Aufführung im Theater der Stadt Schweinfurt 10.01.2018 (Tourneebeginn im Herbst 2017)
Schwung und Feuer zum Jahresauftakt in Schweinfurt
Die Operettenbühne Wien unter Heinz Hellberg gastiert mit der spritzigen Erfolgsoperette „Gräfin Mariza“ in zwei ausverkauften Vorstellungen in Schweinfurt
Irgendwie gehört die Operettenbühne Wien nach Schweinfurt, gastiert die Truppe um Heinz Hellberg doch seit vielen Jahren und großem Erfolg am hiesigen Theater. Zweiundzwanzig Jahre lang besteht die Operettenbühne Wien und es ist Gott sei Dank kein Ende abzusehen. Die Operette wird auch weiterhin leben und sein treues Publikum haben, wenn es so in Szene gesetzt wird wie von Heinz Hellberg. Er macht keine Experimente, er will sich nicht selbst verwirklichen, stellt sein Ego nicht über die Musik, sondern er will die Operette den Menschen so herüberbringen, wie sie komponiert wurde und wie sie gedacht ist. Schnörkellos, mitreißend, verspielt und gleichzeitig ernsthaft. Das Publikum merkt, dass hier die Operette mit Leidenschaft gepflegt wird und dass ihr der Stellenwert eingeräumt wird, den sie verdient. Einige jugendliche Operettenfreunde verirren sich im ausverkauften Rund und es ist schade, dass es nicht mehr sind. Es liegt sicher auch daran, dass die Operette in unseren Fernseh- und Rundfunkanstalten praktisch nicht mehr vorkommt. Redakteure, denen diese Musikform nichts sagt, vergessen, dass sie einen Auftrag haben, den Auftrag alle Facetten der musikalischen Unterhaltung dem Publikum nahe zu bringen. Ich vermisse seit Jahren den Aufschrei der Operettenfreunde (aber auch der Opernfreunde), die mit Leserbriefen, Anschreiben, Kommentaren die Musikredaktionen bombardieren, endlich dafür zu sorgen, dass diese Kunstform, die so vielen Menschen Freude Vergnügen und Spaß bringt, nicht verschwindet. Die schon so oft totgesagte Operette lebt nämlich – und wie – und vor allem, wenn sie so dargeboten wird wie von der Operettenbühne Wien und seinem rührigen Chef Prof. Heinz Hellberg, der auch diesmal wieder die Regie führt und für die Bühnenfassung verantwortlich ist.
Ella Tyran-Stefan Reichmann
Die Geschichte des verarmten Grafen Tassilo, der all seine Güter verkauft und sich als Gutsverwalter verdingt, um seiner geliebten Schwester eine standesgemäße Aussteuer zu ermöglichen ist hinreichend bekannt. Er verliebt sich in die Gutsherrin, Gräfin Mariza und seine Schwester Lisa in den Baron Koloman Zsupan, der als Verlobter, den es gar nicht gibt, von Mariza präsentiert wird um Ruhe vor ihren Verehrern zu haben. Wie in einer guten Operette üblich finden sich nach etlichen Verwirrungen die Paare und Graf Tassilo, dessen Tante seine Güter zurückgekauft hat, bekommt seine geliebte Mariza, Baron Koloman Zsupan schließt Lisa, die Schwester des Grafen in seine Arme, Fürst Moriz Dragomir Popelescu kommt wieder mit Fürstin Bozena Cuddenstein zu Chlumetz zusammen und alle sind glücklich und zufrieden. Und dies alles wird dargeboten mit einer mitreißenden Musik, mit wunderbaren Arien und klangvollen Duetten, die direkt das Herz des Publikums findet. Eines Publikums, welches sich für ein paar wenige Stunden verzaubern lässt, das seine Alltagssorgen vergessen kann und einfach nur abschalten und genießen darf. Viele fröhliche und beschwingte Gesichter nach dem Ende der Aufführung, und das ist etwas, was den normalen tristen Alltag versüßt und verschönt. Und auch das ist einer der Gründe, warum die Operette weiterleben muss und wird.
Das Orchester der Operettenbühne Wien wird von Lazlo Gyüker, einem ausgewiesenen Kenner der Materie, mit straffer und gleichzeitig leichter Hand geleitet. Man merkt ihm richtig die Freude an, wenn er mit Feuer und Leidenschaft die orchestralen Wogen über die Zuschauer zusammenschlagen lässt, diese Klangwogen aber sofort sängerdienlich wieder zurücknimmt, wenn die Solisten auf der Bühne etwas Unterstützung brauchen. Er bringt die wunderschöne Musik Emmerich Kálmáns zum Glühen und zum Glänzen, er leitet sein Orchester über alle Klippen hinweg und man hat den Eindruck, dass er eins wird mit seinen Musikern. So und nicht anders muss Operette aufgeführt werden. Ein Bühnenbild, stimmig und den begrenzten Möglichkeiten eines Tourneetheaters mehr als angepasst, wird von Adrian Boboc eindrucksvoll auf die Bretter der Bühne gebracht. Man muss immer berücksichtigen, welche großen Einschränkungen bei Gastspielen von vornherein gegeben sind. Dafür eine tolle Arbeit. Ebenso eine tolle Arbeit von Lucya Kerschbauer, die für die Kostüme zuständig ist und hier ein paar prächtige und schöne Hingucker präsentiert – farbenfroh und stimmig. Auch der Chor und das Ballett der Operettenbühne Wien können voll überzeugen, die Choreographie hat Enrico Juriano ohne Fehl und Tadel übernommen, seine kleine aber feine Tanztruppe trägt viel zum Erfolg des Nachmittags bei.
