Meiningen: „Schwarzwaldmädel“

Besuchte Vorstellung 02.06.2019

Premiere 07.12.2018

Das Publikum erfreut sich an der Geschichte über die heile Welt mit tollen Stimmen

Wer erinnert sich von den Älteren nicht gerne an den wunderschönen Farbfilm aus den 50er Jahren mit Sonja Ziemann, Rudolf Prack und Paul Hörbiger über das „Schwarzwaldmädel“ und wer hat nicht viele der eingängigen und einschmeichelnden Melodien der wunderschönen Operette von Léon Jessel im Ohr. Damals ein Kassenschlager im Kino, heute eine nostalgische Reise zurück in die rührselige Geschichte aus dem Schwarzwald. Der der Jugend schon länger enteilte Domkapellmeister Blasius Römer glaubt eine neue Liebe zu erleben. Er meint nämlich, dass das Bärbele, auch als „Lumpenprinzessle“ von den Dorfbewohnern eines erfundenen Ortes im Schwabenländle bezeichnet, und im Dorf als Außenseiterin behandelt, sich in ihn verliebt hat. Die beiden fröhlichen Handwerksburschen Hans und Richard, die verlassene Geliebte Malwine, die den beiden nachreist, der Ochsenwirt Jürgen, der praktisch fast alle Ämter des kleinen Fleckens in sich vereint hat, und der allem, was da auf ihn zukommt „machtlos vis-á-vis“ steht, ein Ausspruch der sich durch das ganze Stück zieht, der Berliner Urlauber Schmusheimer, der sich überall einmischt und alles besser weiß, sie alle tragen dazu bei, ein fröhliches, lustiges, teilweise etwas verworrenes Spiel ablaufen zu lassen, welches am Ende, wie könnte es in einer Operette (fast) anders sein, zu einem gewaltigen Happy End führt und einen glücklichen Ort zurücklässt. Und das Stück lässt nicht nur einen glücklichen Ort zurück, sondern auch glückliche Menschen im bis auf den letzten Platz ausverkauften Meininger Theater, wo es meine fast 50 Mitreisenden nicht bereut haben, dabei gewesen zu sein.

Robert Bartneck – Ondrej Saling – Stan Meus – Marianne Schechtel – Monika Reinhard

Diese einfache ländliche Geschichte wird Gott sei Dank, ohne große Änderungen in der Geschichte vorzunehmen auf die Bretter in Meiningen gestellt. Ein großes Dankeschön an den Regisseur Tobias Rott. Er stellt nicht sich in den Vordergrund mit einer nicht nachvollziehbaren Inszenierung, nein, er bringt die Geschichte schnörkellos, im Lokalkolorit, ländlich bedächtig, aber genügend spritzig voranschreitend auf die Bühne. Eine wohltuende Inszenierung, an der man einfach nur seinen Spaß haben kann. Auch das Schwäbeln wird nicht übertrieben, man kann allem ohne Probleme folgen und ist immer „im Stück“. Die Fäden der Meininger Hofkapelle hält Peter Leipold in seinen bewährten Händen, und auch von hier gibt es nur Gutes zu berichten. Mit straffer Hand führt er das Orchester durch die wunderschöne Melodienwelt, lässt es aufbrausen, wo es notwendig ist, es aber gleichzeitig auch ein bisschen zurücknehmen, wenn die eine oder andere Gesangstimme dadurch etwas bedroht erscheint. Schmeichelnd klingen die Töne aus dem Orchestergraben, umfließen die Szene und die Sangessolisten und insgesamt spielt die Hofkapelle, wie man es von ihr gewohnt ist, sauber, präzise, zurückhaltend und leidenschaftlich, einfach so, wie es die jeweilige Situation verlangt. Auch der von André Weiss in Szene gesetzte Chor weiß voll zu überzeugen und man bewundert immer wieder die Leidenschaft, mit welcher sich die Choristen in ihre Aufgaben werfen. Man merkt ihnen richtig an, wieviel Spaß sie an Ihren Auftritten haben. Und dies überträgt sich natürlich dann auch auf das Publikum. Farbenfroh, der damaligen Umgebung angepasst und einfach nur stimmig, die Kostüme von Kerstin Jacobssen, die den Augen der Zuhörer und Zuseher schmeicheln. Das wunderschön kitschig-einfühlsame Bühnenbild von Christian Rinke passt genau in das Konzept des Regisseurs. Alles etwas grell, bunt, manchmal eine Nuance übertrieben, aber immer gefällig schön anzuschauen und teilweise beeindruckend, auf jeden Fall gefällt es den Zuschauern, die mit Applaus nicht geizen – und dies zu Recht.

Ondrej Saling – Stan Meus – Robert Bartneck

Und nun kommen wir zu dem, was für mich einfach mit das Wichtigste bei einer guten Operette ist, und woran sie nicht selten scheitert, die Sänger. Und hier ist der nächste große Pluspunkt dieser Aufführung. Es gibt keinen wirklichen gesanglichen Ausfall und das ist heutzutage auch nicht mehr gerade üblich. Gott sei Dank hat Meiningen über viele Jahre ein tolles Ensemble und kann gute Kräfte überraschenderweise auch länger an das Haus binden, was für die Entwicklung des jeweiligen Sängers mit Sicherheit keinen Schaden darstellt, im Gegenteil.

