Wiesbaden: „Arabella“

Premiere am 11. März 2018

Aber der Richtige !

Etwas mehr als drei Jahrzehnte ist es her, dass „Arabella“ von Richard Strauss über die Bühne des Hessischen Staatstheaters ging. Der damalige Intendant und Regisseur dieser Produktion, Christof Groszer, zeigte seinerzeit gut umgesetzte Opernkonvention. Große Spuren zog damals die musikalische Realisierung, denn z.T. unterstützte die Arabella-Sängerin der Uraufführung, Viorica Ursuleac, die Einstudierung. Besonders die damalige Wiesbadener Arabella stimmlich raumgreifende Nadine Secunde profitierte hörbar davon. Neben ihr gab es mit Angela Maria Blasi als Zdenka und Hubert Delamboye als Matteo superb perfekte Traumbesetzungen.

Wer damals, wie ich, den Aufführungen beiwohnen konnte, musste intensiv daran denken. Denn natürlich ist die Neuproduktion durch Uwe Eric Laufenberg deutlich anders gelagert. Er verortet seine Inszenierung in der Entstehungszeit, d.h. also in den 1930er Jahren. Dies ergibt keinerlei Mehrwert an Erkenntnis. Im Grund genommen bietet Laufenberg eben auch nur eine konventionelle Inszenierung, die sich lediglich durch die Zeitverschiebung ein klein wenig „innovativ“ dekorieren möchte. Ein völlig unnötiger Effekt. Konsequenter wäre es gewesen, wenn Laufenberg in seiner Inszenierung die Zeitvorgabe der Handlung respektiert hätte. Sein Bühnenbildner Gisbert Jäkel baute dazu eine eher kühl anmutendes Bühnenambiente. Antje Sternberg entwarf die zeitgemäßen Kostüme. Ja, ja, d.h. natürlich auch Nazi-Soldaten-Kostüme. Sonst würde der Zuschauer ja kaum erkennen, dass er „Regie-Theater“ erlebt. Elemer wird hier zum Ober-Nazi und darf mit seinen Schergen Arabellas „Mein Herr Elemer“ dekorieren.

Komödie à la Laufenberg! Folglich spielt der 2. Akt in einer Art Berliner Nachtclub der 1930er Jahre. So., so……Immerhin die so wichtige Treppe im 3. Akt gibt es, hier parallel zum Bühnenportal gebaut und nicht, wie sonst so oft, frontal. Mandryka trank jedoch viel zu früh das Wasser aus, so als habe er Durst. Dabei ist gerade dieser Effekt exakt musikalisch festgelegt, inkl. dem Zerschlagen des Glases. Der einzige ungewöhnliche Moment dieser sonst so faden Inszenierung ergibt sich zu Beginn des 3. Aktes. Hier sieht der Zuschauer einen Film, der zeigt, wie aus Zdenko Zdenka wird und diese dann Matteo im Bett erwartet. Hier wird dann heftig kopuliert, doch dann, wird diese Idee zur „Geschichtsstunde“ und wir erleben im weiteren Film die Weltwirtschaftskrise und die Machtergreifung Hitlers. Weniger wäre mehr gewesen.

Strauss wählte für seine Oper den Untertitel „Lyrische Komödie“. In seiner letzten Arbeit mit seinem genialen Libretisten Hugo von Hofmannstal schuf er ein Werk zum genauen Hinhören. Denn es ist eine eher leise Komödie voller Doppelzüngigkeit und Ironie. Es ist nicht wirklich eine Publikumsoper. Dazu sind die Effekte zu subtil und hintergründig. Und das zeigte auch der für eine Premiere sehr mäßige Besuch und die deutlichen Abgänge in der Pause.

Regisseur Laufenberg erzählt die Geschichte zwar schlüssig konform zur Vorlage. Dabei wirkt seine Lesart ernst und nicht wirklich komödiantisch. Schwach ausgeprägt ist jedoch die Charakterisierung der einzelnen Figuren. Oft schleppte sich der Abend sedierend dahin und die Protagonisten agierten zuweilen hilflos. Und von Mandryka ging so gar keine besondere Wirkung aus. Er könnte ebenso auch ein Oberkellner oder Bankbeamter sein.

Was besonders irritierte und bedenklich stimmte ist die durchgehende Oberflächlichkeit, mit der dieses Meisterwerk einstudiert wurde. Kein Sänger, bis auf Matteo und Waldner, zeigte eine deutliche am Text orientierte Rollengestaltung. Das kunstvolle Libretto von Hofmannstal wurde lediglich durchbuchstabiert. Darunter litten vor allem die Dialoge zwischen Mandryka und Waldner oder auch zwischen Arabella und Mandryka. Gerade bei einem Regisseur, der vom Schauspiel kommt, möchte ich eine Affinität zum Wort unterstellen. Hier war nichts davon zu merken! Die vielerlei Preziosen, wie „darf ich annehmen, dass da eine Absicht im Spiele war“ oder „so schüchtern war der Onkel nicht“, „sie wollen mich heiraten, sagt mein Vater“ und und…..alles verschenkt. Und GMD Patrick Lange scheint das offenkundig auch nicht gestört zu haben. Durch diese vielen fehlenden „Farbtupfer“ textlicher Art hing der Abend schnell durch.

Als Arabella war mit Sabina Cvilak eine für diese Rolle eher untypische Sopranistin besetzt. Die großen erfolgreichen Interpretinnen der Vergangenheit (Ursuleac, della Casa, te Kanawa) und der Gegenwart (Fleming, Harteros, Nylund) lassen sofort eine besondere Aura entstehen, durch einen meistens üppig und immer wohl tönenden Höhenstrahl. Das kann Sabina Cvilak nicht leisten.

