Bremerhaven: „Frau Luna“

Premiere am 03.02.2018

Gute Laune mit Berliner Luft

„Frau Luna” ist die erfolgreichste und bekannteste Operette von Paul Lincke – allenfalls „Lysistrata“ und „Im Reiche des Indra“ sind daneben heute noch ein Begriff. Schon die Uraufführung 1899 im Berliner Apollo-Theater war ein Riesenerfolg und markierte die „Geburtsstunde“ der Berliner Operette. Walter Kollo, Jean Gilbert und andere waren weitere Komponisten dieses Genres. Bei der Berliner Operette findet sich oft Marschmusik, während die Wiener Operette mehr vom Walzer geprägt ist.

Paul Lincke hat seine „Frau Luna“ im Laufe der Jahre immer um neue Lieder erweitert, wobei er auch Titel aus seinen anderen Werken übernahm, so etwa „Schenk mir doch ein kleines bisschen Liebe“ oder „Das ist die Berliner Luft“. Erst 1922 lag „Frau Luna“ erstmalig als abendfüllender Zweiakter vor. In Bremerhaven hat man nun auch noch das „Glühwürmchen-Idyll“ (ursprünglich aus „Lysistrata“) eingefügt.

Obwohl „Frau Luna“ einen Ohrwurm an den anderen reiht und fast nur Melodien enthält, die jeder kennt und jeder mitsingen könnte, ist die Zeit doch über das Werk hinweggegangen. Die Geschichte des Berliner Erfinders Fritz Steppke, der mit seinen Freunden Lämmermeier, Pannecke und der resoluten Frau Pusebach zum Mond fliegt und dort im Reich von Frau Luna emotionale Verwirrungen erlebt und verursacht, ist doch reichlich überholt. Heute wirkt „Frau Luna“ nur noch durch die schmissige Musik.

Regisseur Holger Seitz tat gut daran, den revuehaften Charakter dieser Operette in den Mittelpunkt zu stellen und den Sinn oder Unsinn der Handlung nur als Beiwerk zu betrachten. Herausgekommen ist eine attraktive Unterhaltungsshow, die mit Sängern, Schauspielern, Chor, Ballett und Orchester alle Kräfte des Bremerhavener Theaters bündelt. Und da ist durchgängig gute Laune angesagt. Dafür sorgt schon besonders Hartmut Brüsch am Pult des Philharmonischen Orchesters Bremerhaven, der die zündenden Märsche („Berliner Luft“ oder den „Schutzmann-Marsch“), die süffigen Melodien („Schlösser, die im Monde liegen“ oder „Wenn die Sonne schlafen geht“) und die großen Chorszenen mit Esprit und mitreißendem Schwung serviert. Da macht das Zuhören Spaß.

Aber auch das Zusehen: Darko Petrovic schickt das wie aus einem nostalgischen Jules-Verne-Film stammende Raumschiff mit seinen rot beleuchteten Fenstern und den Silhouetten der Mondreisenden über den ganzen Bühnenhimmel. Das ist liebevoll gelungen. Die Dachkammer von Fritz Steppke wird mit einer Konstruktion aus wenigen Stangen angedeutet und eine überwiegend in blaues Licht getauchte Mondlandschaft mit einer „Showtreppe“ für den effektvollen Auftritt von Frau Luna phantasievoll entworfen. „Lasst den Kopf nicht hängen“ singt sie dem Mondvolk und den Gästen von der Erde zu. Nein, das tut auch keiner. Dazu ist die Stimmung zu ausgelassen.

Die Titelpartie wird von Tijana Grujic elegant und verführerisch gestaltet. Das bleibt nicht ohne Wirkung auf Fritz Steppke. Da ist es gut, dass seine Verlobte Marie in Gestalt von Alice Fuder noch gerade rechtzeitig auch auf dem Mond erscheint, um Schlimmeres zu verhindern. Sie hatte ihn ja ohnehin schönstimmig gewarnt: „Schlösser, die im Monde liegen, bringen Kummer, lieber Schatz!“.

Und so finden Frau Luna und Prinz Sternschnuppe, der von Tobias Haaks mit virilem Tenor gesungen wird, doch noch zueinander. Zuständig für die Komik sind Isabel Zeumer als Frau Pusebach mit einer gehörigen Portion Mutterwitz, Jürgen A. Ferch als Rentner Pannecke und auch MacKenzie Gallinger als Theophil, der um sein Glück mit der Kammerzofe Stella (liebenswert-schnippisch Patrizia Häusermann) fürchten muss. Steppke und Lämmermeier sind mit Benjamin Krüger und Vikrant Subramanian stimmig besetzt, ebenso Venus und Mars mit Sydney Gabbard und Lukas Baranowski. Iris Wemme versucht schnurrend wie ein Fabelwesen (Mondgroom) den Lämmermeier zu umgarnen.

Der Chor in der Einstudierung von Mario Orlando El Fakih Hernández sowie die von Sergei Vanaev und Holger Seitz eingerichteten Ballettszenen sorgen für zusätzliche Attraktivität.

Wolfgang Denker, 04.02.2018

Fotos von Heiko Sandelmann