Den Grafen Tassilo Endrödy-Wittenburg bringt der junge österreichische Tenor Stefan Reichmann auf die Bühne. Er besitzt einen stimmschönen, klaren und weichen samtenen Tenor, der gefällig ist und auch in den Duetten strahlen kann. Man wünscht sich vielleicht, dass er ruhig noch ein bisschen mehr aus sich herausgehen sollte, ein kleines bisschen die Handbremse löst. Dass er auch strahlende Spitzentöne drauf hat, lässt er einige Male hören. Vom Auftreten ist er der Prototyp eines Tenors, schlank, blondgelockt, jung und mit einem frischen und überzeugenden Spiel. Reichlicher Applaus vom beeindruckten Publikum für ihn. Seine Mariza ist die aus Wien stammende Ella Tyran. Sie hat einen kräftigen, klaren, vollmundigen und sicheren Sopran, dessen anfängliche Schärfe bald verschwindet und die immer mehr aufblüht. Sowohl in den Soli als auch in den Duetten weiß sie voll zu überzeugen und ihr Publikum zu beeindrucken.
Viktor Schilowsky-Sylvia Denk-Stefan Reichmann-Ella Tyran-David Hojsak-Anete Liepina
Das zweite Paar ist die junge in Riga in Lettland geborene Anete Liepina und ihr kongenialer Partner der in Ptuj in Slowenien zur Welt gekommene David Hojsak. Und sie sind ein blendend aufeinander abgestimmtes Paar, sie glänzen sowohl in ihren Solis als auch in den Duetten. Dazu kommt bei beiden eine unwahrscheinliche Spielfreude, die sich auf das Publikum überträgt. Anete Liepina hat eine durchschlagskräftigen runden und schönen Sopran, ist auch reizend anzusehen und wirbelt über die Bühne, dass es eine wahre Pracht ist. David Hojsak merkt man in jeder Sekunde an, welche Freude er an seinem Spiel hat, er überträgt seine gute Laune einfach über die Rampe an sein Publikum. Quirlig, ausgelassen, fröhlich beeindruckt er nicht nur seine Lisa sondern vor allem das ihm zujubelnde Publikum. Stimmlich noch ein kleines bisschen zurückhaltend, aber er wird von Aufführung zu Aufführung besser und es ist einfach schön, ihm bei seiner „Arbeit“ zuzusehen. Mit Herzblut und Leidenschaft ist er bei der Sache und gemeinsam mit seiner Partnerin mit der Garant für eine toll über die Bühne laufende Operette. Eine neue Bravourrolle hat sich Viktor Schilowsky erschlossen. Sein Fürst Moritz Dragomir Populescu ist einfach ein Hingucker und Hinhörer auf der Bühne. Der Wiener Bariton hat eine markige, wohltönende Stimme, die er auch entsprechend einsetzt. Vom Darstellerischer her ist er in seiner kleinen Rolle erneut eine Klasse für sich. Voll überzeugen kann auch die Wienerin Sylvia Denk als Fürstin, die alles Machbare aus ihrer Rolle herausholt und auch einiges zum Gesamtgelingen beiträgt. Und dann ist da noch der aus Kärnten in Österreich stammende Gerhard Karzel. Als Penizek, der Kammerdiener der Fürstin, bringt er das Publikum zu wahren Lachstürmen. Er hat im kleinen Finger so viel Theaterblut, dass er auch in einer kleinen Rolle nicht zu übersehen ist. Mit schönen gefälligen Sopran weiß auch Zornitza Gerginia in ihrer Arie zu überzeugen und Iavor Radaovanov fügt sich als Teschekko, der Diener von Mariza nahtlos in die Darstellerriege ein. Langanhaltender herzlicher und begeisterter Beifall für die Truppe aus Wien, die vermutlich im nächsten Jahr mit dem „Walzertraum“ zurückkommen wird. Das Publikum kann sich jetzt schon darauf freuen. Die Wiener Operettenbühne hat ihr Publikum zum wiederholten Male überzeugt, fröhlich gemacht, begeistert und mitgerissen. So macht Operette Spaß, so wollen wir sie weiter erleben.
Schlussapplaus Gerhard Karzel-Denk-Reichmann-Laszlo Gyüker-Tyran-Hojsak-Liepina
Manfred Drescher, 13.01.2018 Fotos Eigenaufnahmen