Berlin: „Galakonzert Plácido Domingo“

31.5.2017

Ehrenmitgliedschaft für 50 Jahre auf Berliner Opernbühnen

Innerhalb weniger Wochen debütierte Plácido Domingo vor exakt 50 Jahren an drei großen deutschsprachigen Bühnen: in Wien mit dem Radames, in Hamburg mit Don Carlo und in Berlin an der Deutschen Oper, für das erst ebenfalls der Radames vorgesehen war, mit dem in wenigen Tagen einstudierten Riccardo. Alle drei Debüts waren ein Riesenerfolg, und ihr fünfzigster Jahrestag wurde bereits in Wien mit einem Gala-Konzert, je einem Akt aus Ballo, Traviata und Simon Boccanegra, mit dem Jubilar als René, Padre Germont und Simon gefeiert. Am 31.5. nun war Berlin an der Reihe und zwar ausschließlich die Staatsoper als Gastgeber, an der Domingo seit 25 Jahren unter seinem Freund Daniel Barenboim singt oder auch dirigiert, sein Debüt als Bariton mit dem Simon gab und in zwei weiteren Baritonpartien mit dem Macbeth und dem Luna debütierte.

Obwohl er auch hier Tenorpartien wie den Herrmann sang, feierte er seine größten Triumphe in diesem Fach an der Deutschen Oper in Westberlin, so als Cavaradossi, als Enzo, dem man sogar einen misslungenen Spitzenton erzieh, als Dick Johnson und vor allem als Otello, zu dem er sich sogar den Dirigenten, Carlo Franci, hatte aussuchen dürfen, bei dem es nicht enden wollenden Beifall gab und man schließlich sogar noch einen Flügel auf die Bühne schieben musste (das Orchester war längst gegangen), wo der Dirigent den nimmermüden Sänger zum Jubel des Publikums bei weiteren Zugaben begleitete. Viele Benefizkonzerte mit Daniel Barenboim beweisen, dass Domingo nicht nur ein großer Künstler, sondern auch ein großherziger, verantwortungsvoller Mensch ist, das Programmheft zu seinem Berliner Gala Konzert weiß davon zu berichten.

Für die Berliner Gala waren ein Verdi- und ein Wagner-Teil geplant, eine kurzfristige Änderung, die die Arie des Padre Germont aus dem zweiten Akt von Traviata ersatzlos strich, war wohl der von Daniel Barenboim zu Beginn angekündigten „ganz leichten Indisposition“ des Tenors/Baritons geschuldet; mit dem Parsifal, einer allerdings sehr tief liegenden Partie, kehrte der Sänger noch einmal in sein altes Repertoire zurück.

Im Duett Violetta-Padre Germont begann der Jubilar mit einer verstörend nach Charaktertenor klingenden Stimme, die jedoch im Verlauf der Handlung an dunkler Farbe gewann, die in den Staccati perfekten Verdi-Stil demonstrierte, sich im Forte hörbar wohler als in den seltenen Piani fühlte und durch eine beispielhafte Diktion erfreute. Partnerin war ihm noch Studio- und ab nächster Spielzeit Ensemble-Mitglied Elsa Dreisig mit apartem Timbre, viel vokaler Emphase und guter Phrasierung. Im Duett Macbeth-Lady aus dem ersten Akt der Verdi-Oper war Marina Prudenskaya mit viel diabolischer Verführungskunst in der Stimme eine würdige Partnerin für einen besonders im Forte über beachtliche Reserven verfügenden Macbeth.

Wohl Domingos beste BaritonRolle dürfte der Simone sein. Im Schlussduett Simone-Fiesco klang er baritonaler als aus der Premiere erinnerlich, jetzt passten die Farben der beiden Stimmen zueinander, auch wenn das tiefdunkle „i morti ti salutano“ von René Pape als Fiesco den allerstärksten, Gänsehaut erzeugenden Eindruck machte.

Keine gute Wahl war nach der Pause Wolframs Lied an den Abendstern, für das die Stimme zu gewichtig, zu kantig, zu wenig balsamisch klang, wo der Text eher buchstabiert als durchdrungen klang und für den einfach die Geschmeidigkeit der Stimme fehlte. Parsifals „Nur eine Waffe taugt“ schließlich wurde bewältigt, aber mit einer Stimme, der man die Jugendlichkeit selbst des gereiften Helden nicht mehr abnehmen konnte.

Der zweite Teil war ohnehin der der Staatskapelle unter Daniel Barenboim, der die Zuhörer mit einer so schwungvollen wie fein ziselierenden Meistersinger-Ouvertüre wie einem Tristan-Vorspiel und Liebestod wundervollster Opulenz schwelgen ließ. Im ersten Teil hatte die Staatskapelle bereits mit einem raffinierten, bruchlosen An-und Abschwellen des Klangs in der Traviata-Ouvertüre und einer kontrastreichen Sinfonia zu La Forza del Destino geglänzt.

Verständlicherweise keine Zugaben, aber die Ehrenmitgliedschaft der Berliner Staatsoper für Placido Domingo, „der uns den Verdi-Stil gezeigt“ hat, so Daniel Barenboim, gab es zu standing ovations, die Urkunde überreicht durch Intendant Jürgen Flimm.

Fotos Thomas Bartilla

1.6.2017 Ingrid Wanja