Premiere am 16. Februar 2019
Wo ist Salome?
Nach der sehr dürftigen Produktion des „Rigoletto“ im Januar, gab es bedauerlicherweise auch bei der Neuinszenierung der „Salome“ von Richard Strauss keinen großen Grund zur Freude. Bei dieser aktuellen szenischen Arbeit am Hessischen Staatstheater Wiesbaden entstand ein außergewöhnlich hoher Personalaufwand bei den Verantwortlichen der Produktion. Engagiert wurde die französische Theater Gruppe „Le Lab“:
Inszenierung, Bühne, Kostüme Le Lab – Jean-Philippe Clarac, Olivier Deloeuil
Licht Christophe Pitoiset, Oliver Porst
Video Jean-Baptiste Beïs
Künstlerische Mitarbeit Lodie Kardouss
Graphic Design Julien Roques
Dramaturgie Luc Bourrousse, Regine Palma
Die künstlerische Ausbeute dieser Akteure war beschämend. Zu sehen gab es lediglich ein szenisches Arrangement mit kaum vorhandener Personenführung. Der Bühnenraum ist durch einen Rundhorizont begrenzt, auf welchem zwei große Videowände angebracht sind, die bedauerlicherweise nicht in Blickhöhe der Zuschauer des dritten Ranges sind. Zu sehen sind darauf Filmeinspielungen des Mondes oder Innenaufnahmen des Containers, in welchem Jochanaan gefangen gehalten wird. Der Container befindet sich ebenso auf der Bühne wie allerlei Gartenmobiliar. Die Drehbühne lief dazu den ganzen Abend….
Die Verantwortlichen haben offenkundig ein sehr eigenes Textverständnis, wenn Salome mit Blick auf die Zisterne (= Container), die es hier nicht gibt, singt: „wie schwarz es da drunten ist!“
Einmal mehr ereilt einen schiere Fassungslosigkeit über derart viel ausgeprägten szenischen Leerlauf. So gibt es keinen „Tanz der sieben Schleier“, denn Herodes, sitzt unter einer großen Stoffbahn und starrt während des ganzen „Tanzes“ auf sein Tablet! Auf den Videowänden gibt es einen Film zu sehen, in welchem die Darstellerin der Salome darin glänzt, verschiedene Fratzen mit ihrem Gesicht zu schneiden. Das war es dann auch schon. Seltsam, dass das Herodes derart obsessiv in die Verzückung treiben soll….
Eine aus der Musik entwickelte, klar charakterisierende Personenführung gibt es in dieser Produktion nicht. Alles gleicht eher einer szenischen Anordnung. Nett anzuschauen, jedoch ohne Spannung, ohne inhaltliche Tiefe.
Verschenkt, völlig verschenkt die Personenzeichnung von Herodes, der hier sehr aufgeräumt, wie ein netter Nachbar von nebenan daher kommt. Keine Manie, kein Wahn, keine Lüsternheit….einfach nix. Ein gemütlicher Mensch, der Herodes.
Und auch Jochanaan wird als Figur sehr starr geführt. Die Wut, das Ungebändigte ist hier als Rollencharakter von der Regie völlig ignoriert worden.
Völlig misslungen auch die „szenische Gestaltung“ des Schlussgesanges. Jochanaan wird auf einen Seziertisch gelegt und mit einer silbernen Flüssigkeit am Kopf übergossen. In dieser Aufmachung wird er dann aus dem Container geschoben. Salome hat sich in der Zwischenzeit silbrig angepasst und einen silbern glänzenden Ganzkörperanzug angezogen. Dazu singt sie reichlich beziehungslos ihren endlos anmutenden Schlussgesang.
Welch deprimierendes, ärgerliches szenisches Resultat!
