Fürth: „Die Csárdásfürstin“, Emmerich Kálmán

Nach langer Zeit war ich wieder einmal in dem wunderschönen Stadttheater Fürth und habe keine Sekunde bereut. Auf dem Spielplan die schmissige Operette von Emmerich Kálmán Die Csárdásfürstin. Erstmals in Fürth das Ensemble der Neuen Operette Wien. Nachdem die Operettenbühne Wien unter Heinz Hellberg, die viele Jahrzehnte auch hier in Fürth aufgetreten war, leider nicht mehr existiert, nun die von Claudius Schutte (kaufmännischer Leiter) und Alexander M. Helmer (künstlerischer Leiter) ganz frisch gegründete Neue Operette Wien. Ihr Ziel ist, Operette zeitgemäß, frisch und entstaubt zu präsentieren, ohne die ursprüngliche Form außer Acht zu lassen. Bühnenbilder und vor allem auch Lichtprojektionen dem heutigen Standard anzugleichen und Darsteller und Musiker (die musikalische Leitung hat László Gyüker) ins Boot zu holen, die jung, frisch und mit Leidenschaft die Operette auch einem jüngeren Publikum näherbringen können. Das Publikum soll mitgerissen werden, sich begeistern lassen und zufrieden das Theater verlassen, Und ich kann einfach nur sagen, dass dies bei der Csárdásfürstin mehr als gelungen ist, für mich ein toller Einstand der neuen Bühne. An diesem Sonntagabend hat einfach alles gepasst und bei solch grandiosen Aufführungen wird die so oft totgesagte Operette niemals sterben – und das ist auch gut so.

Die Inszenierung ist stimmig, sicherlich etwas moderner, aber nie so, dass das Flair der Urfassung je in Gefahr gerät unterzugehen. Ein Glücksfall ist natürlich hier der gebürtige Wiener Alexander M. Helmer, der neben der Regie auch die Rolle des Feri von Kerekes, genannt Feri Baci übernimmt. Helmer steht seit vielen Jahren auf den Brettern, die die Welt bedeuten, er ist ein Allroundtalent, der Regie führt, entsprechende Gesangspartien in der Operette übernimmt, aber auch nebenher dem Schlager frönt, also alles unternimmt um sein Publikum zu unterhalten. Und als Regisseur ist er keiner von denen, die sich unbedingt selbst verwirklichen wollen und das ohne Rücksicht auf ein Publikum, welches sie damit mehr verschrecken als erfreuen. Leider ist dieser Typ des Regisseurs in den letzten Jahren immer häufiger in den Vordergrund getreten. Helmer erzählt die Liebesgeschichte des Fürstensohns Edwin Ronald mit der Chansonette Sylva Varescu gradlinig und immer nachvollziehbar. Hier inszeniert jemand, der viel Ahnung vom Metier und den Künstlern hat und das macht sich natürlich mehr als bemerkbar. Gleich zu Beginn der Operette führt er in das Stück ein, erzählt vom Liebespaar und den Problemen mit der hochherrschaftlichen Verwandtschaft. Als roter Faden wandert er durch das Stück und bereitet die Zuschauer auf das Kommende vor. Ein toller Einfall, gut durchdacht und ausgeführt.

Die Kostüme von dem geborenen Kroaten Darko Vladetic sind wunderschön anzusehen, bunt und prächtig beleben sie das Geschehen auf der Bühne. Das Bühnenbild, für das der im Burgenland geborene Prof. Manfred Waba verantwortlich zeichnet, ist stimmig und nachvollziehbar, mit geringsten Mitteln wird hier Optimales erzeugt. Die eigentliche Bühne ist nur mit ein paar wenigen Requisiten versehen, ein paar Stühle und Tische. Und dahinter wird auf einer Leinwand großflächige Dekoration projiziert, die Bühne des Varietés, der prachtvolle Saal eines Schlosses usw. Dies wird entsprechend farbig beleuchtet und bietet mit einfachsten Mitteln ein optimales Ergebnis und dem Publikum fehlt dabei gar nichts. Dass diese Dekoration auch keine Unmengen an Geld verschwendet, kommt noch äußerst positiv dazu. Prachtvolle Dekorationen mit einfachen Farbprojizierungen – ja, man muss nur draufkommen und alles passt nahtlos zueinander. Der Funken springt über, über auf ein Ensemble, bei welchem es keinen einzigen Ausfall gibt. Die Choreographie liegt in den Händen der Wienerin Katharina Strohmayer, deren Arbeit keinerlei Schwachpunkte aufzeigt und deren u.a. fein einstudierten Tänze viel zum Erfolg des Abends beitragen.

