Aufführung im Stadttheater Fürth am 06.07.2016, Premiere am 10.10.2014
Die Musik zum Hinschmelzen, die Inszenierung jedoch zum Abgewöhnen
Selten bin ich zerrissener aus einer Operette nach Hause gegangen, wie nach dieser Aufführung von „Der Zarewitsch“ am Stadttheater Fürth, aufgeführt von der Staatsoperette Dresden. Ich liebe Fürth und ich liebe die Staatsoperette Dresden, na ja, eine Liebe kann auch einmal einen Dämpfer vertragen, und so war es heute bei mir. Die Geschichte des Weiberfeindes, des Zarewitsch, der durch eine Intrige des Hofes mit einer Frau zusammengebracht wird, in die er sich unsterblich verliebt, die er aber aus Staatsräson wieder verlässt, weil er den russischen Thron besteigen muss, ist schon so oft aufgeführt worden. Ich glaube, dass ich mindestens 10 bis 12 Aufführungen gesehen habe und mindestens so viele durchgeweinte Taschentücher meiner Frau beklagen musste. Die Inszenierung von Robert Lehmeier stellt jedoch alles ein bisschen auf den Kopf. Er geht davon aus, dass jemand, der keine Frauen an sich heranlassen will, natürlich anders gepolt sein muss, kurz ausgedrückt, dass er einfach nur schwul ist. Nun gut, dies kann man noch solange nachvollziehen, bis dieser Zarewitsch auf seine Sonja trifft, diese ihn die Liebe lehrt, wegen dieser Frau er dem Thron entsagen will und für die er zum Schluss sein Leben hergeben würde. Und ab hier ist für mich die Inszenierung von Lehmeier nur noch peinlich. Er zieht das angebliche Schwulsein des Zarewitsch gnadenlos bis zum bitteren Ende durch. Wenn beim Liebesduett des Zarewitsch mit Sonja „Warum hat jeder Frühling auch nur einen der lüsterne Leutnant widerstandslos am Zarewitsch rumfummeln kann und selbst Sonja ihm die Hand streichelt, dann wird das ganze aus meiner Sicht ad absurdum geführt.
Peinlich und völlig deplatziert ist die Figur des schwulen Soldaten der zu einer stummen Hauptrolle wird und mich wirklich ratlos zurücklässt. Das Ganze ergibt keinerlei Sinn und es ist für mich auch in keinster Weise nachvollziehbar, dass diese Inszenierung vom Bayerischen Rundfunk mit dem „Operetten-Frosch“ ausgezeichnet worden war. Dass ein nachgemachter Putin, dessen Bild überall prangt und der als der (alte) Zar einen Monolog zur Lage der Nation sprechen darf bzw. leider muss, für eine Operette völlig unsinnig und für mich auch lächerlich, ist ein weiterer Sargnagel auf der Inszenierung des Zarewitsch. Will der Regisseur hier Putin veralbern, die russische Politik anprangern? So ein Unsinn gehört auch nicht in das modernisierte Bild einer Operette. Lehmeier geht davon aus, dass Zarewitsch und Sonja eben nicht ineinander verliebt sind, und dies ist für mich ein weiterer Trugschluss. Eines aber hat auch dieser Meisterregisseur nicht geschafft, die wundervolle Musik von Franzl Lehár zu verunstalten und diese reißt für mich die Operette wieder nach oben, ich muss halt manchmal die Augen zumachen um so manchen inszenatorischen Unsinn nicht mitverfolgen zu müssen. Ich möchte noch einmal betonen, dass die Idee des Schwulseins durchaus seine Berechtigung hat, in dem Moment aber Makulatur ist, als der Zarewitsch die Liebe zu Sonja erkennt. Ab dann wirkt alles auf mich nur noch lächerlich. Entschuldigung lieber Bayerischer Rundfunk, dafür, dass Du ja in Deinem Programm fast keine (oder gar keine?) Operetten mehr anbietest, hast Du mit dem „Operetten-Frosch“ ganz schön danebengegriffen. Es tut mir leid, dass ich dies so umfassend versuche zu erläutern, aber ich war an diesem Abend wirklich böse, böse darauf, wie man eine – zugegeben etwas zuckriger -Operette zur eigenen Befriedigung verunstaltet und – aus meiner Sicht – der Lächerlichkeit preisgibt.