Cvilaks Stimme fehlt aber gerade in der Höhe eben jene Weichheit und aufblühender Glanz. Statt dessen klingen die großen Bögen nach harter Arbeit, wobei die hohen Töne, vor allem im großen Duett des 2. Aktes nur markiert wurden, dann z.T. wegbrachen („….auf dem die Sonne blitzt“) und reichlich säuerlich gerieten. Dies ist umso mehr bedauerlich, da die Stimme in der Mittellage, wenn sie nicht forciert eingesetzt wurde, angenehm und sonor klang. Auch artikulierte sie im Laufe des Abends den Text znehmend undeutlich, was durch Vokalverfärbungen noch verstärkt wurde.

Katharina Konradi als Zdenka lief ihr hingegen da mit leichter silbriger Tongebung und wunderbar aufblühender Höhe völlig den Rang ab. Sehr sicher in den schwierigen Intervallen und klar in der Intonation wurde sie zurecht am meisten gefeiert. Einzig die eher gleichförmig klingende Textgestaltung könnte verbessert werden. Romina Boscolo war eine szenisch präsente, resolute Adelaide, von der ich gerne mehr Text verstanden hätte. Gloria Rehm als hinreißende Fiakermilli jodelte sich quirlig und staunenswert perfekt durch ihre halsbrecherichen Koloraturen. Schnell wurde sie zum Mittelpunkt, wann immer sie auf der Bühne agierte. Ein besonderes Erlebnis! Sehr brav geriet die Kartenaufschlägerin in der Gestaltung von Maria Rebekka Stöhr.

Der Mandryka einst eine Paraderolle für ein inzwischen verwaistes Stimmfach, dem sog. Kavaliersbariton, gilt unter Baritonen als gefürchtet. Die Partie ist umfangreich und verläuft über einen weiten Tonumfang. Immer wieder sind exponierte Höhen gefordert. Als Gast in Wiesbaden war Ryan McKinny zu erleben. Sein Bariton besitzt ein markantes, dunkles und kerniges Timbre. Stimmtechnisch bewältigte er diese Partie ordentlich und wurde auch den fordernden Schlussausbrüchen weithin gerecht. Allerdings erklangen die Höhen oft stumpf und z.T. mühsam erreicht. Auch war die stimmliche Durchschlagskraft eher begrenzt. Als Charakter blieb er hingegen äußerst blaß. Als Figur wirkte er im 1. Akt wie Prof. Higgins aus „My fair Lady! Weder durch Kleidung oder Gestus war die besondere Ausstrahlung, welche Arabella so fesselt, spürbar. Warum also das ganze Theater um ihn? Und leider erschließt sich ihm nicht der Text. Sehr bedauerlich. Denn er agierte sehr textverständlich, aber es klang sprachlich alles gleich. Mit einer wissenden Textgestaltung und mit viel mehr Mut zur erlebten Empfindung, könnte aus ihm ein guter Interpret für diese so schwer zu besetzende Partie werden.

Ambivalent die Leistung auch von Thomas Blondelle als Matteo. Natürlich hat dieser so kluge Gestalter viele Farben anzubieten und zeigte eine ausgezeichnete Charakterisierung. Jedoch glich der Premierenabend an zu vielen Stellen einem stimmlichen Überlebenskampf. Matteo muss stimmlich immer wieder in knallige Höhen hinauf, um durch das meist laute Orcheser zu kommen. Doch die Höhe ist ein Schwachpunkt bei Blondelle. Schade.

Szenisch kauzig und stimmsicher war Wolf Matthias Friedrich als Waldner zu erleben. Doch auch bei ihm blieb der Text in seiner Bedeutung zu wenig gewürdigt. Gerade Waldner hat doch so viele herrliche Pointen zu setzen. Aus der Reihe der Nebenrollen tönte Aaron Cawley als Graf Elemer, hier ein steifer Nazi-Offizier, hervor. Inzwischen und das war bereits kürzlich auch bei seinem Cassio der Fall, vernachlässigt er zu deutlich die Artikulation. Die kleineren Choraufgaben erfüllte der Chor des Staatstheaters in der Einstudierung von Albert Horne gut.

Bleibt das Hessische Staatsorchester mit seinem GMD Patrick Lange. Lange hat dieses Werk erst kürzlich an der Wiener Staatsoper dirigiert. Die Erfahrung mit diesem Werk ist spürbar. Lange wählte ausgewogene Tempi. Sehr durchhörbar und auf Transparenz war sein Dirigat ausgelegt. Lange hat das Orchester hörbar gut vorbereitet, wovon insbesondere die Streicher profitierten, die mit blühendem, warmen Ton für sich einnahmen.

Die viel geforderten Bläser zeigten sich konditionsstark und kamen gut durch das heikle blechintensive Vorspiel zum 3. Akt. Ein besonderes Lob an den viel beschäftigten Mann an der Pauke, Axel Weilerscheidt. Dieser durfte auch die von Strauss nachkomponierten Schlagzeugeffekte in Personalunion spielen, dies bedeutete drei Schlaginstrumente (Tamburin, Becken und große Trommel) gleichzeitig! Präzise auf den Punkt. Chapeau!

Ausgerechnet Lange und sein Orchester galten vernehmliche Buhs. Nicht verständlich und nicht gerechtfertigt.

Viel Applaus, jedoch kein Enthusiasmus, kein Widerspruch für die brave Regie.

Eben keine Publikumsoper.

Bilder (c) Monika und Karl Forster

Dirk Schauß 12.3.2018