Berlin: „Die Frau ohne Schatten“

Premiere am 9.4.2017

Festtagewürdig

Zum Glück gibt es im Programmheft die wunderbare Inhaltsangabe von Hugo von Hofmannsthal selbst, und der unerfahrene Opernbesucher tut gut dran, sie vor dem Besuch der Aufführung von Strauss‘ Die Frau ohne Schatten zu lesen, denn die Inszenierung von Claus Guth übt sich in einem nicht gerade originellen Verfremdungseffekt, indem bei absoluter Stille sich der Zuschauer in ein Krankenzimmer versetzt sieht, Arzt (Geisterbote) und Gatte (Kaiser) der Kranken (Kaiserin) diese offensichtlich bereits aufgegeben haben und nur die Wärterin (Amme) bei der Sterbenden zurückbleibt, nachdem dieser noch eine Wunde beigebracht wurde. Am Schluss erwacht die Kranke sichtlich erholt von dem angenehmen Traum, den sie erleben durfte, genießt sogar die schöne Aussicht aus dem Panoramafenster auf eine Art Zauberberg, nachdem sich die eigentliche Geschichte fast durchgehend in eben diesem Zimmer mit verschiebbaren Wänden oder darunter im Souterrain bei der Färberfamilie abgespielt hat ( Bühne und Kostüme Christian Schmidt).

Guth verzichtet auf fast alle Zaubereffekte, bleibt sogar bei der Erscheinung des schönen Jünglings eher nüchtern, lässt wie zum Ausgleich aber Keikobad in menschlicher wie in tierischer Gestalt auf die Bühne zitieren, stellt auch der Kaiserin eine weiße Gazelle an die Seite und dazu exakt zehn süße kleine Tierkinderchen als Verheißung zukünftigen Nachwuchses, als gehe es in der Geschichte um „Der Wolf und die zehn Geißlein“. Da hatten die Werkstätten, gerade mit unzähligen Schweineköpfen für die Komische Oper befasst, einiges zu tun. Zylinderbewehrte Teufel mit schwarzen Flügeln (auch die Amme trägt bisweilen solche) vervollständigen das Personal und lassen nicht ganz deutlich werden, worin ihre Funktion besteht. Aber wenn auch das Bühnenbild, bereichert um drei Betten und viele Stühle nicht besonders stimulierend ist, ist man doch, insbesondere wenn man an des Regisseurs Don Giovanni im Schillertheater denkt, sehr zufrieden damit, dass die Handlung und die Figuren von der Regie nicht manipuliert werden, sieht man von der Rahmenhandlung ab, die die Nähe Siegmund Freuds ahnen lässt.. Auch mit den Kostümen dürften weder Sänger noch Publikum unzufrieden sein. Vielleicht hängt die hier gezeigte Milde auch der Regie damit zusammen, dass die Produktion nicht nur für Berlin, sondern auch für Mailand und London gedacht ist.

Eigentlich müsste Zubin Mehta von seinen Aida-Dirigaten her mit der Akustik des Schillertheaters vertraut sein, doch trotz der tiefstmöglichen Versenkung in den Graben war das Orchester stellenweise, so am Schluss des zweiten Akts, einfach zu laut für die Sängerinnen, die nur mit Schrillheit und quasi übersteuert Paroli bieten konnten. Da klangen auf einmal, der Anstrengung geschuldet, alle drei Stimme fast gleich. Insgesamt allerdings konnte man nur staunen über den Glanz und die Geschmeidigkeit mit der die Staatskapelle die anspruchsvolle Partitur zu einem wahren Klangrausch erweckte. Da wurde erfolgreich der Nüchternheit der Bühne entgegen gearbeitet, und die Zwischenspiele waren einfach überirdisch schön.

Nichts Sensationelles gibt es von den Sängersolisten zu berichten, aber auch nichts von Ausfällen in den durchweg überaus anspruchsvollen Partien. Kein jugendlicher Held war der Kaiser von Burkhard Fritz, sondern eher ein würdiger Herr mit einem soliden Tenor, bei dem man nicht immer überhören konnte, wie anspruchsvoll die Partie ist. Auch Wolfgang Koch entsprach mit seinem aufgerauten Bariton nicht den Hörgewohnheiten, die nach mehr mildem Balsam in der Stimme lechzen. Aber sieht man von diesem Manko ab, war seine Leistung eine durchaus beachtliche. Ihre großen Momente hatten die drei Damen sämtlich in den lyrischen Teilen ihrer Partie, so die Färberin von Iréne Theorin unter anderem bei „Barak, mein Mann…“, die Kaiserin von Camilla Nylund mit „Vater, bist du’s….“ und die Amme von Michaela Schuster mit den gleisnerischen Verlockungen gegenüber der Färberin. Aber auch wo es hochdramatisch wurde, leisteten die Drei Erstaunliches. Aus dem Ensemble taten sich Roman Trekel als Geisterbote und Karl Michael Ebner, Alfredo Daza sowie Grigory Shkarupa als Baraks Brüder hervor.

Offensichtlich waren einige Striche aufgemacht worden, so dass die Aufführung gut viereinhalb Stunden dauerte und sich durchaus auch so anfühlte. Es muss nicht gleich große, zudem etwa noch exotische Märchenoper, kann aber durchaus ein bisschen mehr Theaterzauber sein, als nun im Schillertheater zu erleben ist. Bejubelt wurden Die Sänger sowie Dirigent und Orchester, gemischt mit Buhs war der Beifall für das Regieteam.

Vor der Premiere hatte Daniel Barenboim seine Pläne für die Festtage 2018 bekannt gegeben. Neben Parsifal im dritten Jahr wird es als Neuproduktion Verdis Falstaff in der Regie von Mario Martone und mit Michael Volle in der Titelpartie geben. Die Premiere ist für den 25. März vorgesehen.

Fotos Hans Jörg Michel

10.4.2017 Ingrid Wanja