Auch musikalisch war dieser Abend alles andere als ein Ruhmesblatt für das Hessische Staatstheater. Herodes bekannter Ausruf: „Wo ist Salome?“ mag dem ein oder anderen Besucher durch den Kopf gegangen sein. Denn Salome, gesungen von Sera Gösch hatte ihre hörbare Not mit den Erfordernissen der Rolle. Die junge Sängerin warf sich mit darstellerischem Engagement in die fordernde Titelpartie. Stimmlich wirkte sie vielfach überfordert und mit ihrem dünnen, oft soubrettigen, lyrischen Sopran der Partie nicht wirklich gewachsen. Stimmlich geriet sie mit ihrer in der Höhe arg flackernden Stimme in zu deutliche Bedrängnis. Dem Stimmklang fehlte es an Volumen und vor allem an Leuchtkraft, um den Abend klanglich zu dominieren. In der Mittellage und Tiefe nahm sie zu oft Zuflucht zu entstellendem Sprechgesang. Auch litt ihre Textverständlichkeit erheblich. Nur wenige Worte waren gut zu verstehen. Somit lediglich eine gerade noch bewältigte Rollengestaltung, was entschieden zu wenig ist, insbesondere dann, wenn die Regie ein solcher Totalausfall ist.
Den Jochanaan interpretierte Thomas de Vries. Welche Autorität im Auftritt und im mühelosen Stimmklang! Der verdiente Sänger hat hier eine Traumrolle gefunden, die die Vorzüge seines noblen Baritons ausgezeichnet präsentiert. An diesem Abend stand ihm eine große dynamische Bandbreite zur Verfügung. So konnte er herrliche Legatobögen singen, dabei raumgreifend auftrumpfen oder wieder geheimnisvoll drosseln. Hinzu kommt seine vorzügliche Textarbeit, verständlich und intelligent in der Gestaltung. Eine herausragende Darbietung, für die er zurecht den stärksten Beifall des Abends erhielt.
Den Herodes sang Frank van Aken mit heroischem Klang. Es war erfreulich, diese Partie einmal wieder mit einer Heldentenorstimme zu hören. Somit konnte van Aken seiner Partie viel stimmliche Autorität verleihen. Klang er in Zeiten seines Frankfurter Engagements oftmals heiser, wirkte er hier stimmlich ausgezeichnet disponiert, ja geradezu neu geboren. Wie erfreulich! Auffallend und überzeugend auch seine sinnhaften Textakzente.
Als Herodias betonte Andrea Baker das Keifende ihrer Rolle, bot dennoch viel Stimmklang und szenische Präsenz.
Simon Bode war ein Narraboth mit blassen lyrischen Tenorklängen. Aus der Vielzahl der Nebenrollen ragte als 1. Nazarener Young Doo Park hervor. Eine Wohltat, mit welcher Stimmkultur er seine wichtigen Phrasen formulierte.
Ein herbe Enttäuschung war das Dirigat von GMD Patrick Lange am Pult des Hessischen Staatsorchesters. Er bevorzugte in seiner Interpretation einen sehr nüchternen Orchesterklang, der die Durchhörbarkeit der üppigen Partitur in den Vordergrund stellte. Sinnlichkeit und intensiver Farbklang traten massiv deutlich in den Hintergrund oder waren nicht vorhanden. Einmal mehr viel seine Neigung zu viel zu raschen Tempi ungünstig ins Gewicht. Als Interpret war Lange ein Ausfall, denn er sorgte lediglich für einen funktionierenden Ablauf. Die endlose Farbigkeit der Partitur wurde von ihm nicht hörbar empfunden und blieb komplett auf der Strecke. Dissonanzen ertönten geglättet, farbreiche Ausbrüche („Ich habe deinen Mund geküsst“) erklangen ausgebleicht, rhythmische Akzente erklangen selten und viel zu defensiv. Insgesamt bestimmte die Beiläufigkeit den Kern seiner Lesart.
Das Hessische Staatsorchester wurde von Lange hingegen hörbar gut einstudiert. Erfreulich aufmerksam erklang es da aus den einzelnen Orchestergruppen. Kultiviert im Klang, das Zusammenspiel klappte, die Balance zur Bühne stimmte, ebenso die dynamische Bandbreite.
Am Ende ein deutlich geteiltes Echo beim zahlreich erschienenen Publikum. GMD Lange erhielt Buhs und in deutlich größerer Stärke das Regie-Team, obgleich es hier auch etwas Zustimmung gab. Der Applaus endete rasch.
Dirk Schauß 18.2.2019
Bilder (c) Monika & Karl Forster