13. und 14. Jännner 2018
Es ist wahrlich ein Stelldichein der Wagnerfreunde aus aller Welt in Dresden. Endlich ist er da, der viel erwartete gesamte Ring-Zyklus von Richard Wagner unter Christian Thielemann an „seinem“ Haus, der Semperoper an der Elbe. Während draußen klirrende Minusgrade herrschen und die Nordischen Langläufer am jenseitigen Ufer Weltcuppunkten nachrennen, sorgt der Stardirigent, der im nächsten Jahr das Wiener Neujahrskonzert leiten wird, in der Oper für eine brodelnde Stimmung. Bereits nach den ersten beiden Abenden erhebt sich das Auditorium zu „standing ovations“, die einerseits dem Maestro gelten, andererseits einem Wotan, wie man ihn schon lange nicht gehört und gesehen hat: Vitalij Kowaljow. Schon im Rheingold ließ der schweizerisch-ukrainische Bass seine Stimme mit verdi-haftem Belcanto fließen, in der Walküre setzte er noch einen drauf und punktete mit Stimme und Darstellungskraft. Seine Göttergefolgschaft hat es da manchmal schwer zu folgen, aber Christa Mayer als Fricka hält trotz manchmal flackernder Stimme erstaunlich gut gegen ihren Gemahl, auch Derek Weltons Hammerschläge als Donner können sich hören lassen und bestehen gegen den wuchtigen Klang der Staatskapelle Dresden. Tansel Akzeybek als Froh und die Österreicherin Regina Hangler als Freia machen das Beste aus (ihren) kleinen Rollen.
Dass Georg Zeppenfeld am ersten Abend als Fasolt gegen Karl-Heinz Lehners Fafner den kürzeren zog, ist nicht nur dem Libretto zuzuschreiben, sondern auch dem Bühnenbild, das Zeppenfeld meist in der „Tiefe des Raumes“ aus einer Guckkastenbühne heraus singen lässt. Was er tatsächlich drauf hat, demonstrierte er dann als brutaler Hunding in der Walküre. Die auch in Wien gut bekannten Kurt Streit (als intellektueller, arroganter und besonders wortdeutlicher Loge), Albert Dohmen (als ein nur wenig differenzierter Alberich) und Gerhard Siegel (als karikierter Mime) sind am Vorabend der Tetralogie Mitgestalter. Janina Baechles Erda hätte sich wohl ein vorteilhafteres Kostüm als einen weißen Fetzen verdient, das gilt auch für die drei Rheintöchter Christiane Kohl, Sabrina Kögel und Simone Schröder.
Damit kommen wir auch schon zu den handwerklichen Fehlern und Unstimmigkeiten der Willy Decker-Inszenierung, die ja schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Die Stuhlreihen des Theaterinnenraumes (Theater auf dem Theater ist zur Entstehungszeit der Regiearbeit gerade en vogue) sind den Sängern oft mehr Hindernis als es ihnen lieb ist, einzig im Walküren-Finale nutzen Wotan und Brünnhilde deren Anordnung zu einer gekonnten Personenchoreographie. Noch störender sind allerdings die bereits erwähnten Guckkästenbühnen (Ausstatter Wolfgang Gussmann), die relativ weit hinten postiert sind, sodass auch Sänger mit gewaltigem Kaliber, wie etwa Peter Seiffert als Siegmund, erstaunliche Mühe haben entsprechend gehört zu werden. Der Jubel für ihn war gut gemeint, allerdings scheint der Siegmund nicht mehr zu seinen Paraderollen zu gehören. Auch Elena Pankratovas Sieglinde konnte nicht so ganz überzeugen – gewiss, sie sang alles richtig und gut, aber der Funke wollte bei ihr nicht so ganz überspringen. Die gegenteilige Erfahrung bei Petra Lang als Brünnhilde: Wie sie die Wunschmaid als junges, unbekümmertes Mädel anlegte hatte viel Esprit, da sah man gerne über den einen oder anderen Ausreisser in der Höhe hinweg. Man kann auf die weiteren Auftritte gespannt sein.
Thielemann hält in allen Situationen die Fände in der Hand. Immer wieder gelingt es ihm seiner „Wunderharfe“ neue Nuancen zu entlocken, die man noch nie so wahrgenommen hat, zu entlocken. Das Publikum folgt ihm willig, was sich in einer knisternden Spannung im Auditorium wiederspiegelt und sich in einem Jubelorkan nach dem letzten Ton entlädt. Nun gibt es drei Wagner-freie Abende in Dresden zu überstehen, am Donnerstag wartet Andreas Schager als Siegfried.
Ernst Kopica 17.1.2018
Bilder (c) Klaus Gigga