Mailand: „Il trovatore“

Aufführung am 18.2.20 (Premiere am 6.2.)

Hier handelt es sich um die 2014 in Salzburg gezeigte Koproduktion (Regie: Alvis Hermanis, Bühne: Hermanis und Uta Gruber-Ballehr, Kostüme: Eva Dessecker, Video: Ineta Sipunova). Diese in einer Bildergalerie spielende Interpretation war schon seinerzeit kein großer szenischer Erfolg. Wenn man bedenkt, dass die Bühne der Scala wesentlich kleiner ist als die des Großen Festspielhauses, kann man sich leicht vorstellen, dass eventuelle visuelle Effekte noch abgeschwächt wurden.

Für mich kam noch dazu, dass mich diese Metaebene, in der Museumsmitarbeiter sich in ihre Arbeit so hineinsteigern, dass sie abends in die Rollen der Oper schlüpfen, insofern störte, als sie mein Interesse an Manrico und den anderen Figuren erlahmen ließ, denn eigentlich handelt es sich nun um die Geschichte derer, die einer Faszination erliegen. Dazu kommen mehr als ungeschickte szenische Lösungen, wenn z.B. im 2. Bild des 1. Akts der zunächst in Zivil gekleidete Luna kurz in den Kulissen verschwindet und gleich darauf mit einem Überwurf zurückkehrt, der hinten mit Schleifen locker zusammengebunden ist – Assoziationen zu einem Operationshemd werden wach. Oder wenn ein paar als Zigeunerinnen verkleidete Statistinnen der Fremdenführerin im „Verborgenen“ Azucenas Gewand anlegen oder sich die Leonora verkörpernde Angestellte hinter einem umgeworfenen Bild verstecken muss, um dann im mittelalterlichen Kostüm erscheinen zu können, ganz zu schweigen vom plötzlich die Museumsräume füllenden Zigeunerchor.

Abgehängte Bilder und zerbrochene Rahmen werden für das Miserere-Bild neben einem Benzinkanister auf den Boden geworfen – soll wohl den Scheiterhaufen symbolisieren. So nimmt es nicht wunder, dass die letzte Szene am Überzeugendsten gerät, weil nur graue Gefängnismauern zu sehen sind.

Keine große Hilfe kam aus dem Graben, im Gegenteil: Ich habe schon sehr, sehr lange keine solche grelle, ja ordinäre Interpretation des Orchesters des Hauses gehört. Verantwortlich dafür war Nicola Luisotti, der das Blech und die Pauken zu einem lärmigen Sound führte, wie er einer banda in der Provinz besser angestanden wäre (ohne diesen verdienstvollen Kapellen nahetreten zu wollen). Sogar der Chor (Bruno Casoni), und da vor allem die Herren, sang so lauthals, dass einem Hören und Sehen verging.

Bei den Solisten kam die beste Leistung von Francesco Meli, der als Einziger von Anfang an seine Opernfigur sein durfte. Wie immer beglückte der Sänger mit fabelhafter Diktion, der Beachtung aller musikalischen Vorschriften Verdis und sang ein besonders berührendes „Ah sì, ben mio“. Dass er mit dem C der Stretta, das hier ohnedies ein B ist, nicht viel anfangen kann, ist bekannt. Liudmyla Monastyrska, im strengen blauen Kostüm zunächst besonders unvorteilhaft aussehend, war nach wackeligem Beginn eine recht gute Leonora, die in „D’amor sull’ali rosee“ mit besonders schönen Piani gefiel. Die in ihr angestammtes Fach zurückgekehrte Violeta Urmana hat in der Tiefe ziemlich an Kraft verloren, während die Mittellage recht sopranlastig war. Im Ganzen aber eine anständige Leistung. Das kann vom Luna des Massimo Cavalletti nicht gesagt werden, der die Rolle roh und polternd interpretierte. Schauspielerisch war er allerdings am Überzeugendsten (im Schlussbild konnte auch die Regie punkten, wenn sich die Brüder gemeinsam um die sterbende Leonora bemühen; allerdings wird der positive Eindruck sofort gelöscht, wenn Ferrando Manrico auf offener Bühne die Kehle durchschneidet).

Ferrando wurde von dem mit Ausnahme zweier ein wenig enger Höhnen ausgezeichnet singenden Gianluca Buratto verkörpert. Caterina Piva (Ines),

Taras Prysiazhniuk (Ruiz) und Giorgi Lomiseli (Alter Zigeuner), alle aus der Accademia, gaben gute Talentproben ab, vor allem der den Ruiz verkörpernde Tenor. Als Bote ergänzte Hun Kim.

Wenn Regie und Dirigent nicht stimmen, ist es schwierig, einen Abend zu genießen…

Eva Pleus 22.2.20

Bilder: Brescia & Amisano / Teatro alla Scala