In der Rolle des Domkapellmeisters Blasius Römer können wir Stan Meus erleben. Der polnische Tenor ist in diesem Jahr seit 20 Jahren in Meiningen engagiert und in den letzten Jahren hat man ihn praktisch fast nur in kleineren Rollen erleben können. An diesem Nachmittag hat er eine der Hauptpartien, die des alternden sich unsterblich verliebenden Domkapellmeisters Blasius Römer. Und es ist toll, was er aus dieser Rolle herausholt. Zum einen bewältigt er die Partie mit seinem hellen durchschlagenden Tenor, den er energisch einzusetzen versteht und der zum Mittelpunkt des Operettenmärchens wird. Das er auch darstellerisch „alles draufhat“, braucht man nicht extra zu erwähnen, aus jedem Satz, aus jeder Geste spricht seine jahrelange Erfahrung und Bühnenpräsenz. Er berührt in seiner Darstellung, vor allem, wenn er am Ende seiner Liebe entsagen muss, wobei er in Meiningen am Schluss trotzdem nicht ganz frauenlos bleibt. Eine sehr schöne gesangliche und darstellerische Leistung des Urgesteins der Meininger Bühne, der sich den großen Applaus des Publikums redlich verdient hat. Ebenso redlich verdient wie Monika Reinhard als Bärbele, seine Haushaltshilfe, das „Lumpenprinzessle“. Sie ist geradezu prädestiniert für diese Rolle. Die Sopranistin, die in Köln aufgewachsen ist, befindet sich seit 5 Jahren in Meiningen. Mit zartem, weichem, aber dennoch durchschlagskräftigem vollem und hellem Sopran weiß sie voll zu überzeugen. Mit blühenden Höhen und feiner differenzierter Gestaltung gibt sie dem etwas armen, verhärmten, von den anderen Dorfbewohnern verspotteten Bärbele Gestalt und Kontur. Darstellerisch macht sie sich die Rolle zu eigen und kann auch hierfür den wohlverdienten stürmischen Applaus des Publikums entgegennehmen. Eine tolle Darstellung des Bärbele.

Chor des Meininger Staatstheaters

Die beiden Handwerksburschen Hans und Richard sind ebenfalls völlig rollendeckend besetzt. Als Hans erleben wir den in Zlaté Moravce, in der Mittelslowakai geborenen und seit drei Jahren in Meiningen engagierten Tenor Ondrej Saling. Er bringt für die Rolle einen hohen klaren und strahlenden Tenor mit, den er kraftvoll und durchschlagend ausdauernd einsetzt. Auch gestalterisch setzt er Akzente und bietet eine runde Rollendeutung. Auch er erhält starken Beifall des Publikums. Als Richard tritt der junge in Hannover geborenen Tenor Robert Bartneck auf. Er ist die erste Spielzeit in Meiningen und hat einen vollen runden angenehmen, sehr gefälligen Tenor. Seine Stärke liegt mehr in der weichen aber trotzdem kraftvollen Führung seines Organs und in einer ausgesprochen komödiantischen Darstellung seiner Partie. Beide Tenöre ergänzen sich gut, schlagen sich auch in den Duetten bravourös und bringen nicht nur die Damen auf der Bühne, sondern auch das Publikum auf ihre Seite.

Als Malwine von Hainau, kann die Sopranistin Sonja Freitag, in Garmisch-Partenkirchen geboren und seit acht Jahren in Meiningen zu Hause, brillieren. Mit großem, fülligem und sehr beweglichem Sopran füllt sie ihre Rolle vollkommen aus, das kann auch vor ihrer darstellerischen Seite der Malwine sagen. Eine – wieder einmal – tolle Darstellung der sympathischen Künstlerin.

Die in Lübeck aufgewachsene und seit letzter Spielzeit in Meiningen engagierte Mezzosopranistin Marianne Schechtel, setzt in der Rolle des Hannerle, der Tochter des Domkapellmeisters, entsprechende Akzente. Mit warmem klangvollem Mezzo holt sie aus der relativ kleinen Rolle alles heraus und gefällt auch darstellerisch. Ebenso wie Youngkyu Suh, dem aus Seoul in Süd-Korea stammenden Tenor, der seit zwei Jahren im Meininger Chor singt und hier in der Solopartei mit klarem kräftigem Tenor und ansprechendem Spiel ebenso überzeugen kann.

Sonja Freitag – Robert Bartneck

Als Jürgen, dem Wirt des Blauen Ochsen, dem Bürgermeister, dem Feuerwehkommandanten, dem Polizeichef und was sonst noch alles, ist der aus Dortmund stammende Peter Bernhardt zu erleben. Er durchlebt seine Rolle, immer gekrönt von seinem „Da kannscht nix mache, da schtehscht machtlos vis-á-vis“ und hat vor allem das Publikum voll auf seiner Seite, die seinen Auftritt mit großem Beifall begleitet. Man hat an seiner Darstellung einfach nur Spaß, und das ist ja schon sehr viel. In zwei weiteren Sprechrollen sind, ebenfalls beide völlig rollendeckend Ulrike Walther als die alte Traudel, die Hex eben, zu erleben und sie gestaltet ihre Partie mit großer Strenge und ebenso großer Wärme. Als Berliner Urlauber im Schwarzwald ist der gebürtige Arnstädter Peter Liebaug in voller Action und er macht aus seinen Auftritten wahre Kabinettstückchen, die Lacher hat er auf jeden Fall immer auf seiner Seite.

Langanhaltender, herzlicher Applaus am Ende. Die Zuschauer sind wunschlos glücklich, fröhliche Gesichter beim nachhause Gehen, was will man eigentlich mehr. Meiningen ist eine Reise wert, hier spielt man noch mit Herzblut und ich freue mich sehr auf die nächsten Aufführungen.

Manfred Drescher, 08.06.2019

Fotos: Sebastian Stolz, Meiningen