Aufführung am 6.7.19 (Premiere)
Seltsame Zusammenstellung
Die letzte Produktion vor dem Sommer brachte ein ziemlich außergewöhnliches Zweigespann, wobei Antonio Salieris Einakter für die Scala eine Erstaufführung war. Liest man den Titel „Zuerst die Musik, dann die Worte“, denkt man unwillkürlich an den auch in „Capriccio“ ausgetragenen Disput über den Vorrang von Musik oder Text. Bei Salieri ist die Sache aber viel einfacher, denn es geht darum, dass ein Komponist für seinen Herrn innert vier Tagen eine Oper schreiben soll (wer denkt da nicht an Strauss‘ „Ariadne“!), wobei der Musiker (Bassbuffo) bereits vorhandenes Material verwenden will und vom Textdichter (Bariton) nur verlangt, dass er seine Worte der Musik anpasst (während üblicherweise ein vorhandener Text vertont wird). Das führt zu Streitereien zwischen den beiden, die Salieri in ziemlich langwierigen Rezitativen umsetzt. Gleichzeitig nimmt der Komponist seine Zeitgenossen musikalisch aufs Korn, indem er Donna Eleonora (dramatischer Sopran) und Tonina (Koloratursopran) einführt. Die beiden sind, jede in ihrer Art, das Abbild einer kapriziösen Primadonna und haben ein paar schwierige Arien, welche die am Wiener Hof so populären barocken Verzierungen imitieren. (In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Salieris Werk auf Befehl Josef II. gemeinsam mit Mozarts „Schauspieldirektor“ zur Aufführung kam, um einen Vergleich zwischen „welscher“ und „deutscher“ Musik zu ermöglichen).
Die Regie wurde von Grischa Asagaroff mit den jungen Leuten der Accademia della Scala erarbeitet. Als „Bezugssänger“ interpretierte Ambrogio Maestri die Rolle des Kapellmeisters. Stimmlich gibt es in dieser Rolle nicht viel für ihn zu holen, und die Konzentration auf die ihm wohl ungewohnten langen Rezitative ließen nicht viel Raum, um die buffoneske Seite auszuspielen. Maharram Huseynov aus Aserbaidschan war da schon lebendiger und ließ einen weiter ausbaufähigen Bariton hören. Die schon mehrfach eingesetzte Anna-Doris Capitelli, eine Deutschitalienerin, überzeugte mit warm timbriertem Mezzo und großer ironischer Divenattitüde in den schwierigen Arien den Donna Eleonora. Aus Kampanien stammt Francesca Pia Vitale, die eine quicklebendige Tonina mit überaus sauberen Koloraturen war. Sowohl gesanglich, als auch darstellerisch somit 2:0 für die jungen Damen.
Überzeugend waren Bühnenbild und Kostüme von Luigi Perego ausgefallen: Ein paar groß dimensionierte Instrumente bildeten das gelungene Ambiente, und besonders gefielen die attraktiven Roben von Donna Eleonora (die Capitelli auch zu tragen verstand). Asagaroff hatte die jungen Leute geschickt eingewiesen, und Unterstützung fanden sie auch bei Ádám Fischer, der sich in dieser Musik zuhause fühlt und schon bei der kurzen Ouvertüre (die stilistisch auch von Mozart stammen könnte) zeigte, wie spritzig man das Orchester der Accademia aufspielen lassen kann.
In starkem Kontrast dazu stand Puccinis Einakter, für den man die Produktion von 2008 aus Los Angeles geholt hatte. Der Anziehungspol für PR und Marketing war die Tatsache, dass Woody Allen damit seine erste und bisher einzige Opernregie geführt hatte. Eine Regie, die leider jegliches Klischee bedient, das man im Ausland – und speziell in den Vereinigten Staaten – hinsichtlich Italien hochhält. In die Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts verlegt, ist Schicchi ein Mafioso, schon der kleine Gherardino stiehlt aus den Manteltaschen der Anwesenden, Buosos Testament wird schließlich in einem Nudeltopf mit kochendem Wasser gefunden, und natürlich hängt die gewaschene Wäsche kreuz und quer über die Bühne von Santo Loquasto (der auch für die Kostüme verantwortlich war)! Dies nur ein paar Beispiele. Natürlich hatte Woody Allen mit seiner Anwesenheit in town für entsprechendes Interesse gesorgt, aber beim Publikum blieb doch ein schaler Geschmack zurück. Es muss allerdings gesagt werden, dass, will man über Obengesagtes hinwegsehen, die szenische Arbeit mit den jungen Leuten von der Accademia sehr präzise war und jede einzelne Persönlichkeit der schließlich gefoppten Erben ihr eigenes Profil hatte. Um so seltsamer, dass beim Schlussapplaus die für die Wiederaufnahme verantwortliche Kathleen Smith Belcher nicht zu sehen war, sondern nur Woody Allen, der wohl in seiner Eigenschaft als Filmregisseur gefeiert wurde, auf die Bühne kam.
Das Dirigat von Ádám Fischer war hier weniger brillant als bei Salieri – man hätte sich vom Orchester der Accademia einen Puccini mehr entsprechenden, einerseits melodischen, andererseits satirischen Sound gewünscht. Hier befand sich Ambrogio Maestri stimmlich mehr in seinem Element, aber die Charakterisierung als Mafioso stand der sympathischen Ausstrahlung des Künstlers, der (wie wir von seinem Falstaff wissen) durchaus auch verschmitzt sein kann, im Weg. Stimmlich klang der Chinese Chuan Wang als Rinuccio mit guter Technik und schönem Timbre vielversprechend; allerdings handelt es sich um einen lirico-leggero, der besonders sorgfältig mit seinem Material umgehen wird müssen. Die auch schon mehrfach eingesetzte Francesca Manzo hatte als Lauretta mit „O mio babbino caro“ zwar den durch den Bekanntheitsgrad der Arie erwartbaren Szenenapplaus, sang sie aber nicht mehr als solide. Als Zita nützte die Ukrainerin Daria Cherniy ihre Chance auf Profilierung, auch Caterina Piva (Mezzo aus der Umgebung Mailands) vermochte sich szenisch als La Ciesca zu profilieren. Allen anderen ein Gesamtlob, wobei allerdings Eugenio Di Lieto (Bass) als schwacher Simone auffiel.
Eva Pleus 25.7.19
Bilder: Brescia & Amisano / Teatro alla Scala