Hannover: „Titus“

Premiere am 4. Juni 2016

Aufs Wesentliche konzentriert

Daniel Eggert/Hanna Larissa Naujoks/andere Servilia/Uwe Stickert

Wie schön, dass es das noch gibt: Der junge Regisseur Tobias Ribitzki setzt in seiner Inszenierung von Mozarts opera seria „La clemenza di Tito“ voll auf die Sänger-Darsteller und verzichtet wohltuend auf jeden Bühnenzauber. Florian Parbs hat die braunen Verkleidungen und Türen des Zuschauerraumes bis auf die Bühne gezogen; so entsteht der Eindruck, dass die Opernbesucher etwas näher am Geschehen sind. Auf der eigentlichen, zurückgesetzten Bühne, die eine Schräge ohne jede Kulisse ist, wird nur dann agiert, wenn Titus dabei ist. Alle Beteiligten einschließlich der Choristen tragen zeitlose blaue Kleidung – lediglich bei den beiden Frauen Vitellia und Servilia sowie bei Titus weicht das Outfit gegenüber der Einheitskleidung ab (Kostüme: Rebekka Zimlich).
„Titus“ wird von manchen als Rückschritt gegenüber den genialen Da-Ponte-Opern angesehen; dabei wird vielfach übersehen, dass Mozart mit den überkommenen Elementen der opera seria spielt und sie anders als damals erwartet verwendet, was zu dem berühmten, der Kaiserin Maria Louisa in den Mund gelegten Ausspruch führte: „Porcheria tedesca“ (eine deutsche Schweinerei).

In Hannover wird durch die äußerst schlichte Szene bewirkt, dass alles auf die Musik und das Dreiecksverhältnis Vitellia/Titus/Sextus konzentriert ist. Hier äußern sich zutiefst menschliche Gefühle und entwickeln sich ausgesprochen spannend, was sich auch auf die Randfiguren Servilia und Annius auswirkt. Und dieses sich jeweils verändernde Liebes- und Machtverhältnis haben Ribitzki durch exquisite Personenführung und die Protagonisten in den temperamentvoll ausgespielten Rezitativen (souverän am Hammerklavier Maxime Perrin) plastisch und gut nachvollziehbar herausgearbeitet.

Anderer Sextus/Uwe Stickert

Exzellent gelang am Abend der Wiederaufnahme die musikalische Verwirklichung; das lag zunächst an Hannovers 1. Kapellmeister Benjamin Reiners. Sicher und zugleich lebhaft sorgte der junge Dirigent für Präzision und Transparenz des ausgezeichneten Niedersächsischen Staatsorchesters, wobei die glänzenden solistischen Leistungen von Katharina Arend (Klarinette) und Ralf Pegelhoff (Bassetthorn) hervorgehoben werden sollen.

Das gegenüber der Premiere im Juni veränderte Ensemble hatte stimmlich und gestalterisch hohes Niveau: Von besonderer Güte war Monika Walerowicz als zwischen der tiefen Freundschaft zu Titus und der Liebe zu Vitellia hin und her gerissener Sextus; ihr bruchlos durch alle Lagen geführter Mezzo begeisterte durch seinen Farbenreichtum, wobei auch die erforderliche dramatische Attacke nicht fehlte. In der Titelpartie gefiel Uwe Stickert mit ebenmäßigem lyrischem Tenor; in den Selbstzweifeln ging es durchaus dramatisch zur Sache, ohne dass darunter die Konstanz der Stimmführung verloren ging. Als Vitellia erlebte man Hulkar Sabirova, die den Wandel von der kalt berechnenden zur tief bereuenden Frau glaubwürdig darzustellen wusste. Ihr höhensicherer Sopran imponierte anfangs mit gestochenen, blitzsauberen Koloraturen und im großen Rondo „Non più di fiori“ mit lyrischer Emphase. In den kleineren Rollen gefielen mit hellem Mezzosopran Hanna Larissa Naujoks (Annius), schönstimmig Athanasia Zöhrer (Servilia) und mit profundem Bass Daniel Eggert (Publius).

Uwe Stickert/Chor

Seine wenigen Aufgaben erfüllte der Chor in der Einstudierung von Dan Ratiu gut ausgewogen und klangprächtig.

Das Publikum war zu Recht rundum begeistert und spendete langanhaltenden
mit Bravo-Rufen vermischten Beifall.

Gerhard Eckels 14. September 2016

Bilder (c) StOp / Landsberg