Meiningen: „Heiße Zeiten“

Von Tilmann von Blomberg

Die Wechseljahre-Revue

Meininger Staatstheater, Premiere am 03.07.2021

Darf es ein Glas Sekt sein oder einfach nur der Genuss dieses lauschigen Sommerabends vor der Traumkulisse des Meininger Staatstheaters, das seinem Publikum an diesem dritten Spieltag nach einer tristen Zeit den roten Teppich ausrollt? Selten sieht man so viele heitere Gesichter. Und dann erst das Bühnenbild: Wir befinden uns in der Abflughalle eines Flughafens, im Vordergrund der Wartebereich, im Hintergrund der Blick auf eine große Maschine in Startposition. Wenn da nicht Vorfreude auf einen unbeschwerten Urlaub aufkommt!

Hier treffen vier Frauen aufeinander, die einen Flug nach New York gebucht haben:

Die Karrierefrau, 52, Anja Lensen, freizügig und offen, die auf dem Weg zu einem enorm wichtigen Geschäftstermin ist und eine Vorliebe für One-Night-Stands hat

Die Hausfrau, 53, Christine Zart, die das erste Mal in ihrem Leben fliegt, deren Gedanken ständig um die Familie kreisen und die besorgt ist, ob die ein paar Tage ohne sie auskommen kann.

Die Junge, 42, Evelyn Fuchs, die unbedingt schwanger werden will, aber einen zeugungsunfähigen Verlobten hat und hysterisch die biologische Uhr im Blick hat

Die Vornehme, 57, Ulrike Walther, die sich herablassend und distanziert gibt und Stress mit ihrem penetranten Vater hat

Weil sich der Abflug immer wieder verzögert, finden die doch sehr unterschiedlichen Damen ein gemeinsames Thema, das sie alle umtreibt: die Wechseljahre.

Wenn diese vier Frauen mit Schwung, Temperament und hinreißender Komik über die Bühne rocken, von Schweißausbrüchen, Libidoverlust, Gewichtszunahme, Falten und Vergesslichkeit erzählen und singen, ziehen sie die Zuschauer unwiderstehlich in ihren Bann. Wer hier perfekte Gesangsgenies sucht, muss ein Auge zudrücken. Trotzdem stimmt einfach alles: voller Körpereinsatz, bändesprechende Mimik und Herzblut. Mal witzig, mal sentimental, mal bissig und wütend präsentieren sie die Wechseljahre nicht nur für Frauen.

Nein, auch die Männer sind elektrisiert und lassen sich mit sichtlichem Vergnügen einen Aufklärungsshot über Slipeinlagen, Renifemin und Skin Viva reinpfeifen. Kein Thema ist tabu. In schonungsloser Offenheit keckern die Darstellerinnen über Inkontinenz, simulieren Harndrang, diskutieren Befruchtungsmöglichkeiten und sind sich trotz aller Verschiedenheit gänzlich einig: Ehemänner sind undankbare und unsensible Geschöpfe. Und trotzdem schaffen sie sie nicht ab. Keiner kann sich der Stimmung dieses komödiantischen und musikalischen Feuerwerks entziehen. Der Blick in die Zuschauerreihen auf ein fasziniertes Publikum, das vor Vergnügen quietscht, dürfte den vier Superweibern in dem zweistündigen Programm den Spaß an ihrem Auftritt noch vergrößert haben. Der erfolgreiche und preisgekrönte Regisseur Thomas Helmut Hepp inszenierte diese hinreißende Revue mit irre komischen Dialogen und legendären Pop- und Rocksongs der 70er bis 90er Jahre, die themagerecht umgetextet und von der musikalischen Leitung Thomas Kässens neu arrangiert wurden.

„What a feeling“, „Pretty Woman“, „Lady Marmalade“ oder „I will survive” kennt jeder. Die Live-Band unter der Leitung der Stewardess Virginia Breitenstein befeuerte mit Drive und entsprechender Lautstärke dieses köstliche Hormonspektakel. Ein Erfolg? Standing Ovations, nicht endender Applaus, auch von den Männern und eine Zugabe: „Fly me to the Moon“

Gerade nach der Leichenstarre der letzten Monate ist „Heiße Zeiten“ eine wunderbar leichte Rückkehr in die Kulturszene.

Inge Kutsche, 6.7.2021

Bilder (c) Staatstheater