Bern: „Tristan und Isolde“

Das Berner Symphonieorchester unter der Leitung von seines Dirigenten, Kevin John Edusei, interpretierte TRISTAN UND ISOLDE in Hochform und mit viel Emotionen und Empathie für das eher handlungsarme Werk Wagners, dies trotz, oder gerade wegen der nur als mittelmässig zu bezeichnenden Leistung der Interpretin von Isolde.
Missfallen hat auch eine Regie-Idee in der Visualisierung des Vorspieles: Dort sprach ein Schauspieler (Der Künstler) während der Ouvertüre. Dies geht nun gar nicht! Bildliche Darstellung ja! Akustische Untermalung: Auf gar keinen Fall!

Die Regie von Ludger Engels nimmt wenig Rücksicht auf die nur in der Musik und der Interaktion zwischen den Protagonisten vorhandene Handlung. Seine Personenführung lässt ein besseres Verständnis für die Emotionen vermissen. Ich habe einige der Künstler auf der Bühne in anderen Werken gehört und gesehen und bin der Meinung: Die können besser spielen als ich gestern Abend gesehen habe. Die sängerische Leistung dagegen war mit Ausnahme der weiblichen Hauptrolle sehr gut. Davon weiter unten mehr!
Sehr gut inszeniert war der dritte Aufzug, in welchem auch die Personenführung gelungen ist. Die Zuneigung Kurwenals zu Tristan war spürbar und berührend. Auch König Markes Monolog war ausgezeichnet in Szene gesetzt. Allerdings nur solange Frau Bisset (Isolde) nicht auf der Bühne war. Etwas befremdend waren die einige Male unmotivierten Spaziergänger auf der Bühne, dramaturgisch unnötige Ablenkungen vom musikalischen Geschehen.

Wenn Zweitbesetzungen nicht im gedruckten Programmheft des Konzerttheaters zu Wagners Tristan (Redaktionsschluss 20.05.2019) aufgeführt sind, lässt das den Schluss zu, dass diese Zweitbesetzung sehr spät gesucht und gefunden wurde. Dies ist bei der Berner Produktion Tristan und Isolde, Premiere am 25. Mai 2019 allem Anschein nach der Fall. Nach der guten ersten Vorstellung mit Catherine Foster als Isolde besuchte ich die zweite Aufführung mit Lee Bisset in der Hauptrolle. Bisset hat noch nie auf einer deutschsprachigen Bühne gesungen. Dies im Gegensatz zu Frau Forster, welche an einigen grossen Bühnen, darunter auch Bayreuth bewiesen hat, dass sie eine Wagner-Sängerin ist. Wieso dieser Wechsel? Allem Anschein nach war dieser nicht vorgesehe.

Lee Bisset mag als Sängerin für Bühnen wie Oper Memphis und Oper Omaha (USA) oder auch Mexico City genügen. Für ein Haus wie das Konzerttheater Bern reicht ihre sängerische und schauspielerische Leistung in der Rolle der Isolde nicht. Ihre Intonation war korrekt. Ihre Emotionen waren im Gesang nicht zu erfassen, ihr dauerndes Vibrato, um nicht zu sagen Tremolieren, störte ebenso wie ihre schlecht Diktion, ihr verschlucken von Silben, verhinderte eine auch nur ausreichende Interpretation der Isolde. Dies mag auf angelsächsischen oder spanischen Bühnen weniger wichtig sein, auf deutschen Bühnen ist dies ein absolutes "no go" Zum Glück wurde vieles von ihrer fragwürdigen Interpretation durch das vorzügliche Orchester verbessert, übertönt. Auch ihre schauspielerischen Fähigkeiten liessen zu wünschen übrig. Die irische Prinzessin verwandelte sich in eine wütende Megäre, unglaubhaft dargestellt. Dies mag aber auch der Personenführung zuzuschreiben sein oder den eventuell mangelnden, zu kurzen Proben, auch war Ihre Körpersprache, ihr Mimik und Gestik unglaubwürdig. Bisset hat die Tendenz, sich in den Vordergrund zu drängen, dies auch dort wo es dramaturgisch nicht angebracht ist. Sie hat anscheinen noch nie gehört, dass ein Künstler nur gut sein kann, wenn sein Partner/Seine Partnerin gut ist! (Stanislawski)

Ein Zuhörer machte nach dem Fallen des Vorhanges zur ersten Pause seinem Missmut kräftig, aber berechtigt mit einem lautstarken "merde" Luft. Obgleich Gegner solcher Äusserungen kann ich nach diesem ersten Aufzug das Missbehagen nachvollziehen.

Eine ausgezeichnete Leistung bot Claude Eichenberger als Brangäne. Ihre Diktion, ihre Intonation ohne unnötiges Vibrato und ähnliche ungewollte Beimengungen lassen keine Wünsche übrig. Die Regie verpasste ihr sehr zurückhaltende, unterkühlte Auftritte.

In der Rolle des Tristan ist der schwedische Tenor Daniel Frank zu sehen und hören. Seine Interpretation ist Sehens- und hörenswert. Intonation und Diktion sehr gut und auch seine Körpersprache, seine Mimik und Gestik entsprachen innerhalb der Personenführung den Erwartungen. Tristan steht sehr lange auf der Bühne und hat viel zu singen. Er muss mit seiner Stimme haushalten, um auch im letzten Aufzug noch voll da zu sein. Man kann daher eine gewisse Schonung im ersten Akt verstehen, verzeihen.

Robin Adams als Kurwenal überzeugte mit kräftiger Stimme, ausgezeichneter Intonation und Diktion. Er überzeugte als Antagonist von Melot, welcher vom Ensemblemitglied Todd Boyce interpretiert wurde. Boyce überzeugte, bedingt durch die Regie, nicht hundertprozentig. Seine Leistung als Marcello in La Boheme hier in Bern war wesentlich zwingender. Er kann’s besser, wenn man ihn denn lässt. Seine Leistung als Sänger war der Rolle angepasst und sehr professionell gelungen.
König Marke wurde ausgezeichnet interpretiert vom deutschen Bassist Kai Wegner. Seine Intonation und Diktion war hervorragend. Es ist immer wieder interessant dass aus der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin sehr gute Sänger und Sängerinnen kommen.
In weiteren Rollen waren zu sehen und hören:
Als Steuermann David Park, und in drei Rollen (Hirt, Künstler und junger Seemann) Andries Cloete, Ensemblemitglied in Bern.

Der Kostümentwurf von Heide Kastler war im ersten und dritten Aufzug gut. Als geschmacklos zu bezeichnen, sind die silberfarbenen Ganzkörperanzüge von Tristan und Isolde zum Duett "Sink hernieder, Nacht der Liebe". Über Geschmack lässt sich bekanntlich endlos streiten!


Die Bühne, gebaut von Volker Thiele, gefiel im Allgemeinen. Der Einfluss des deutschen Regisseurs, Frank Hilbrich, war vor allem im zweiten Aufzug nicht zu übersehen. Die verzerrenden Spiegel, da sehr ungewohnt, lenkten doch etwas von der Musik ab. Stimmig die Höhlenlandschaft von Thiele im dritten Aufzug, unterstützt von der Lichtführung, designt von Bernhard Bieri.

Das Publikum belohnte die Leistung der Künstler und Künstlerinnen im Graben und auf der Bühne mit dem verdienten Applaus.

Peter Heuberger, 30.5.2019

© Christian Kleiner
Abbildung Isolde: Catherine Foster