Bern: „Callas“

Tanzstück von Estefania Mirandas

Uraufführung

Besuchte Vorstellung vom 18.12.2016

Copyright: Philipp Zinnicker/ Stadttheater Bern

Das Leben der Maria Callas in einer Stunde und vierzig Minuten auf die Bühne zu bringen und abzuhandeln, in einem modernen Tanzstück und mit einer Sopranistin, ist im Ansatz spannend aber die Choreografin Estefania Miranda hat hier nur ein mässig geglücktes Werk erschaffen. Hätte man das Programmheft nicht intensiv gelesen, unter dem Titel „Wandelbare”, würde man das Geschehen auf der Bühne nur in kleinen Ansätzen verstehen.

Die Callas liegt auf dem Boden, Tod, einsam gestorben in ihrer Paris Wohnung. Tänzer und Tänzerinnen in Trauerkleidung füllen den Raum, umringen sie, verzerren sich und berauben sie; ihrer Kleider, Wertsachen, schlicht und einfach ihrer letzten Würde.

Die Callas hat alles für ihre Karriere gegeben, deshalb ist der Titel „Wandelbare“ nicht von der Luft gegriffen. Dieses Phänomen nimmt die Choreografin auf (wie es im Programmheft steht) und versucht ein Abbild zu schaffen, von ihrem Leben und die Wahrnehmung der Menschen um sie herum. Die Sopranistin singt und verkörpert die Callas. An ihrer Seite sind über die Länge des gesamten Stücks fünf Tänzerinnen gestellt, die jeweils in den Momenten des sich Neufindens in die Rolle der Callas schlüpfen und so die grossen Verwandlungen in ihrem Leben physisch reflektieren; Callas das Kind (Nozomi Matsuoka), Callas die Ehefrau (Angela Dematté), Callas an der Seite der Sängerin (Olive Lopez), Callas die Geliebte (Dafna Duduvich), Callas die Gefallene (Marieke Monquil). Von der verhassten Mutter (Pamela Monreale), vom ersten Mann und Manger Giovanni Battista Meneghini (Konstantinos Kranidiotis) bis zum geliebten Aristoteles Onassis (Winston Ricardi Annon) fehlt niemand in dieser Tanzgeschichte.

Die tanzenden Stellvertreterinnen sollen der singenden Callas die Möglichkeit geben sich selbst und ihr Leben von aussen zu betrachten und dadurch neu zu bewerten. Die Metaphern sind schwer erkennbar. Tänzerinnen in Bungee-Seilen befestigt, zeichnen die Abhängigkeit der Callas von Stimmbändern, Saiteninstrumenten oder sogar der Nabelschnur an. Die Callas als Kind mit ihrer verhassten Mutter Evangelista, mit ihr durchlebt sie ein Leben als drangsaliertes nicht bevorzugtes Kind. Vom Wunsch besessen eine berühmte Opernsängerin zu werden, gelingt ihr der grosse Sprung auf die Karrierebühne. Dargestellt durch die Übernahme einer Perücke, die den Wandel zum Star visualisiert. Das Eheleben mit Meneghini und die liebe zu Onassis wird ebenfalls skizziert dargestellt, wie auch das Comeback einer Legende die am Ende ist.

Der Auftritt in einer Freak-Show ähnlichen Zirkusdarbietung ist schlicht und einfach ein Fehlgriff der Choreografin. Dreibeinige Artisten, eine exaltierte Drag Queen, ein Feuerspeier, eine Beinlose Frau und viele weitere geschmacklose Figuren werden zum traurigen Versuch, die letzten Auftritte der Callas zu verschmähen. Eine wahrlich alptraumhafte Szenerie eines Comebacks welche die echte Maria Callas so in dieser Form nicht verdient hat.

Die Sopranistin Alexandra Lubchansky interpretiert die Arien; Casta Diva, Norma von Vincenzo Bellini, Ebben ne andro lontana aus La Wally von Alfredo Catalani, Ah, non credea mirarti aus der Sonnambula von Vincenzo Bellini, E strano …. Ah, forse e lui aus La Traviata von Giuseppe Verdi, Un bel di vedremo aus Madama Butterfly von Giacomo Puccini und Vissi d’Arte aus Tosca ebenfalls von Giacomo Puccini.

Maria Callas hatte eine sehr markante Stimme und eine für sie bestimme spezielle Art der Interpretation, sodass man etwas Mühe hatte mit der kantig-scharfen Stimme der Alexandra Lubchansky, obwohl sie die Arien bravurös vortrug. Am besten gelang ihr die Cio-Cio-San aus der Madama Butterfly.

Das Ballett hat hervorragend getanzt und die moderne Musik von Phylipp Glass, Michael Nyman und Wojciech Kilar technisch perfekt vorgetragen.
Das Orchester unter der profunden Leitung von Jochem Hochstenbach wurde glanzvoll und souverän geführt.

Trotz allem zeigt sich, dass ein Leben wie das einer Maria Callas nicht so einfach visualisierbar ist. Einerseits verstehen die Fans der Callas die Entrückung der Geschichte in verzerrten Bildern nicht wirklich und anderseits passt die moderne Musikgestaltung nicht in ein vergangenes Leben einer anderen musikalischen Epoche. Die Geschichte um das bewegte Leben der Maria Callas ist in dieser Form vom Tanzstück mit bewegten Bildern kaum zu erkennen.

Marcel Paolino 30.12..2016

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)