Doch kommen wir jetzt einmal zu etwas erfreulicherem. Das Bühnenbild, in erster Linie ein großes Spiegelkabinett, welches sich beliebig verändern lässt ist zweckdienlich, leicht umzustellen und gefällt recht gut und die Kostüme von Markus Meyer sind farbenprächtig, schön anzusehen, passen in die Zeit hinein, die Choreographie von Christopher Tölle ist rasant, phantasievoll und stimmig, die Tanzeinlagen ebenfalls ein Pluspunkt, der Chor ein Aktivposten, einstudiert von Thomas Runge. Das Orchester der Staatsoperette Dresden wird an diesem Abend von Peter Christian Feigel geleitet, und er macht dies routiniert, sängerfreundlich und akribisch auf alles eingehend. Er holt die Feinheiten aus dem Orchester heraus und lässt sie vor allem seine Sänger zurückhaltend begleiten, so dass diese nicht versuchen müssen gegen ein wogendes Orchester anzusingen. Nein, alles ist im Lot, dieses fast „kleinopernhaftes“ Werk wird schwungvoll und leidenschaftlich dargeboten.
Kommen wir nun zum gesanglichen Bereich der Operette und hier gibt es – Gott sei Dank – nur positives zu berichten.
Der Zarewitsch wird an diesem Abend von dem jungen tschechischen Tenor Richard Samek gegeben und er gibt ihn sehr überzeugend. Leider muss er sich auch ein bisschen der Regie beugen, singt den Zarewitsch im berühmten „Wolgalied“ anfangs zurückhaltend, fast zärtlich, weich, teilweise mit Kopfstimme. Dann aber kann er sich – jedenfalls teilweise – von der Regie lösen und vor allem in den Duetten trumpft er mit leidenschaftlichem, kraftvollem Ton auf. Strahlend, auch in den Höhen noch metallisch glänzend, kann er als liebender Zarewitsch voll und ganz überzeugen. Seine Sonja ist die junge französische Sopranistin Frédérique Friess und auch sie macht ihre Sache ausgezeichnet.
Spielerisch mit vollem Einsatz, wartet sie auch mit einem frischen klaren höhensicheren silbrig hellem
Sopran auf und kann selbst da überzeugen, wo sie im Liebesduett den albernen schwulen Soldaten streicheln muss. Das Buffopaar, Frank Ernst als Iwan und Jeannette Oswald, macht seine Sache ausgezeichnet. Er mit hellem, sicheren Buffotenor und sie, auch ganz reizend anzusehen, mit weichem silberhellen und warmem Sopran, überzeugen nicht nur gesanglich sondern wirbeln auch in den Tanzeinlagen über die Bühne, das es eine wahre Freude ist. Wie gut aufgestellt die Staatsoperette Dresden ist, zeigt sich auch daran, dass eine ihre wichtigsten Stützen, und vor kurzem erst eine ganz tolle lustige Witwe singend, nämlich Ingeborg Schöpf sich in der Wurzenrolle einer – nur ein paar wenige Worte sprechend – Fürstin einbringt. Es gibt keine Ausfälle im Ensemble, wobei ich auf den „Hauptdarsteller“ Soldat und Putin-Zar gerne hätte verzichten können. Dem Publikum jedenfalls hat es gefallen und es applaudiert lange und ausdauernd. Ein Abend, der neben wunderschönen musikalischen Momenten leider auch einige inszenatorische Probleme hat – aber das ist halt meine ganz subjektive Meinung.
Manfred Drescher 13.07.2016
Bilder von Kai-Uwe Schulte-Bunert