Berlin: „Viva Verdi!“

Wie die Deutsche Oper im September präsentierte nun auch das Haus Unter den Linden eine Operngala mit Auszügen aus Werken von Giuseppe Verdi. Unter dem Titel Viva Verdi! brachten am 11. 10. 2020 international renommierte Sänger Arien, Duette und Ensembles aus insgesamt vier Werken des italienischen Komponisten zu Gehör. Simone Young am Pult der Staatskapelle Berlin eröffnete das Programm mit dem so energisch pulsierenden wie kantablen Preludio aus der Forza del destino. Die Dirigentin ließ auch später mit atmosphärischen Einleitungen der Solonummern immer wieder aufhorchen.

Die meisten der mitwirkenden Künstler sind der Staatsoper seit Jahren verbunden, so auch die russische Sopranistin Liudmyla Monastyrska, deren fulminante Briefszene der Lady Macbeth als erster vokaler Beitrag sogleich einen Höhepunkt des Abends markierte. Die Sängerin mit ihrer voluminösen Stimme von sieghafter Durchschlagskraft und furchtloser Attacke der Spitzentöne zeichnete ein eindrückliches Porträt der Figur mit ihrem skrupellosen Ehrgeiz, vermochte in der Cabaletta aber auch ihr technisches Vermögen bei den kleinen Notenwerten zu demonstrieren. Im Duett mit Macbeth faszinierte ihr verschlagener Ausdruck, so dass die Szene – auch dank des Baritons Alexey Markov mit seiner kraftvollen, dunklen Stimme von finsterem Ausdruck – zu einer spannungsgeladenen Auseinandersetzung des Paares geriet. Zwei beliebte Nummern aus dieser Oper folgten – Bancos „Studia il passo“ mit dem Bassisten Alexander Tsymbalyuk, dessen warme, kantabel strömende Stimme von großer Autorität überwältigende Wirkung hinterließ. Im tenoralen Highlight, Macduffs „ Ah, la paterna mano“, offenbarte Sergey Skorokhodov viel Material von heldischer Grundierung, allerdings auch einige veristische Effekte.

Das tragische Porträt eines einsamen Herrschers zeichnete Kwangchul Youn mit der großen Szene des Filippo, „Ella giammai m’amò“, aus Don Carlo. Der Bass klang weniger balsamisch als erinnert, wirkte in den großen Ausbrüchen zunächst verhalten, steigerte den Monolog aber zu beklemmender Ausdrucksdichte. Patriotische Emphase atmete das Duett Carlo/Posa, „Dio, che nell’alma infondere“, mit Skorokhodov und Markov. In der Beliebtheitsskala der Verdi-Opern ist der Simon Boccanegra noch immer noch immer an unterer Position, aber die beiden Ausschnitte im Programm zeigten eindrücklich das Ausnahmeniveau des Werkes. Der Bassist Adrian Sampetrean bot mit reizvoller, individuell timbrierter Stimme, die nur in der Extremtiefe schmal klang, Fiescos düstere Arie „Il lacerato spirito“. In dessen Duett mit dem Titelhelden, „Piango, perchè mi parla“, hörte man neben der imponierenden Stimme von Tsymbalyuk den Bariton Vladimir Sulimsky, dessen anfangs knurriges Timbre der Gewöhnung bedurfte, der aber mit zunehmend wachsender Energie zu fesseln wusste.

Auszüge aus dem beliebten Trovatore bildeten den letzten Teil des Programms. Hier hatte die Sopran-Diva des Abends Gelegenheit, mit Leonoras Auftrittskavatine „Tacea la notte placida“ zu brillieren. Die Stimme wurde nun schlanker geführt, klang heller und leuchtender und imponierte in der doppelt gesungenen Cabaletta mit fein getupften Tönen. Im Terzett mit Manrico und Luna gab es enorme Stimmgewalt und prunkende Spitzennoten zu hören, denn zur Sopranistin gesellten sich Sulimsky und der Tenorstar Marcelo Àlvarez. Er vereinte seine potente, heroische Stimme in zwei Szenen Manrico/Azucena auch mit der Lettin Violeta Urmana. In ihr angestammtes Fach des Mezzosoprans zurückgekehrt, ließ sie eine resolute Stimme mit imposanten Brusttönen hören und erfüllte ihren Vortrag mit immenser Spannung. Das Finale ultimo mit den vier Interpreten besaß dank ihres bedingungslosen Einsatzes eine fast szenische Unmittelbarkeit. Der Jubel am Ende verriet den Wunsch des Publikums nach einer baldigen Fortsetzung dieser Viva!-Reihe.

Bernd Hoppe, 12.10.2020