Dresden: „Don Giovanni“

Besuchte Vorstellung am 6. Mai 2017

Premiere am 16. Juni 2016

Belanglos

Statistinnen/Guido Loconsolo

Um das Fazit einmal an den Anfang zu stellen: Musikalischer Glanz in belangloser Inszenierung.

In Dresden spielte man die Wiener Fassung, also ohne das Schluss-Sextett, dafür mit Elviras „Mi tradi quell’alma ingrata“, Ottavios „Dalla sua pace“ anstelle von „Il mio tesoro“ und mit dem sonst stets gestrichenen Duett Zerlina/Leporello, das die Handlung überhaupt nicht weiterführt. Andreas Kriegenburg hatte die Geschichte um den zugrunde gehenden Frauenheld in die Gegenwart verlegt, und zwar in eine dekadente Gesellschaft, die sich nur dem Rausch und äußeren Genüssen hingibt. Das zeigte sich gleich nach der mit Konzertschluss endenden Ouvertüre, als man Leporello in einer exklusiven Model-Agentur sah, wie er langbeinige Bewerberinnen taxierte. Ebenfalls in diesem Ambiente schliefen Don Giovanni, Leporello und die leicht bekleideten Models (Kostüme: Tanja Hofmann) nach dem Fest am Schluss des 2. Akts ihren Rausch aus. Ansonsten spielte alles in einem dunklen, reichlich heruntergekommenen Ambiente, vielleicht einer Art Disco, nachdem die Agentur jeweils nach oben gefahren war. Hier fanden alle übrigen Begegnungen und Vergnügungen statt, meist bei Kerzenlicht (Bühnenbild: Harald Thor). Da die Agentur hell beleuchtet war, misslangen die Verkleidungsszenen völlig; denn dass Elvira und anschließend Masetto Giovannis Versteckspiel nicht durchschaut haben, konnte man nun wirklich nicht annehmen. Wenn es so sein sollte, dass Elvira sich bewusst darauf eingelassen hat, wie der Regisseur im Programmheft andeutet, konnte man das in der Darstellung in keiner Weise erkennen. Die Friedhofsszene war dann nur noch albern, wenn der Komtur in einer großen, fahrbaren Möbelkiste sitzt. Woran Giovanni schließlich stirbt, blieb offen; einige Krämpfe schon zum Finale des 2. Aktes ließen Herzinfarkt vermuten. Vielleicht war sein Ende aber auch durch eine Überdosis Rauschgift verursacht, als ihn die mit schwarzen Umhängen versehenen Models in ein imaginäres Feuer im Bühnenhintergrund hinab zogen.

Lucas Meachem/Guido Loconsolo

Fast uneingeschränkt konnte man an dem hohen stimmlichen Niveau seine Freude haben: Zunächst ist als Titelheld Lucas Meachem zu nennen, äußerlich so gar kein Verführer-Typ, der jedoch mit seinem einschmeichelnden Bariton geradezu betörte. So waren „La ci darem la mano“ und das Ständchen musikalisch vom Feinsten, aber auch in den dramatischeren Szenen setzte sich der US-Amerikaner mühelos durch. Dagegen blieb Guido Loconsolo als ausgesprochen agiler Leporello mit seinem angerauten Bassbariton stimmlich eher blass.

Von besonderer Klasse waren die drei Damen, allen voran als attraktive Donna Elvira Danielle de Niese. Sie begeisterte durch sichere, abgewogene Führung ihres in allen Lagen gut ansprechenden Soprans. Die nötige dramatische Attacke hatte Ekaterina Bakanova in der Stimme, die die rachsüchtige Donna Anna mit gestochen scharfen Koloraturen und großer Attitüde versah.

Obwohl Zerlina dem Werben Don Giovannis nachgeben musste, gab Anke Vondung sie als gestandene Frau, von der Masetto in Liebesdingen noch so manches lernen kann; in ihren Arien gefiel die sympathische Sängerin mit ihrer mezzo-grundierten Stimme ohne jede Einschränkung. Gut aufgehoben war Masetto bei Martin-Jan Nijhof und seinem charaktervollen Bass. Peter Lodahl konnte in der undankbaren Partie des Don Ottavio nicht überzeugen; da er „Dalla sua pace“ vor allem am Schluss reichlich aufgesetzt und manieriert präsentierte, verzichtete man gern auf seine zweite Arie. Mit profundem Bass gab Tilmann Rönnebeck den Commendatore.

Der Staatsopernchor in der Einstudierung von Cornelius Volke erfüllte seine wenigen Aufgaben fehlerlos. Der in der musikalischen Leitung offenbar kurzfristig eingesprungene Christoph Gedschold hielt den ganzen Apparat sicher zusammen und sorgte mit der im Graben und auf der Bühne bestens disponierten Staatskapelle für eine angemessene Ausdeutung der genialen Partitur.

Das Publikum im ausverkauften Haus spendete reichlich Beifall.

Gerhard Eckels 9. Mai 2017

Fotos: David Baltzer

Weitere Vorstellungen: 17.,20.,23.6.2017