Premiere am 23.09.2017
Furios grandioser Saison-Auftakt
Die neue Spielzeit in Bremerhaven wurde (nun schon traditionsgemäß) mit einem Musical eröffnet. Diesmal fiel die Wahl auf „Zorro“. Zorro – das ist der mexikanische Edelmann Diego de la Vega, der maskiert gegen die Gewaltherrschaft seines Bruders Ramon und für die Rechte der Bürger kämpft. Die Musik stammt zum größten Teil von den Gipsy Kings, die Inszenierung lag in den Händen von Intendant Ulrich Mokrusch.
Wer kennt sie nicht aus seiner Jugendzeit, die Figur des edlen Freiheitskämpfers Zorro, der mit Maske und Degen für Gerechtigkeit kämpft? Sie tauchte erstmals 1919 in einem amerikanischen Groschenroman von Johnston McCulley auf und wurde unzählige Male verfilmt. Auch als Musical wurde der Stoff schon mehrfach bearbeitet (1998 und 2007), bevor Stephen Clark zusammen mit den Gipsy Kings 2008 die jetzt auch in Bremerhaven gespielte Version schuf.
Um es gleich zu sagen: Schwungvoller, rasanter und mitreißender hätte eine Spielzeiteröffnung kaum ausfallen können. Natürlich ist die unwiderstehliche Musik der Gipsy Kings (die von John Cameron um zusätzliche Nummern erweitert wurde) schon mehr als die halbe Miete.
Songs wie „Baila me“, „Bamboleo“ oder „Djobi Djoba“ bilden das musikalische Gerüst und sind in Bezug auf Wirkung und Temperament kaum zu schlagen. Aber die Regie von Ulrich Mokrusch, die Choreographie von Andrea Danae Kingston und die von Jean-Loup Fourure einstudierten Fechtszenen binden alles zu einer hochgradig unterhaltsamen Show zusammen. Mokrusch vermeidet es dabei, die etwas plakative Handlung ungebrochen in eine banale Heldengeschichte umzusetzen. Natürlich bleibt „Zorro“ auch bei ihm eine Mantel-und-Degen-Geschichte mit viel Aktion, etwa wenn Zorro drei Bauern vor dem Galgen rettet, aber er würzt sie mit feinem Humor und mit augenzwinkerndem Ansatz. Die Balance zwischen Pathos und Slapstick ist auf das Feinste ausgelotet. Als Edelmann gibt sich Diego betont naiv, fast tollpatschig, bevor er wieder in die Maske des Zorro schlüpft. Da wird er zum raffinierten Fuchs, etwa in der köstlichen Szene, in der er als falscher Pfarrer seinem Widersacher Ramon bei einer Beichte das Geheimnis um den doch noch lebenden Vater entlockt. Neben Diego beherrschen zwei starke Frauen das Bühnengeschehen.
Da ist Luisa, seine Liebe aus Jugendtagen, und da ist Inez, seine Mitstreiterin als Straßensänger. Wenn sie in jeweils sehr stimmigen Balladen oder in Duetten ihren Gefühlen und ihren Sehnsüchten Ausdruck geben, lässt die Regie von Mokrusch auch Sentimentalität zu. Herrlich auch, wenn Inez dem in sie verliebten Sergeanten Garcia die Kunst der Verführung bei dem Walzerlied „Noch ein Bier“ beizubringen versucht. Es überwiegen die temperamentvollen Szenen, bei denen auch der Chor (Einstudierung Mario Orlando El Fakih Hernámdez) und das Ballett zu Hochform auflaufen. „Bamboleo“ sorgt für besonders begeisterten Zwischenbeifall. Die Bühne von Dorit Lievenbrück mit Toren an den Seiten, einer stimmungsvollen Projektion im Hintergrund und einer großen Freifläche lässt dazu auch viel Raum. Wechselnde Schauplätze werden durch wenige Requisiten charakterisiert. Im Vordergrund sind durchgängig Grabkreuze, über denen sich manchmal ein Skelett erhebt.
Als Zorro überzeugt Vikrant Subramanian, der seinen schlanken Bariton den ungewohnten Anforderungen perfekt angepasst hat und der in die Rolle wie in eine zweite Haut geschlüpft ist. Ein berührender Moment ist sein sehnsuchtsvolles Duett mit Luisa. Luisa und Inez sind mit Filipina Henoch und Dorothea Maria Müller bestens besetzt: Henoch stimmlich etwas lieblicher, Müller etwas erdiger. Beide können mit bester Bühnenpräsenz und auch tänzerischem Einsatz begeistern. Nicky Wuchinger gibt den Ramon als düsteren Erzschurken, Tobias Haaks mit kraftvollem Tenor den verliebten Sergeanten Garcia. MacKenzie Gallinger hat einen kurzen Auftritt als Vater der beiden Brüder.
Die hervorragende Band (Trompeten!) besteht aus Musikern des Philharmonischen Orchesters Bremerhaven und wurde um vier Gitarristen erweitert, die den Klang maßgeblich bestimmen: Tim Schikoré, José Ribeiro dos Santos, Juan M° Claverias Jiménez und Jorge Ballesteros Vilches. Die musikalische Leitung liegt bei Ektoras Tartanis in den besten Händen, der für einen schwungvollen Abend der Extraklasse sorgt.
Wolfgang Denker, 24.09.2017
Fotos von Manja Herrmann