Zürich: „Galakonzert“, für Andreas Homoki

Die Abschiedswoche für den scheidenden Intendanten am Opernhaus Zürich ist in vollem Gange. Dreizehn erfolgreiche Jahre lang hat Andreas Homoki mit seinen Vorstellungen vom Musiktheater das Haus am Sechseläutenplatz geprägt und das Publikum zeigte sich zunehmend begeistert von dieser spannenden Reise durch die Welt der Oper, auf die er uns mitgenommen hatte und die wir – teils kritisch, aber immer mit Respekt – begleiten durften. In einer humorvollen kurzen Ansprache würdigte Andreas Homoki nicht nur seine Mitarbeiter, das Orchester und den Chor, sondern auch das Publikum, dem er Offenheit und Neugier attestierte und das sich dann auch gleich selbst applaudieren durfte. 

Dieses Konzert war denn auch Teil des Abschiednehmens der Ära Homoki. Drei langjährige künstlerische WegbegleiterInnen, sein geliebter Chor der Oper Zürich, seine nicht minder geliebte Philharmonia Zürich, viele Sänger aus dem Ensemble und der ehemalige GMD Fabio Luisi gaben sich die Ehre eines Konzerts voller Erinnerungen an Produktionen der vergangenen Spielzeiten, gewürzt mit einigen unverwüstlichen Opern-Wunschkonzert-Hits. Die Philharmonia Zürich durfte ihre Qualitäten (neben der Begleitung der Arien, Duette und Ensembles) vor allem in den beiden durch Fabio Luisis Tempovorgaben rasant angegangenen Ouvertüren offenbaren: Rossinis GUILLAUME TELL und Strauss‘ DIE FLEDERMAUS.

Ja, es war ein wilder (abwechslungsreicher) Ritt durchs Repertoire – und manchmal drohten die Pferde (sprich die Stars) durchzugehen. Von Wagner zu Korngold und wieder zurück zu Wagner ging die Reise, um dann auf Rossini einzuschwenken. Nach der Pause wurde die musikalische Landschaft noch breiter: Von Puccini über Lehár, Irving Berlin und Giuseppe Verdi zu Johann Strauss und Ludwig van Beethoven. Es wurde streckenweise laut im Haus, sehr laut und knallig, und doch konnte man sich der mitreißenden Wirkung des Abends nicht entziehen. Begonnen wurde mit dem Einzug der Gäste aus TANNHÄUSER. Der großartige Chor der Oper Zürich, einstudiert vom ebenfalls scheidenden Chordirektor Janko Kastelic, offenbarte einmal mehr seine klanglichen Qualitäten. Camilla Nylund (in letzten Jahren als Brünnhilde und Isolde hier zu erleben gewesen) ließ ihren prachtvollen Sopran in der Hallenarie der Elisabeth aufs Herrlichste aufblühen. Sir Bryn Terfel (er war der Holländer in Homokis erster Inszenierung in Zürich, später Sweeney Todd, Scarpia und Falstaff) kämpfte mit etwas Druck (Vibrato) in Wotans Abendlich strahlt der Sonne Auge aus Wagners RHEINGOLD gegen die gewaltigen Orchesterfluten der Philharmonia Zürich unter der Leitung von Fabio Luisi an. Weit grandioser klang Terfels Bassbariton im Va Tosca und im Te deum aus Puccinis Tosca (mit kurzem Auftritt von Martin Zysset als Spoleta), begeisterte mit seinem Witz und seiner stupenden stimmlichen Geläufigkeit und Virtuosität als Don Magnifico (Miei rampolli femminini aus LA CENERENTOLA) und vor allem im Duett Anything you can do zusammenmit Camilla Nylund aus Irving Berlins ANNIE GET YOUR GUN, für mich der absolute Höhepunkt des Abends. Der dritte Star war der Tenor Klaus Florian Vogt, der in Homokis Amtszeit in der LOHENGRIN-Premiere in der Lederhosen-Inszenierung des Hausherrn geglänzt und mit Rollendebüts als Siegfried in SIEGFRIED und GÖTTERDÄMMERUNG das Zürcher Publikum hingerissen hatte. Die Gralserzählung des Lohengrin durfte denn auch in diesem Galakonzert nicht fehlen. Vogts Stimme hat ihre jugendlichen, fast knabenhaften Qualitäten über all die Jahre erhalten, aber auch an Kraft und Fundament hinzugewonnen. Mit all seiner großartigen Technik und Routine konnte er gestern Abend auch eine leicht wahrnehmbare Heiserkeit bekämpfen, allerdings sicherheitshalber durch enorme Lautstärke. Man kann nur hoffen, dass dieser Effort seine Stimmbänder nicht zu Schaden kommen ließ. Im Duett Glück, das mir verblieb aus Korngolds DIE TOTE STADT aber fand er zusammen mit Camilla Nylund zu wunderbar leichten, einnehmenden, zarten Phrasen. Zum Dahinschmelzen schön. Vogts strahlend (laut) gesungenes Dein ist mein ganzes Herz aus Lehárs DAS LAND DES LÄCHELNS löste einen Begeisterungssturm aus, genauso das vorangehende Duett Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt aus derselben Operette. Dafür hatte Camilla Nylund ihr weissgolden glitzerndes Abendkleid in ein etwas blumigeres, bunteres und weiter geschnittenes Kleid eingetauscht. Für die Ausschnitte aus Johann Strauss‘ DIE FLEDERMAUS dann trat sie in einem sehr kleidsamen, kupfernen Abendkleid auf. Mit viel Witz gestalteten Nylund und Vogt Dieser Anstand, so manierlich und Trinke Liebchen, trinke schnell. Da gesellte sich dann auch noch der warmstimmige Bariton von Ruben Drole als Gefängnisdirektor Frank dazu und komplettierte das Trio. Herrlich! Ruben Drole, langjähriges Mitglied des Ensembles (und leider in den letzten Jahren aus meiner Sicht etwas an den Rand gestossen), zeigte seine wunderbaren Qualitäten auch als berührender Rigoletto im Quartett aus der gleichnamigen Oper Bella figlia dell’amore, in welchem auch Omer Kobiljak als Duca, Rebeca Olvera als Gilda und Siena Licht Miller als Maddalena vokale Glanzpunkte setzten. Siena Licht Miller als Cenerentola, Rebeca Olvera als Tisbe, Simone MacIntosh als Clorinda (eingesprungen für Liliana Nikiteanu), Luis Magallanes als Don Ramiro (eingesprungen für Andrew Owens), Andrew Moore als aufhorchen lassender Dandini, Brent Michael Smith als Don Magnifico und Stanislav Vorobyov als Alidoro führten mit dem Finale I aus Rossinis LA CENERENTOLA den ersten Teil des Konzerts zu einem quirligen, fulminanten Abschluss! Das gesamte Ensemble (auch mit den drei Starsolisten) sang das Finale aus Beethovens FIDELIO Wer ein solches Weib errungen am Ende des offiziellen Programms mit durch Mark und Bein gehender Lautstärke; man war dankbar, dass die starken, soliden Mauern des Opernhauses keine Risse bekamen.

Foto vom Rezensenten

Dankbar war man auch, dass als Zugabe nicht das bei solchen Anlässen meist übliche Brindisi aus der TRAVIATA erklang, sondern das von Omer Kobiljak mit klar fokussierter, wunderbar geschmeidiger Stimme angeführte Brüderlein und Schwesterlein aus der FLEDERMAUS.

Kaspar Sannemann 12. Juli 2025


Galakonzert
Zürich, Opernhaus

10. Juli 2025

Dirigat: Fabio Luisi
Philharmonia Zürich