Bremerhaven: „Madame Pompadour“

Premiere am 30.01.2016

besuchte Aufführung: 06.02.2016

Eine kluge Frau lenkt die Geschicke

Leo Fall hat gut zwanzig Operetten geschrieben, darunter „Der fidele Bauer“, „Die Dollarprinzessin“, „Die Rose von Stambul“ und „Die Kaiserin“. Am Stadttheater Bremerhaven kann man jetzt seine „Madame Pompadour“ erleben. Sie wurde 1922 in Berlin mit größtem Erfolg uraufgeführt – drei Jahre vor dem Tod des Komponisten. Die Titelpartie sang damals die unvergleichliche Fritzi Massary.

Volker Klotz, der Autor eines Standardwerks über die Gattung Operette, bezeichnet „Madame Pompadour“ als die „faszinierendste Operette der zwanziger Jahre“, nicht zuletzt deshalb, weil sie den aufsässigen Zeitgeist eines Jacques Offenbach wieder auf die Bühne brachte.

Die Bremerhavener Inszenierung von Ansgar Weigner ist zwar sorgfältig und optisch opulent gelungen, aber das Urteil über das Werk ist trotzdem heute nicht mehr ganz nachvollziehbar. Das liegt nicht an der Musik: Leo Fall gelang ein Ohrwurm nach dem anderen in seiner an süffigen Melodien reichen „Madame Pompadour“. Aber die anzüglichen Frivolitäten, mit denen das Libretto gespickt ist, mögen in den zwanziger Jahren wirklich frech gewesen sein (zumal wenn eine Darstellerin vom Kaliber der Massary sie serviert), doch heute wirken sie eher lahm.

Immerhin hält Weigner die Geschichte der Mätresse Ludwig XV., die sich selbstbewusst ihre Liebhaber auswählt, den hinterlistigen Polizeiminister Maurepas austrickst und nebenbei noch die Staatsgeschäfte steuert, weitgehend von übertriebenen Albernheiten frei. Bei ihm steht die nicht nur vergnügungssüchtige, sondern auch kluge Frau im Mittelpunkt. Er lässt sie Sätze sagen wie „Viele Frauen haben die ganze Brust voll Hirn“ – ein Originalzitat der historischen Pompadour.

Das Karnevalstreiben im „Musenstall“ wird mit phantasievollen Tiermasken verdeutlicht: Der Dichter Calicot, der seine Spottlieder auf die Pompadour singt, tritt als Fuchs auf, andere als Vögel, Katzen oder Schweine. Graf René, auf den die Pompadour ein Auge geworfen hat, kommt im Bärenfell. Der kahlköpfige Maurepas sieht ein wenig aus wie Nosferatu. Am Hofe Ludwigs sind dann alle in wunderbare, weiße Kleider gehüllt. Puder und Perücke – dazu die schwarz-weiße Optik der Bühne mit ihrer besonderen Ästhetik. Ausstatter Christian Robert Müller hat da viel fürs Auge gezaubert. Dazu hübsche Bilder, wenn die Pompadour auf einer Schaukel sitzt oder wenn zu ihrer (hier umgetexteten) Einlage „Du mein Schönbrunn“ aus der „Kaiserin“ Schneeflocken vom Himmel rieseln.

Ganz ausblenden kann Weigner die etwas banaleren Operettenscherze nicht, etwa Maurepas ständige Behauptung „Ich bin schläuer“, das Herumfuchteln mit Banane und Gurke oder die etwas zu lang geratene Anklopfszene. Gleichwohl sichert er seiner Protagonistin Katja Bördner Charme und Persönlichkeit. Bei Bördner ist die Figur der Pompadour eine souveräne Drahtzieherin, die das Leben von der leichten Seite nimmt. Nur als sie auf René verzichten muss, weil der sich als ihr Schwager entpuppt, verliert sie die Contenance. Gesanglich gestaltet sie ihre Partie mit geschmeidigem Sopran ganz hervorragend, ganz besonders ihre gefühlvoll gesungene Einlage. Ihre Zofe Belotte ist bei der quirligen Regine Sturm gut aufgehoben. Tobias Haaks sichert dem René mit virilem Tenor viel Profil und findet nach anfänglichen Schwierigkeiten zu kraftvollem Tenorschmelz. Thomas Burger singt und spielt den Calicot durchweg vergnüglich und übersteht auch die „gefährliche“ Situation beim Duett „Josef, ach Josef, was bist du so keusch“. Carolin Löffler kommt als Schwester der Pompadour mehr zum Sächseln als zum Singen. Oliver Weidinger als König und Schauspieler Peter Wagner als Maurepas sind natürlich die „Trottel vom Dienst“ und sorgen für die unvermeidlichen Scherze.

Das Philharmonische Orchester Bremerhaven wird von Hartmut Brüsch geleitet, der die Finessen der Partitur gekonnt auffächert und die Walzer- und Marschthemen überzeugend erklingen lässt.

Wolfgang Denker, 08.02.2016

Fotos (c) Heiko Sandelmann