Rodgers & Hammersteins
Digitale Premiere: 25.12.2020
Ursprünglich stand in der Staatsoperette Dresden Ende November die Premiere der Musical-Neuproduktion „Cinderella“ von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II auf den Spielplan. Da diese wegen der aktuellen Pandemie nicht stattfinden konnte, hatte man sich in Dresden dazu entschlossen, die märchenhafte Inszenierung am 12. Dezember 2020 aufzuzeichnen über die beiden Weihnachtsfeiertage online zum Abruf bereitzustellen. Hierzu konnte der Zuschauer aus vier Preisgruppen zwischen 3 Euro und 25 Euro seinen „Eintrittspreis“ selber bestimmen. Hierzu die Intendantin der Staatsoperette Kathrin Kondaurow im Originalton: „Nachdem wir unsere Premiere nicht wie geplant am 28. November live vor Publikum herausbringen konnten, war es mir ein großes Anliegen, unser fantasievolles Familienmusical gerade in der Weihnachtszeit unserem Publikum zu präsentieren. Und so betreten wir Neuland und kommen mit einer professionellen Videoaufzeichnung einer Vorstellung ohne Publikum in die Wohnzimmer unserer Zuschauer. Ein Weihnachtsgeschenk an unser treues Publikum, das wir schmerzlich vermissen. Und so hoffen wir, mit der berührenden, klanggewaltigen Erzählung von Ella und ihrem Prinzen den unvergleichlichen Theaterzauber in viele Haushalte bringen zu können.”
Und ja, auch wenn ein echter Theaterzauber bei mir persönlich nur live vor Ort im Theater entstehen kann, so gelang es der Staatsoperette doch mit einer wirklich sehr gut gefilmten Produktion, mir in zwei unterhaltsamen Stunden einmal mehr klar zu machen, was einem derzeit bei den vielen geschlossenen Häusern alles fehlt. Die Inszenierung von Geertje Boeden ist in den ersten Minuten vielleicht etwas abstrakt, entfaltet dann aber durch eine stringente Umsetzung ihren ganz eigenen Charme mit ihrer grotesk überspitzten Darstellung der einzelnen Figuren. Dazu sind die Kostüme von Sarah Antonia Rung passend und mit vielen Details märchenhaft gestaltet. Die Ritter erinnern hierbei vielleicht etwas an Monty Phyton´s „Spamalot“, was aber wohl weniger an den Kostümen, sondern eher dem fingierten Ritt auf unsichtbaren Rössern liegen mag. Das Orchester der Staatsoperette liefert zudem unter der musikalischen Leitung von Christian Garbosnik einen durchaus vollen Klang ab, sofern dies am heimischen Fernseher aus den kleinen Lautsprechern überhaupt bewertet werden kann. Dazu sind auch der Chor und das Ballett des Hauses in die Produktion involviert, der man nur selten anmerkt unter welchen schwierigen Bedingungen diese Inszenierung umgesetzt werden muss. Natürlich sind Berührungen verboten und so muss Cinderella ihre Stiefschwester beispielsweise mit 2 Meter Abstand symbolisch trötend durchs Haar streicheln. Geschickt werden auch Handschuhe bei den Palastangestellten ins Kostüm integriert und Cinderella trägt im Hause der bösen Stiefmutter eine Art Haushaltshandschuhe, damit Requisiten problemlos übergeben werden können. Doch stopp, manch einer fragt sich nun vielleicht warum Cinderella ihre Stiefschwester überhaupt trösten muss, kommt dies im Märchen doch gar nicht vor. Die Antwort ist ganz einfach, denn das Musical hält sich etwas freier an die Cinderella-Story und mischt diese mit einer Prise Gesellschaftspolitik. So weiß der Prinz zum Beispiel gar nicht, wie sein Volk unter den Beschlüssen des Thronverwalters Sebastian leidet, die der Prinz stets mit vollem Vertrauen und ohne sie zu lesen unterzeichnet. Hiergegen will Jean-Michel, ein politischer Aktivist, vorgehen, der zudem unsterblich in Gabrielle, Cinderellas Stiefschwester, verliebt ist. Diese erwidert seine Liebe zwar, doch die Stiefmutter (hier genannt Madame) hat andere Pläne mit ihr, schließlich soll Gabrielle den Prinzen heiraten. Doch hier nimmt das Märchen dann wieder den bekannten Werdegang und der Prinz findet schließlich mit Hilfe eines gläsernen Schuhs seine wahre Traumfrau in Cinderella, nachdem man sich zuvor bereits mehrmals begegnet ist.
Komische Momente liefert vor allem die zu Beginn etwas dumm dargestellte Gabrielle, die allerdings als einzige Person auf dem Maskenball die wahre Identität der unbekannten Schönen erkennt. Allgemein kommt der Humor in dieser Inszenierung nicht zu kurz und wird treffend eingesetzt. Beispielhaft genannt seien an dieser Stelle nur die Steppnummer der Stiefmutter in ihren Stoffpantoffeln oder der Prinz, der mit seinen mindestens 10 Vornamen immer wieder für allgemeine Heiterkeit sorgt. Im Rahmen der Einladung zur Brautsuche fällt außerdem fast beiläufig der Satz, dass selbstverständlich alle Gäste sehr zeitgemäß Masken tragen werden. Schön umgesetzt und durchaus nennenswert ist zudem die Verwandlung eines Kürbis zur Kutsche für Cinderella, indem „Ella“ wie sie meist genannt wird den Kürbis in die Zauberbox der Fee wirft und auf der Bühne durch ein Schattenbild hieraus die große Kutsche entsteht.
Gesanglich gibt es auch wenig zu bemängeln, die Rollen sind allesamt aus dem eigenen Ensemble treffend besetzt. Besonders gefallen kann hier Gero Wendorff als Prinz Christopher, neben dem Laila Salome Fischer in der Titelrolle leider leicht abfällt. Dennoch zählt ihr Duett „Ich kenn dich erst 10 Minuten“ sicher zu einem der schönsten Momente des Abends. Auch „Wer bin denn ich?“ bleibt als Solonummer des Prinzen in bleibender Erinnerung. Allgemein ist die deutsche Fassung von Jens Luckwaldt durchgängig gut gelungen. In den weiteren Rollen überzeugen Silke Fröde als gute Fee Marie, Bryan Rothfuss als durchtriebener Thronverwalter Sebastian, Ingeborg Schöpf als Madame, Timo Schabel als Jean-Michel und Dietrich Seydlitz als Graf Dingelstein. Besonders herauszuheben sind neben den hervorragenden gesanglichen Darbietungen auch die komödiantische Spielweise der beiden Stiefschwestern Lisa Müller als Gabrielle und Jeannette Oswald als Charlotte. Ein Besuch dieser Inszenierung kann allen Opernfreunden ans Herz gelegt werden, wenn „Cinderella“ dann hoffentlich im Juli 2021 mit Publikum in der Staatsoperette Dresden zu sehen sein wird. Auch wenn das Werk offiziell als Musical auf dem Spielplan steht, ist die allgemeine Ausrichtung des Werkes doch sehr operettenhaft und passt somit perfekt an dieses Haus.
Markus Lamers, 30.12.2020
Bilder: © Pawel Sosnowski