(c) Claudius Schutte

Das Orchester der Neuen Operette Wien wird von einem ausgesprochenen Kenner der Operette, nämlich dem in Miskolc in Ungarn geborenen Laszlo Gyükér geleitet. Er, den ich Gott sei Dank schon oft erleben und bewundern konnte, hat auch heute das gut aufgelegte und beschwingt aufspielende Orchester fest im Griff. Gyükér lässt sein Orchester jubeln und auch lautstark galoppieren, um es dann jedoch auch wieder sängerdienlich zurückzunehmen, wenn es erforderlich ist. Er hat im kleinen Finger mehr Musikalität, als viele seiner Dirigentenkollegen im gesamten Körper und ich freue mich riesig, ihn wieder leidenschaftlich wie immer, am Pult zu erleben. Melodienreichtum und Walzerseligkeit schwappen auf die Sänger und das Publikum nieder und lassen das Publikum förmlich dahinschmelzen, und dieses Publikum kann im Walzerrhythmus nur begeistert applaudieren und dies tut es ausgiebig. Diese musikalische Leidenschaft wünsche ich mehr Dirigenten, denn damit verhelfen sie der Operette zu dem Platz in der Musikwelt, den sie verdient. Es ist eine schmissige und schwungvolle Aufführung, an der es nicht das Geringste auszusetzen gibt. Sowohl darstellerisch als auch musikalisch erlebt man Operette aus einem Guss, wie sie leider nur noch ganz selten aufgeführt wird. Und damit kommen wir – aus meiner Sicht – zu dem Wichtigsten an einer guten Operette, den Sängern und auch hier passt einfach alles.

Als Csárdásfürstin Sylva Varescu steht die Wienerin Ella Tyran auf der Bühne. Sie bezaubert in jeder Beziehung. Neben einem lebendigen frischen Spiel steht ihr ein silbriger höhensicherer, leuchtender, klarer und ausdrucksstarker Sopran zur Verfügung. Sie zeigt eine mehr als nur beeindruckende Leistung. Bei einer solchen Sylva schmilzt nicht nur das Herz ihres Edwins dahin, nein, auch die Herzen der anwesenden Herren im Publikum schlagen wesentlich höher als sonst. Die beiden Tenöre, die alternierend für den Edwin vorgesehen sind, sind beide erkrankt. Etwas Fürchterliches für jede Aufführung. Jedoch nicht an diesem Abend, denn ganz kurzfristig springt der junge österreichische Tenor Stefan Reichmann mit Bravour ein. Er, der für mich kein Unbekannter ist und den ich schon oft erleben durfte, fügt sich nahtlos in das Ensemble ein, als wenn er die ganzen Vorstellungen vorher schon dabei gewesen wäre. Fesch, blond gelockt, kann er mit seinem weichen, hellen, warmen und gepflegten Tenor, den er auch beeindruckend zum Strahlen bringt, mehr als punkten. Der elegante Tenor hat in der Vergangenheit auch an seiner Bühnenpräsenz gearbeitet und ist wesentlich lockerer geworden, als ich ihn teilweise früher erlebt habe. Er ist zwar der Retter der Aufführung, aber das Publikum kann keinerlei Bruch in der Vorstellung erkennen, eine ausgezeichnete Leistung, auch in den Duetten mit seiner Sylva, die mit großem Applaus gefeiert werden. Als Einlage aus der Kálmán Operette Das Veilchen von Montmartre kann er mit der bravourösen und gefühlvollen Tenorarie Heut‘ Nacht hab‘ ich geträumt von Dir den wohlverdienten Beifall der Operettenbesucher für sich verbuchen.

