Dresden: „Die verkaufte Braut“

Premiere am 8. 3. 2019

In Kezals Villagge

Für einen viel versprechenden Auftakt zur Neuinszenierung von Smetanas Komischer Oper Die verkaufte Braut sorgte die Sächsische Staatskapelle Dresden unter dem tschechischen Dirigenten Tomás Netopil, der seine Vertrautheit mit dem musikalischen Idiom nicht besser hätte zeigen können als mit dieser hinreißend musizierten Ouvertüre – ein rasanter Wirbel von überschäumender Vitalität und stürmischem Temperament, wie man es auch später noch bei den populären Tänzen der Polka und des Furiant erlebte. Die französische Regisseurin Mariame Clément lässt dazu junge Mädchen und Burschen in böhmischen Volkstrachten (Ausstattung: Julia Hansen) vor dem Vorhang auftreten. Grün, Rot und Weiß sind die kräftigen Farben; bunte Bänder und Blüten schmücken Röcke und Hüte. Aber man ist sogleich misstrauisch und gibt die Hoffnung, eine Aufführung mit folkloristischem Zauber und ländlicher Atmosphäre erleben zu können, schnell auf. Man wird in dieser Skepsis auch bald bestätigt, denn in einem silbern glitzernden Dinerjackett mit schwarzen Lackschuhen tritt Barry Coleman in der Rolle des Zirkusdirektors auf, die hier mutiert ist zum Conferencier einer Nachtbar namens Kezals Villagge (richtig müsste es heißen Kezal’s, da es sich doch um eine englische Bezeichnung handelt). Sie ist dann auch der Einheitsschauplatz der drei Akte – ein schäbiges Vergnügungsetablissement der 1960er Jahre mit Bartresen, Diskokugel an der Decke und einer Tanzfläche in der Mitte. Das Personal, darunter Marie, serviert in jenen Volkstrachten, die man zu Beginn vor dem Vorhang sah. Und auch die Tänzerinnen und Tänzer, die auf dem Podium für die Unterhaltung der Gäste sorgen, tragen diese Kleidung. Wie in einer kitschigen Touristengaststätte sieht man als Dekoration links einen mit Lämpchen illuminierten und mit Wimpeln geschmückten Baum sowie Strohballen und ländliche Arbeitsgeräte, die dörfliche Atmosphäre suggerieren sollen. Noch öder ist die Szene im 3. Akt, wenn Bühnenarbeiter die Bar ausräumen und eine Putzfrau mit dem Staubsauger hantiert. Offenbar wird Platz gebraucht für den Auftritt der Komödianten.

Diese kommen statt mit Musikanten mit einem Kofferradio und sind eine höchst seltsame Truppe aus mittelalterlichen Rittern, Mexikanern mit Kaktusluftballon, dickleibigen Tänzern mit Blumenketten und Lianenröcken. Seltsam auch, dass Wenzel Esmeralda für eine Indianerin hält, die doch wie Anne Boleyn gewandet ist (und sich auch noch die Nägel feilt). Tahnee Niboro singt sie mit hübschem Soubrettenton.

Auf die Sopranistin in der Rolle der Marie, die Armenierin Hrachuhí Bassénz, war man besonders gespannt, gehört sie doch seit Beginn dieser Spielzeit fest zum Ensemble der Semperoper. Die aparte Stimme mit melancholisch getönter Mittellage besitzt freilich noch nicht das Format für ein Haus dieser Größe, ist zu klein im Volumen und neigt in der Höhe zur Grellheit. Dabei gab es auch empfindsame lyrische Momente und innige piani. Die Arie gelang ihr ansprechend, aber im nachfolgenden Duett mit Hans hörte man wieder schmerzhaft grelle Spitzentöne. Dem Tenor Pavol Breslik, der die Partie gerade in einer Neuinszenierung an der Bayerischen Staatsoper verkörpert hatte, gingen viele Vorschusslorbeeren voraus.

Aber seinem Tenor fehlte es an Glanz und die Spitzentöne standen seltsam isoliert und nicht in die Gesangslinie eingebunden. Die Arie mit lyrischer Kontur und schöner Linie konnte gefallen. Seltsamerweise inszenierte sie die Regisseurin als Traumszene mit Lichtgeflimmer der rotierenden Diskokugel. Eine Luxusbesetzung als Wenzel war Benjamin Bruns, dessen substanzreicher Tenor in schönem Fluss erklang und mehr Klang hören ließ als der von Breslik. Zudem spielte er seine Verlegenheit und die durch das Stottern bedingte Behinderung anrührend aus. Kezal, den Besitzer der Nachtbar, gibt Tijl Faveyts als schmierigen Typ mit Sonnenbrille und knorrigem Bass. Von den beiden Elternpaaren, Matthias Henneberg als Kruschina und Sabine Brohm als Ludmila sowie Tilmann Rönnebeck als Micha und Michal Doron als Hata, ließen letztere mehr Stimme hören. Der Sächsische Staatsopernchor Dresden (Einstudierung: Cornelius Volke) als Nachtbarbesucher in schäbigen Klamotten brachte sich engagiert in das Konzept ein und sang mit vollem Einsatz. Mehrere Zuschauer verließen die Premiere am 8. 3. 2019 bereits in der Pause und auch am Ende gab es für das Regieteam eine geteilte Aufnahme.

Bernd Hoppe 11.3.2019

Bilder © Daniel Koch