Dresden: „Giuditta“

weiß in Dresden aufzufallen und zu gefallen

Leichte Inszenierungsfragen trüben nicht den positiven Gesamteindruck

(besuchte Aufführung „Zweitpremiere“ am 22. Juni 2013)

Ja, jetzt war ich zum dritten Mal in der Staatsoperette Dresden – und muss einfach konsternieren, dass die Staatsoperette immer für Überraschungen gut ist. Nach einem tollen „Graf von Luxemburg“, einer etwas zwiespältige Inszenierung der „Nacht in Venedig“, mit einem für mich stimmlich sehr gebremsten Herzog von Urbino. Und genau dieser Steffen Schantz, um dessen Töne ich bei der „Nacht in Venedig“ noch so gebangt habe, bringt diesmal als Octavio, die – aus meiner Sicht – beste Leistung aller Akteure auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Aber alles der Reihe nach.

Es ist bekannt, dass Franz Lehár den Drang zur Oper hatte und mit seinem Spätwerk „Giuditta“ diesem Traum von der Oper ein ganzes Stück näher kam. Viele durchkomponierte Stellen und – das ist normalerweise für eine ordentliche Operette tödlich – keinem Happy End. Ich gebe auch gerne zu, dass mich die „Regieeinfälle“ von Regisseur Robert Lehmeier nicht sonderlich berührten und Gott sei Dank auch so im Hintergrund spielten, dass man sie auch – mit etwas gutem Willen – übersehen konnte. Ein jüdisches Paar, welches durch alle Akte schlurft und sich am Ende vergiftet (mitten im wunderschön gesungenen Finale von Octavio und Guiditta), ein Lord Barrymore, der sich am Ziel seiner Träume angelangt erschießt, kranke Soldaten „bedienende“ Schwestern, das alles passte nicht so recht in den Rahmen, der sonst recht flott inszenierten Operette. Man will Unterhaltung mit Betroffenheit mischen, manche glauben, dass dies gelungen ist, ich glaube, dass dies nicht unbedingt sinnvoll ist und von der Musik und dem Geschehen auf der Bühne ablenkend, der Operette mehr schadet als nützt. Ich gebe aber gerne zu, dass für mich, auch heute noch, Operette unbeschwerte Unterhaltung ist, auch wenn es einmal kein Happy End gibt. Für Vergangenheitsbewältigung sollte man aber die herrlichen Melodien nicht hernehmen. Wenn man diesen Bereich also – wie ich es getan habe – überging, blieb eine recht gut in Szene gesetzte Operette übrig, die auch musikalisch und gesanglich einiges zu bieten hatte und das Publikum rundum überzeugte.

Wollen wir also nicht zu viele Gedanken für – aus meiner Sicht – „Nebensächlichkeiten“ verschwenden, sondern uns dem widmen, was diese Operette ausmacht und was ihr keine Inszenierung nehmen kann, der wunderschönen Musik von Franz Lehár.

Christian Garbosnik führte das Orchester mit straffer Hand, ließ es aber auch schwellen und schwelgen. Leider ließ er die orchestralen Wogen teilweise etwas zu sehr fließen, so dass sich die Sänger doch recht schwer taten, sich gegen diese Klangfluten zu behaupten und mitunter etwas zugedeckt wurden. Lehárs Musik jedoch blühte auf und verzauberte die Zuhörer. Und genau das soll Operette tun, sie soll ihre Zuhörer für einige Stunden verzaubern und in Fernen führen, in denen man schwelgen und seine Alltagswehwehchen vergessen kann. Es gibt nichts Schöneres, als wenn die Besucher einer Operette mit glücklichem Lächeln und dem Summen der „Gassenhauer“ des jeweiligen Stücks nach Hause ziehen. Wegen dieser meiner Überzeugung wehre ich mich halt auch immer ein bisschen gegen die regielichen „Verbesserungen“ der Operette, weil sie in der Regel nichts verbessern, sondern vom schwelgerischen Leichtsinn und der Leichtigkeit ablenken und das Gemeinschaftserlebnis, „heute habe ich mich rundum wohlgefühlt und die Musik hat mich für einige Stunden verzaubert“, nicht in dem Rahmen aufkommen lassen, der ihm gebührt. Doch zurück zu den Protagonisten.

Der Chor war hervorragend aufgelegt und akribisch eingestimmt. Bei den Solisten gab es kaum Abstriche zu machen. Eigentlich nur ein ganz kleines bisschen bei der sonst höhensicheren und ausdrucksstarken Giuditta von Elke Kottmair. Es gab musikalisch praktisch nichts an ihr auszusetzen, aber sie war mir etwas zu brav, zu sehr Hausfrau und zu wenig männermordender Vamp. Wobei die Szene, in der Lord Barrymore sie an der eigenen Halskette über die Bühne zieht, auch die Zerrissenheit dieser Giuditta eindrucksvoll zeigt. Ihr zur Seite der Octavio von Steffen Schantz. Und ich muss gestehen, dass ich vor meinem Besuch enttäuscht war, dass er diese Partie singt, nach dem schwachen Herzog von Urbino, bei welchem er vermutlich nur einen rabenschwarzen Tag erwischt hatte. Denn ich muss anerkennen, dass ich selten einen solch stimmschönen, durchschlagskräftigen Tenor wie ihn in dieser Partie erlebt habe. Schon bei seinem Auftrittslied „Freunde, das Leben ist lebenswert“ setzte er sich mit Feuer, Leidenschaft und wunderschönen Passagen eindrucksvoll durch und auch die Höhe kam locker leicht, schmelzend und durchschlagskräftig. Und da merkt man dann auch, dass die menschliche Stimme ein lebendes Organ ist und nicht jeden Tag zu Höchstleistungen fähig. An diesem heutigen Tag war Schantz für mich jedenfalls die Idealbesetzung für den Octavio.

Nett anzuschauen, spielfreudig und auch gesanglich tadellos und voll auf der Höhe war das Buffopaar mit Hauke Möller als Pierrino und Isabell Schmitt als Anita. Sie wirbelten über die Bühne, dass es eine wahre Pracht war und konnten beide nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch voll überzeugen.

Frank Blees gab in seiner etwas ungünstigen Clownmaskerade einen überzeugenden Manuele, den verlassenen Ehemann Guidittas und Christian Grygas als Lord Barrymore überzeugte ebenso wie Hans Jürgen Wiese als Herzog und Dietrich Seydlitz als Ibrahim, dem Besitzer des „Alcazar“. Die Sänger, aber auch das Orchester, ließen den Abend zu einem gelungenen Abend werden, auch wenn meine Frau wieder ein paar Tränen verdrücken musste. Aber das lag nicht daran, dass ihr der Abend nicht gefallen hatte, im Gegenteil, das lag daran, dass die Giuditta halt so furchtbar traurig endet und der arme Octavio sein Leben allein als Barpianist verbringen muss. Insgesamt ein schöner Abschluss der Operettenaufführungen in dieser Saison. Freuen wir uns auf die nächste Saison und auf hoffentlich viele schöne und entspannte Abende, in welchen wir uns von der schönsten Nebensächlichkeit der Welt, der Musik, verzaubern lassen können.

Manfred Drescher Bilder: Staatsoperette Dresden