Meiningen: „Don Pasquale“

Abschied für einen großen

am 21.06.2015

Premiere am 24.04.2015

Etwas grelle, aber musikalisch tolle Aufführung aus einem Guss

Wieder einmal fuhr ich mit 50 Freunden nach Meiningen, wieder einmal haben wir es nicht bereut, wieder einmal waren alle zufrieden. Dass Schöne an Meiningen ist, dass man hier praktisch nie einen Ausfall erlebt, sondern immer hochinteressante, manchmal diskussionswürdige aber immer musikalisch bestechende Aufführungen. Regie führt Knut Weber, er ist der Intendant des Theaters Ingolstadt und es ist hier in Meiningen als Gastregisseur seine erste Operninszenierung. Dafür ist sie recht gut gelungen. Weber überzeichnet seine Geschichte manchmal etwas, sein Don Pasquale ist kein zittriger Greis, sondern ein vitaler älterer Mann mit viel zu viel Geld und viel zu viel falschen Freunden. Dr. Malatesta hat geradezu teuflische Züge an sich, alles verstärkt durch die bunten knalligen Kostüme von Christian Rinke. Alles ist bunt, leicht übertrieben, aber insgesamt recht stimmig. Der Regieeinstand von Knut Weber kann bedenkenlos als gut gelungen bezeichnet werden.

Das Publikum lässt sich von der Komödie einfangen, geht gut mit und ist in jedem Falle sehr amüsiert. Man hat an dieser Aufführung Spaß – und das ist doch schon die halbe Miete. Die andere Hälfte sind die Sänger, doch dazu gleich mehr. Die Geschichte des alternden, nach Liebe schmachtenden, Don Pasquale ist schnell erzählt. Der diabolische Dr. Malatesta zieht alle Fäden und spielt dem gut- und leichtgläubigen Don Pasquale, mit dem man fast Mitleid bekommen kann vor, dass seine Schwester, die diese natürlich gar nicht ist, ihn heiraten möchte. Er gaukelt ihm vor, dass sie tugendsam, sparsam, glaubensstark und überaus fleißig die richtige Entscheidung für seinen Lebensabend ist. Nach der fingierten Hochzeit entpuppt sich Norina als Teufelchen in Menschengestalt. Sie schmeißt das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster, führt Don Pasquale an der Nase herum und lässt ihn schier verzweifeln. Nein, einen solchen Weibsteufel habe er nicht haben wollen. Um sie nur so schnell wie möglich loszuwerden, gibt er sie seinem Neffen Ernesto, der alles mit eingefädelt hat und dessen große Liebe Norina ist. Am Schluss gibt es ein glückliches Liebespaar, wobei in dieser Inszenierung offen bleibt, ob Norina nicht auch Dr. Maletesto recht gerne sieht, um es vornehm auszudrücken. Don Pasquale erkennt, dass der Abend des Lebens auch alleine schön sein kann und dass die große Liebe, vor allem wenn sie so kratzbürstig ist wie Norina, nicht in sein doch etwas spießbürgerliches Leben hineinpasst. Er ist glücklich wieder alleine zu sein.

Die Meininger Hofkapelle wird von Arturo Alvarado geleitet, und dies ausgesprochen gut. Er versprüht entsprechendes Feuer, lässt das Orchester aufblühen, zuweilen auch energisch auftrumpfen, bei den Gesangsolisten aber wohltuend zurücknehmen, so dass diese nicht gegen die Wogen des Orchesters ankämpfen müssen. Es ist die letzte Station, denn nach der Spielzeit verlässt der Dirigent nach nur 1 ½ Jahren Meiningen. Der Chor des Meininger Theaters, ist von Sierd Quarré gut einstudiert, stets präsent und wartet insgesamt gesehen mit einer abgerundeten ausgezeichneten Leistung auf.

Der Don Pasquale wird von Stephanos Tsirakoglou gegeben und auch er verlässt nach drei Jahren am hiesigen Theater nach dieser Spielzeit Meiningen, um in die USA zu gehen. Er hat einen sehr beweglichen, noblen kräftigen runden Bass, der in allen Facetten seiner Rolle vollauf überzeugen kann. Darstellerisch bietet er eine herrlich komödiantische Leistung, man merkt ihm richtig an, dass er an dieser Rolle seinen Spaß hat und diese reine Spielfreude springt auch auf das Publikum über. Vom Publikum wird er am Ende mit frenetischem Beifall gewürdigt und aus Meiningen verabschiedet. Geani Brad verkörpert den listigen verschlagenen und gewitzten Dr. Malatesta. Und auch er weiß voll zu überzeigen. Stimmlich mit rundem angenehmen und weichem Bariton, spielerisch mit diabolischen Zügen, was auch die Maske verstärkt, bietet er eine vollkommen überzeugende Leistung und auch er wird mit stürmischem Beifall bedacht. Als Norina kann Monika Reinhard nicht nur voll überzeugen, sondern zu begeistern.

Ich gebe gerne zu, dass ich enttäuscht war, dass an diesem Tag Elif Aytekin nicht sang, sondern die junge, erst seit dieser Spielzeit in Meiningen befindliche Sopranistin. Mit zartem und dennoch durchschlagkräftigem Sopran, weich und vollmundig, mit glockenhellen Höhen und begeistert gefeierten Koloraturen weiß sie sofort für sich einzunehmen. Dazu kommt ein lockeres, attraktives Spiel, welches alle Zuschauer sofort für sie einnimmt. Mit Sicherheit hat diese junge Sopranistin noch eine große Zukunft vor sich. Und ich habe wieder einmal gelernt, dass man nicht so voreingenommen sein soll. Tosender Applaus und Bravorufe nach dieser exzellenten Leistung. Als Ihr Geliebter Ernesto kann man Xu Chang erleben. Bei ihm sitzt jeder Ton, seine bombige Höhe ist schier unendlich und er kann die höchsten Tonberge mühelos erklimmen. In seiner Darstellung ist er leider – wie fast immer – ein bisschen steif und zurückhaltend. Doch dies wird von seinem Bombentenor mehr als ausgeglichen. Mikko Järviluoto als Notar ergänzt die Sängerriege vorzüglich und er macht aus seiner relativ kleinen Rolle das Beste. Langanhaltender fast nicht enden wollender Applaus für einen erneut musikalischen Höhepunkt in Meiningen. Schon heute freue ich mich auf die „Lucia di Lammermoor“, welche ich mir als nächstes in Meiningen anhören werde. Froh gestimmt verlassen die Besucher die Oper, fröhliche Blicke überall, gute Laune und Spaß – und was will man mehr von einem Opernabend der komödiantischen Art erwarten.

Manfred Drescher, 27.06.2015

Fotos Theater Meiningen