogin, Minseok Kim-Fritz, Laura Louisa Lietzmann-Wanda
Die Solisten geben alle ihr Bestes, man merkt ihnen richtig an, wie sehr sie sich in die einzelnen Charaktere hineinversetzen. Umso frustrierender muss das Desinteresse des Publikums gerade auf sie wirken, die alles geben und dafür nur schwach belohnt werden. An der Spitze muss natürlich die in Kitzingen geborene Mezzosopranistin und seit mittlerweile 15 Jahre in Hof engagierte Stefanie Rhaue genannt werden. Sie kostet die Partie der leicht sexbesessenen Grossfürstin in allen Facetten und Nuancen aus. Leidenschaftlich und kraftvoll und mit vollem schauspielerischen Einsatz geht sie in der Rolle auf und man merkt ihr auch richtig den Spaß daran an. Ihr fescher Soldat Fritz, der in halsbrecherischer Schnelligkeit befördert und wieder degradiert wird ist der blutjunge aus Busan in Südkorea stammende Tenor Minseok Kim. Darstellerisch und vom Auftreten her macht er eine exzellente Figur. Sein weicher warmer und stimmschöner Tenor lässt aufhorchen, obwohl mir ein wenig das Feuer, die Leidenschaft fehlt. Diesem gebremsten Schaum ist sicherlich auf der einen Seite seine Jugend gezollt, er ist gerade einmal 28 Jahre alt, zum anderen aber sicher auch der Leidenschaftslosigkeit des Publikums, die ihn keine Unterstützung angedeihen lässt. Es wird spannend sein, seine Entwicklung mit verfolgen zu können. Seine Wanda, die er um keinen Preis hergibt, wird von Laura Louisa Lietzmann verkörpert. Auch sie sicherlich stimmlich noch ausbaufähig, kann jedoch mit klangschönem und gefühlvollem Sopran überzeugen. Sie bringt ihre Rolle auch jeden Fall erfrischend auf die Bühne und weiß wohl zu gefallen. Ein weiteres Hofer Urgestein, der aus Frankfurt am Main stammende Tenor Thilo Andersson, der inzwischen über 17 Jahre Ensemblemitglied in Hof ist, gibt seinem Pferd richtig Zucker. Sein Prinz Paul ist witzig, immer präsent und schauspielerisch über dem Durchschnitt angelegt. Er zeigt, wie man Offenbach auf die Bühne bringen muss. Aus dem brandenburgischen Prenzlau stammt der Bassist Rainer Mesecke, der mit Leidenschaft und stimmlicher Durchschlagsfähigkeit den General Bumm auf die Bühne bringt, überzogen, aber immer präsent. Es macht richtig Spaß ihm zuzuhören und zuzuschauen. Karsten Jesgarz, auch ein Hofer Urgestein, der mittlerweile 23 Jahr in Hof spielt und singt und aus Homberg, einer Kleinstadt in Südhessen stammt, weiß als überdicker und überaufgeblasener Baron Puck zu überzeugen und sogar für ein paar zaghafte Lacher aus dem Publikum zu sorgen. Als Baron Grog fügt sich der aus Dortmund stammende Bariton James Tolkdorf nahtlos in das gute Ensemble ein. Mit kräftigem durchschlagskräftigem Organ und einer sehr guten darstellerischen Präsenz weiß er in der kleinen Rolle Zeichen zu setzen. Im weiteren Ensemble ist kein Ausfall zu verzeichnen.
Insgesamt gesehen ein gelungener Nachmittag, der viele nette Einfälle und eine leidenschaftliche Darstellung brachte. Leider wurde dieser Einsatz vom Publikum, welches wohl mehr seinen Strauss und seinen Lehár liebt, nicht entsprechend gewürdigt. Das ist etwas schade, denn mehr Zuspruch hätte sich das engagierte Team auf jeden Fall mehr als verdient gehabt.
Manfred Drescher, 14.03.2018
Fotos Harald Dietz Fotografie, Hof