(c) Claudius Schutte

Graf Boni wird von dem geborenen Tiroler Tenor Benjamin Purner verkörpert. Und er macht dies mehr als gut. Sein leichter luftiger Spieltenor holt alles aus der Rolle heraus, sein frisches gefälliges Spiel, seine unbekümmerte Verkörperung des Grafen begeistern nicht nur das Publikum, sondern auch Komtesse Stasi, die ihn ja letztendlich „bekommt“. Sie wird von der in Forchtenstein im Burgenland aufgewachsenen Verena Tranker dargestellt. Mit schönem, zartem, spielfreudigem Sopran, den sie manchmal vielleicht noch etwas zu zurückhaltend einsetzt und mit ausgesprochen spielfreudigem Einsatz, verzaubert sie ihren Boni, mit dem sie als Einlage gemeinsam aus der Zirkusprinzessin von Kálmán Wenn Du mich sitzen lässt, fahr ich sofort nach Budapest interpretiert und dem Publikum dadurch auch weitere entsprechende Beifallsstürme entlockt.

Feri von Kerekes, genannt Feri Baci wird von Alexander M. Helmer verkörpert. Und er verkörpert ihn einfach nur grandios. Hier steht jemand auf der Bühne, der die Operette mit der Muttermilch aufgesogen hat, der sie verinnerlicht und dadurch auch entsprechend interpretieren kann. Stimmlich in Hochform, sein eleganter Tenorbariton ist durchschlagskräftig, versehen mit weichem, warmem Ausdruck und darstellerisch ist er in einer eigenen Liga. Mehr als rollendeckend gibt er den weisen, welterfahrenen Freund und Berater und kann zu Recht tosenden Beifall für seine Interpretation in Empfang nehmen.

Das Fürstenpaar, der in Wetzlar geborene Jan Reimitz als Leopold Maria, Fürst von und zu Lippert-Weylersheim und die in Detmold geborene Martina Haeger als seine Frau Anhilte, runden das hervorragende Ensemble exzellent ab. In erster Linie können beide ausgezeichnete darstellerische wie komödiantische Akzente setzen, aber sie haben auch noch ein besonderes, viel bejubeltes Zuckerl bekommen. Gemeinsam interpretieren sie überzeugend, schwungvoll und leidenschaftlich eine weitere Einlage aus der Kálmán Operette Die Bajadere und zwar den schmissigen Shimmy Fräulein, bitte woll’n Sie Shimmy tanzen. Tosender Applaus für eine gelungene Einlage.

Die gebürtige Tirolerin Julia Preglau ist in der Rolle des Eugen von Rohnsdorff, hier als Eugenia zu erleben und die Wienerin Yvonne Preisler schlüpft ohne Fehl und Tadel gleich in drei Rollen, der Partie des Conférenciers, des Notars und dem Stubenmädchen Piroschka.

Der Hintergrund dafür ist, dass für eine solche Produktion, gerade bei einem Neuanfang nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen und so hat man Rollen mehrfach besetzt und männliche Rollen in weibliche umgeformt, was auf jeden Fall auch einen gewissen Charme mit sich bringt. Die drei Einlagen aus anderen Operetten Kálmáns wurden in erster Linie eingefügt, um das sogenannte Ohrwurmgefühl noch zu verstärken. Und ich muss dazu einfach sagen, dass es keinerlei Bruch in der Operette gegeben hat, alle drei Einschübe haben sich völlig nahtlos eingefügt und auch mit zu dem tollen Erfolg der Aufführung beigetragen.

(c) Claudius Schutte

Fast nicht endend wollender Applaus am Ende eines beschwingten, heiteren, aufregenden, humorvollen sowie erfrischenden Abends, der sicherlich denen, die ihn erleben durften, noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Ich freue mich heute schon auf weitere Aufführungen der Neuen Operette Wien.

Manfred Drescher, 22. Januar 2024


Die Csárdásfürstin
Emmerich Kálmán

Neue Operette Wien

Premiere: 22. Oktober 2023
Besuchte Vorstellung: 14. Januar 2024


Regie: Alexander M. Helmer
Musikalische Leitung: Laszlo Gyüker
Orchester der Neuen Operette Wien