Macerata: „Don Giovanni“

Sferisterio 2.8.20 (Premiere am 18.7.)

Mozarts Werk war nach dem konzertanten „Trovatore“ in szenischer Form zu sehen. Regisseur Davide Livermore stand vor einem zweifachen Problem, nämlich dem jährlich wiederkehrenden, die riesige Bühne zu füllen und dem in diesem besonderen Jahr aktuellen, die Agierenden Abstand halten zu lassen. Als sein eigener Bühnenbildner war ihm für Auf- und Abtritte die Lösung eingefallen, richtige, funktionierende Autos einzusetzen und sich Projektionen von D-WOK auf die große, die Bühne beschließende, Mauer werfen zu lassen. Bei der Hochzeitsfeier Zerlina/Masetto z.B. gab es jede Menge Graffiti in Form von Schmierereien zu sehen, weil das tanzende Völkchen nicht als Bauern, sondern als Proleten gesehen wurde, während der Registerarie gab es verständlicherweise zahlreiche hübsche Frauengesichter. Sehr gelungen war die goldfarbene Projektion des Komturs, die fast ununterbrochen aus der Höhe die Bühne beherrschte.

Die Inszenierung setzte bei Giovanni und Leporello auf heutiges Outfit (es wurde nur der Name einer Kostümassistentin angegeben: Stéphanie Putegnat), bei ihren Gegnern herrschte zwischen zeitloser und historisch angehauchter Kleidung. Giovanni wurde von Anfang bis Ende als verderbter Libertin gezeigt, der seinen Willen unbedingt durchsetzen will und vor Zynismus geradezu trieft. Jede Form von Charme, der ihn doch auch verführerisch machen sollte, wurde der Figur damit ausgetrieben. Zu dieser Auslegung passte nicht, dass der getötete Komtur in einigen Szenen liegend zu sehen war und Giovanni sich davor in Gewissensbissen wand. Die Personenführung war auch insofern seltsam, als mehrere große Arien auf einem im Mittelpunkt der Bühne stehenden Stuhl absolviert werden mussten. Bei Livermore ist auch immer der Auftritt vieler Mimen zu gewärtigen: so gab es auch hier bei Elviras erstem Auftritt zahlreiche, gleich gekleidete Elviras. Das Mahl, zu dem der Komtur geladen wird, erwies sich als (szenisch gut gemachte, weil nicht zum Lachen reizende) Orgie, die allerdings Leporellos Kommentar völlig ad absurdum führte.

Musikalisch durfte man sehr zufrieden sein, obwohl Mozarts Opern nicht das Wahre für Aufführungen auf riesigen Freilichtbühnen sind. Der Musikdirektor des Festivals, Francesco Lanzillotta, sorgte mit dem Orchestra Filarmonica Marchigiana (am Fortepiano: Claudia Foresi) für eine sehr schwungvolle Wiedergabe, die der Feinheiten nicht entbehrte. Als nicht nur stimmfest, sondern auch spielfreudig erwies sich der von Martino Faggiani einstudierte Coro Lirico Marchigiano Vincenzo Bellini.

Ein bestens singender körperlich äußerst wendiger Vertreter der Titelfigur war Mattia Olivieri , der seinen schönen lyrischen Bariton auch bei so mancher halsbrecherischer Turnaktion immer bestens im Griff hatte. Mit sich gut abhebendem, weil dunklerem Bariton stand ihm der blutjunge Tommaso Barea in sängerischer wie körperlicher Gewandtheit in nichts nach. Als bedeutende Stimme erwies sich der dramatische Koloratursopran der jungen Mexikanerin Karen Gardeazabal , deren Donna Anna großes Interesse und das Verlangen bewirkte, auch andere Rollen von ihr zu hören. Als Donna Elvira überzeugte Valentina Mastrangelo szenisch und sang gut, aber nicht herausragend. Bezaubernd hingegen Lavinia Bini mit reinem Sopran und überzeugendem Spiel (die Anziehung, die Giovanni auf sie ausübt, zeugte von großem schauspielerischem Können). Als Masetto war Davide Giangregorio stimmlich besser am Platz als am Vortag als Verdis Ferrando. Antonio Di Matteo überzeugte als schönstimmig donnernder Commendatore. Schwächer zeigte sich

Giovanni Sala, der Don Ottavios erste Arie achtbar sang, aber an den Schwierigkeiten der zweiten scheiterte.

Der während der Vorstellung eher zögerliche Beifall des Publikums geriet nach Ende mehr als herzlich-zustimmend.

Eva Pleus 16.8.20

Bilder: Tabocchini Zanconi